Kolumne

Qualität ist relativ

12.02.2008

Ohne zu werten beschreiben Ingenieure Qualität. Für sie ist das eine Eigenschaft, zum Beispiel eine bestimmte Bruchfestigkeit oder eine Oberflächenbeschaffenheit. Laut der ISO-Norm für Qualitätsmanagement bemisst sich Qualität an dem "Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt".

Ganz anders als sonst im wirklichen Leben, stimmen Ingenieursdefinition und das Qualitätsverständnis des normalen Verbrauchers hier überein. Der Nutzer drückt es nur anders aus: Er erwartet von einem Produkt die Eigenschaften, sprich Qualitäten, die ihm versprochen wurden, als er es gekauft hat. Wirklich simpel - eigentlich. Wenn es da nicht andere Kräfte gäbe. Das sind Kräfte (oft im Marketing), die Qualität zu etwas Relativem machen. Sie definieren sie nicht als zu erfüllende objektive Anforderungen, sondern über einen Vergleich zwischen verschiedenen Produkten oder Dienstleistungen. Wenn diese konkurrierenden Produkte nur wenige Anforderungen erfüllen, dann weist dasjenige die beste Qualität auf, das einer Vorgabe mehr gerecht wird als die anderen. Auf diese Weise kann einem miesen Produkt im Verhältnis zu noch mieseren hervorragende Qualität attestiert werden.

Viele Unternehmen scheinen in den letzten Jahren diese Relativität für sich entdeckt zu haben. Seien es Hardwareanbieter, die Notebooks mit möglicherweise explodierenden Netzteilen ausliefern, Softwarehäuser, deren Produkte erst nach der dritten Version halbwegs fehlerfrei sind, oder Call-Center (siehe Seite 38), die Verbrauchern das Leben schwermachen. Fast jeder Anrufer hat schon negative Erfahrungen mit Call-Centern gemacht. Viele kommen nicht über die Warteschleifen hinaus, andere treffen auf inkompetente Agenten, und wieder andere verzweifeln, weil die Weitergabe von Informationen zwischen Rufzentrale und Servicezentrum nicht funktioniert. Die Betreiber machen den enormen Preisdruck für die Qualitätsmängel verantwortlich. Die Unternehmen, die Call-Center zum Beispiel mit First-Level-Support beauftragen, schert das offenbar nicht. Hauptsache billig. Schließlich haben die Kunden das Produkt ja schon gekauft, und After-Sales-Service scheint als Qualitätskriterium ausgedient zu haben.

Manche Call-Center argumentieren tatsächlich, sie seien doch besser als andere. Der Kundenbindung hilft diese Einstellung nicht. Wer schon öfter ergebnislos in Call-Centern angerufen hat, sehnt sich nach echtem Service und fragt sich, warum Unternehmen ihn derart für dumm verkaufen. Zurzeit bleiben die Kunden nur aus Mangel an Alternative bei der Stange. Aber sie haben die Suche nach objektiver Qualität garantiert nicht aufgegeben.

Welche Erfahrungen haben Sie in puncto Produkt- und Servicequalität gemacht? Diskutieren Sie mit unter http://blog.computerwoche.de.