Schmerzhafter Verlust des Großkunden Audi

Querelen im Bechtle-Vorstand sind beendet

02.04.2004
STUTTGART (gh) - Die Bechtle AG hat sich für 2004 sportliche Ziele gesetzt. So will Deutschlands zweitgrößtes konzernunabhängiges Systemhaus endlich die Umsatzmilliarde packen. Im Geschäftsjahr 2003 blies den Schwaben indes der Wind teilweise kräftig ins Gesicht. Für zusätzlichen Wirbel sorgte die Entlassung des erst Anfang März neu berufenen Vorstandschefs Karl-Heinz Gosmann.

Bechtle-Mitbegründer und -Vorstand Ralf Klenk gab sich vor Journalisten in Stuttgart keine Mühe, die Vorkommnisse zu beschönigen. Schließlich hatte er vergangene Woche überraschend den Vorstandsvorsitz übernommen, nachdem der als Nachfolger des langjährigen Firmenchefs Gerhard Schick angetretene Gosmann nach nur dreiwöchiger Amtszeit vom Aufsichtsrat wieder abberufen wurde. "Ein so schnelles Verfahren ist sicher nicht positiv zu bewerten", meinte Klenk. Der spektakuläre Schritt sei jedoch notwendig gewesen, da es zwischen ihm, Gosmann und Schick "unterschiedliche unternehmensstrategische Auffassungen" gegeben habe. Dass diese grundlegenden Differenzen bereits nach so kurzer Zeit offen zutage traten, sei zwar dramatisch für das Unternehmen, erspare Bechtle aber eine "längere Zerreißprobe", führte er weiter aus.

Auf die genauen Gründe für den Rauswurf Gosmanns, der als Chef des im März 2003 übernommenen Systemhauses PSB zu Bechtle gekommen war, ging Klenk auf der Bilanzpressekonferenz nicht ein. Er deutete aber an, dass die Personalie noch ein juristisches Nachspiel haben könnte. Zudem bekräftigte er, dass er nicht nur Interims-Vorstandsvorsitzender sein wolle. Der Manager, der bisher schon das operative Geschäft bei Bechtle verantwortete, galt seit jeher als Wunschkandidat des in den Aufsichtsrat gewechselten Firmenpatriarchen Schick, hatte das Amt jedoch aus familiären Gründen ursprünglich abgelehnt. Insidern zufolge sollen Gosmanns Pläne, Bechtle stärker als Lösungsanbieter zu positionieren und die rund 50 weitgehend selbständig agierenden Systemhaustöchter enger an den Konzern zu binden, den Ausschlag für einen Sinneswandel Klenks gegeben haben. Bechtles "Erfolgsrezept" sei weiterhin die dezentrale Systemhausstruktur, betonte der neue Firmenchef nun.

Das Geschäftsjahr 2003 (Ende: 31. Dezember) wertete Klenk sehr positiv. Mit einem gegenüber 2002 um 5,3 Prozent auf 791,9 Millionen Euro gewachsenen Umsatz und einem von 19,0 auf 27,2 Millionen Euro verbesserten Vorsteuergewinn (Ebt) sei die abgelaufene Berichtsperiode "ohne Zweifel das beste Jahr in der Geschichte der Bechtle AG" gewesen. Der frisch gebackene Vorstandschef räumte aber ein, dass die Zuwächse ausschließlich aus dem Kauf von PSB resultieren, der ab dem zweiten Quartal in der Bilanz konsolidiert wurde. Ohne den Merger hätten die Schwaben ein Umsatzminus ausweisen müssen. Man habe nicht Einnahmen "um jeden Preis" erzielen wollen, verwies Klenk auf den Margendruck im Systemhausgeschäft. Ein heftiger Schlag ins Kontor war 2003 auch der Verlust des bisherigen Großkunden Audi, den Bechtle an Siemens Business Services (SBS) abgeben musste. Klenk zufolge habe das dazu geführt, dass sein Unternehmen den Standort Ingolstadt schließen und rund 100 Mitarbeiter entlassen musste. Zuletzt sei man bei der Preiskalkulation für IT-Projekte bei Audi "teilweise sogar unter die Schmerzgrenze gegangen", so Klenk.

Für das laufende Jahr zeigte sich der Bechtle-Chef trotzdem zuversichtlich. Im IT-Markt sei eine leichte Belebung zu spüren. Inklusive der dann konsolidierten Schweizer Firmen ARP und Comsyt, die im Dezember 2003 beziehungsweise im Februar 2004 übernommen wurden, peile man die Umsatzmilliarde an - ein Ziel, das die Schwaben allerdings vor Jahresfrist schon einmal ausgegeben hatten. Dabei setze man primär auf organisches Wachstum, schließe allerdings weitere Akquisitionen nicht prinzipiell aus. Beim Vorsteuergewinn sollen mindestens 30 Millionen Euro in den Büchern stehen. Alles andere wäre, so Klenk, "eine große Enttäuschung".