Studenten und Privatpersonen als Zielgruppe für E-Learning entdeckt

Qualität entpuppt sich als Schwachpunkt

16.02.2001
Bisher bilden vor allem große Unternehmen ihre Mitarbeiter durch Online-Kurse weiter. Eine wichtig werdende Klientel der Branche sind Studenten, Schüler und Privatpersonen, die das Internet als Bildungsmöglichkeit nutzen. Von Prem Lata Gupta*

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg hat bei ihrer sechsten Untersuchung knapp 28 Millionen Internet-Nutzer in Deutschland ermittelt, die überdurchschnittlich gebildet und einkommensstark sind. Das legt den Schluss nahe, dass Anwender auch bereit sind, für abrufbares Wissen zu bezahlen. "Der Markt für E-Learning explodiert. Studenten sind direkt nach der Wirtschaft eine der wichtigsten Zielgruppen", bestätigt Winfried Sommer, wissenschaftlicher Leiter der Bildungsmesse "Learntec" in Karlsruhe.

In fast jedem Bundesland existieren inzwischen virtuelle Hochschulprojekte. Das Paradebeispiel ist die Fernuniversität Hagen, die einen hochwertigen Multimedia-Mix mit vergleichsweise hohem Online-Anteil bietet. Ihre Studenten - zu 80 Prozent (weiter-)bildungswillige Berufstätige - können aus 25 Studiengängen wählen. Dazu kommen Ergänzungs-, Aufbau- und Zusatzstudienangebote. Virtuell studieren bedeutet an der Fernuni Hagen, nicht nur Lehrmaterial online abzurufen, sondern auch elektronisch in der Bibliothek stöbern zu können, Chats mit Kommilitonen und Betreuung durch die Hochschullehrer. Selbst Praktika finden im Netz und Prüfungen per Videokonferenz statt. Lehre und Forschung stehen im Mittelpunkt, dennoch hat Rektor Helmut Hoyer zielgruppenorientierte Weiterbildungsprogramme für die freie Wirtschaft und öffentliche Einrichtungen im Auge. "Modularisiert und komprimiert" sollen sie auf den Bedarf der Kunden zugeschnitten werden. Lernen in Zehn-Minuten-Pixeln wird es nicht geben, dies widerspreche dem Charakter des universitären Lernens, so Gertraude Möllers-Oberück vom Lernraum Virtuelle Universität in Hagen. Aber, "der Bedarf nach kleineren Lehreinheiten ist da, von Studentenseite und aus der Industrie".

18 Online-Stunden kosten 100000 MarkAn die Zukunft des modularen Prinzips glaubt auch Georg Settmann, Projektleiter der Virtuellen Hochschule Bayern. Das liege einerseits an den unterschiedlichen Studienordnungen und der Notwendigkeit, erworbenes Wissen mit so genannten Creditpoints zu bewerten. Zum anderen erfordere das lebenslange Lernen, dass "wir künftig mit Versatzstücken arbeiten müssen". Die Universitäten wissen, worin ihre Stärken liegen. "Bei uns gibt es übergeordnete Kontrollinstanzen, die die Qualität eines Angebotes vorab prüfen", betont Settmann. Er kritisiert private Anbieter, bei denen die Qualität aus Profitgier nicht im Vordergrund stehe. "Wir müssen keine Gewinne erwirtschaften", begründet Settmann seine Haltung.

Eine Aussage, die Marion Bruhn-Suhr nicht unbedingt unterschreiben würde. Sie ist Leiterin der Studienagentur der Fachhochschule Lübeck im Bundesleitprojekt "Virtuelle Fachhochschule". Ab dem kommenden Wintersemester werden die Studiengänge Medieninformatik und der weiterbildende Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen angeboten. Bruhn-Suhr erklärt: "Virtuelle Studiengänge sind sehr betreuungsintensiv. Die Entwicklung von multimedialen Modulen ist kostenintensiv. Eine Semesterwochenstunde, das entspricht etwa 18 Stunden, kostet 100 000 Mark. Unter gewissen Modellannahmen haben wir ausgerechnet, dass wir 600 Studienanfänger benötigen, um nicht teurer zu sein als ein Präsenzstudium." Darum will man sich in Lübeck nicht darauf verlassen, dass die Bundesgelder ewig fließen.

Eine Doppelstrategie fährt das Startup-Unternehmen New Virtual Learning. Einerseits arbeitet der Anbieter mit Großkunden wie Gerling oder VW zusammen, ebenso wichtig ist jedoch die große Klientel der Studenten und einzelnen Bildungsinteressenten. Hochschulkenner gehen davon aus, dass inzwischen 90 Prozent aller Immatrikulierten auch Internet-Nutzer sind. Das Konzept von New Virtual Learning besteht darin, nicht mehr ganze Kurse anzubieten. Der User loggt sich stattdessen für kleine, klar umrissene Lehreinheiten ein. Das Angebot umfasst bisher 300 Module in Fächern wie BWL, VWL, Mathematik, Latein und Jura. Zu Preisen von fünf bis acht Mark pro viertelstündige Einheit kann jeder Bildungshungrige gezielt sein Wissen erweitern.

Wissenschaftler sollen Qualität prüfenProfessionell vertonte Inhalte, interaktive Übungen, Chats und Foren sowie die Möglichkeit, online mit einem Tutor zu kommunizieren, sollen einen vollständigen Service ergeben. Anschauliche Demoübungen, für die sich der Interessierte nicht registrieren lassen muss, verschaffen einen ersten Eindruck. Die Qualität soll ein wissenschaftlicher Beirat sichern, der aus Lehrstuhlinhabern besteht.

Qualität jedenfalls ist das Stichwort, bei dem das große Rätselraten beginnt. Bevor sich der Benutzer für einen Kurs entscheidet, sollte er überprüfen, ob das Angebot auch multimedial aufbereitet ist. Manchmal lässt sich dies an Demo-Übungen überprüfen. Der potenzielle Kunde bekommt einen ersten Eindruck, ob Inhalt und Aufbereitungsweise seinen Erwartungen entsprechen. Je genauer der Anbieter seine Leistungen beschreibt, desto besser weiß der Interessent, was er für sein Geld bekommt. Für die Seriosität eines Anbieters spricht auch, dass der Web-Nutzer vorab einen Einstufungstest machen und so seine Vorkenntnisse prüfen kann.

Dennoch fehlt bisher ein Gütesiegel für E-Learning-Produkte. Eine Auflistung von geprüften Angeboten verzeichnet der neue Softwarebildungsatlas des Berliner Institutes für Information in der Bildungsgesellschaft e.V. (IBI). Mit dem Start der Bildungsmesse in Hannover wird der Atlas ins Netz gestellt. Er informiert über 1200 Produkte von über 200 Anbietern. Das Spektrum reicht von Disketten über CD-ROMs und DVD bis zu Angeboten, die online abrufbar sind.

Der Leiter des Instituts, Wilfried Hendricks, bewertet Online-Bildungsangebote für Schüler kritisch als "noch ausbaufähig", für Studenten als "samt und sonders nicht so toll". In 80 Prozent der Fälle habe er den Eindruck, als würden schlicht Bücher ins Netz gestellt. Falls Bilder verwendet würden, dann selten in Harmonie mit dem Text, sondern mehr als "optische Aufheller". Das Problem bleibt die unübersichtliche Bandbreite von Angeboten. Bildungswillige stoßen bei ihrer Recherche auf Hochschulinitiativen und klassische Bildungsanbieter wie Berlitz, auf Newcomer, die es sich lohnt zu testen, und auf Technikverrückte, die eine Website programmieren können und im Zukunftsmarkt E-Learning mit absahnen wollen.

*Prem Lata Gupta ist freie Journalistin in Köln