Querelen in der franzoesischen Regierung France Telecom: Designierter Vorstand tritt sein Amt nicht an

15.09.1995

PARIS (CW) - Noch vor seinem Amtsantritt hat Francois Henrot, designierter Chef der France Telecom, das Handtuch geworfen. Offiziell nannte Henrot persoenliche Gruende fuer seinen Schritt, inoffiziell wird jedoch die fehlende Rueckendeckung seitens der franzoesischen Regierung fuer die geplante Privatisierung des Carriers als Ursache gesehen.

Kurz nach seiner Ernennung hat Henrot fuer alle ueberraschend einen Rueckzieher gemacht. Der Manager sollte diese Woche in die Fussstapfen von Marcel Roulet treten, der seit 1986 an der Spitze von France Telecom stand. Unter der Regie Roulets wurden die Weichen fuer das beabsichtigte Joint-venture "Atlas" zwischen den Franzosen und der Deutschen Telekom AG sowie fuer die zehnprozentige Beteiligung an der amerikanischen Telefongesellschaft Sprint gestellt.

In Fachkreisen gilt als sicher, dass Henrot aus Veraergerung ueber Differenzen zwischen Premierminister Alain Juppe und Postminister Francois Fillon seinen Dienst vorzeitig quittierte. Streitpunkte sind die Privatisierung der France Telecom sowie die Liberalisierung des franzoesischen TK-Marktes. Waehrend Juppe kuerzlich die Umwandlung des Carriers in eine Aktiengesellschaft sowie eine Teilprivatisierung mit Kapitalmehrheit des Staates ankuendigte, befuerwortet Fillon unter dem Druck der Beschaeftigten und der Gewerkschaften eine Liberalisierung erst nach 1998.

Die Tatsache, dass die franzoesische Regierung sowohl hinsichtlich der Deregulierung des Marktes als auch der Reform des Unternehmens mit doppelter Zunge spricht, duerften Henrot zu seinem kurzfristigen Ausstieg veranlasst haben. Henrot, Favorit von Juppe, soll Insiderangaben zufolge, sein Ja zum Engagement bei France Telecom von einer unverzueglichen Teilliberalisierung und Privatisierung abhaengig gemacht haben. Als Nachfolger wurde jetzt Michel Bon auserkoren, bislang Chef der Arbeitsverwaltung ANPE.