PMS-Einsatz allein gewährleistet keinen reibungslosen Projektablauf:

Qualifikation der Endbenutzer ist entscheidend

20.02.1987

DV-gestützte Projektmanagementsysteme (PMS) und die entsprechenden Softwareprodukte sind nur so gut, wie die "Anwendungssoftware-Qualifikation der Endbenutzer. Die Weiterbildung bildet den Schlüssel dazu, meint Frank Weirauch*.

Durch den Einsatz und die Weiterentwicklung bereits bestehender Lösungen von Projektmanagement-Anwendungssoftware sind die Ingenieure und kaufmännischen Angestellten vor neuartige berufliche Anforrungen gestellt. Die fachbezogene Qualifikation bleibt zwar weiterhin von Bedeutung, muß aber durch Know-how im Bereich Anwendungssoftware ergänzt werden.

Bei Betrachtung der Projektmanagement-Applikationssoftware, die tagtäglich - auch in Kleinbetrieben - als Werkzeug verwendet wird stellt man eine derartige Vielfalt des Angebotes fest, daß eine Klassifizierung der Projektmanagement-Standardanwendersoftware erforderlich wird. Entsprechende Produkte gibt es für Personal Computer, PCs mit Host-Anschluß, Mehrplatzsysteme und Mainframes. Sie finden Einsatz für die Planung, Steuerung und Überwachung von Terminen, Kosten und Kapazitäten; ferner für spezielle Projektmanagement-Aufgaben, wie Risikoanalysen, Konfigurationsmanagement, Cost-Controlling, Kostenschätzmethoden und schließlich als "Arbeitsplatz"-Software, zum Beispiel Testverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsgrafik sowie Datenbanken.

Mit der Projektmanagement-Anwendersoftware werden insbesondere abgewickelt:

- Kundenprojekte, Bauprojekte, Industrieanlagen, Softwareprojekte;

- Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Grundlagenforschung, Produktentwicklung, Anlagen-/Systementwicklung, von Standardsoftware;

- Organisationsprojekte, wie Marketingprojekte, spezielle betriebswirtschaftliche Projekte, strukturorganisatorische Anpassung, Kooperations-/Zusammenschlußprojekte, ablauforganisatorische Projekte, Fabrikrationalisierung, EDV-Einführung.

Charakteristisch für Projektmanagement-Anwendungssoftware ist, daß sie im hohen Grade die tägliche Routinearbeit automatisiert und die Planung, Überwachung sowie Steuerung komplexer Sonderaufgaben unterstützt. Immer schneller und öfter können für mehrere unterschiedliche Projektaktivitäten sowie für nachträglich konzipierte Schritte umfangreiche Verknüpfungen, Simulationen, Soll-Ist-Vergleiche, Einzel- und Gesamtauswertungen durchgeführt werden. Die ständige und damit aktuelle Erweiterung beziehungsweise Evaluierung der standardisierten sowie individuellen Projektinformationsbasis reduziert Informationsdefizite und unterstützt dadurch effektiv die Projektentscheidungen der Verantwortlichen.

Anforderungsprofil ist einem Wandel unterworfen

Die Veränderung der Qualifikationsanforderungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Projektmanagement-Anwendungssoftware führt zu folgenden Tendenzen:

- Branchenbezogene Fachkenntnisse bleiben durch die branchenneutrale Projektmanagement-Anwendungssoftware als berufliches Erfahrungswissen weiterhin von Bedeutung. Darüber hinaus wird die Möglichkeit des "branchenfremden" Projektmanagements verstärkt.

- Kenntnisse betriebswirtschaftlicher Verfahren des Projektmanagements werden durch Projektmanagement-Anwendungssoftware nicht abgelöst. Sie geben vielmehr einen fundierten Interpretationshintergrund und größere Sicherheit bei der Planungssteuerung und Überwachung von komplexen Projekten (Multiprojektplanung).

- Projektmanagement-Fachkenntnisse, die auf traditionell bedeutsamem Detailwissen basieren, das sich aus der individuellen Informationsdokumentation und dem geringen Standardisierungsgrad des Informationswesens ergab, sind bedeutungslos. An deren Stelle treten die Basis-, Anwendungs-, Prozedur- und Spezialkenntnisse der Projektmanagement Anwendungssoftware.

- Fachliche Projektmanagement-Anwendungssoftware hilft bei der Orientierung durch Aufruf gespeicherter Informationen (Help-Funktionen) sowie Nutzung der Handbücher. Deren Interpretationen sind im Detail normalerweise nur außerhalb des Funktionsbereiches des eingesetzten Softwaresystems für den Endbenutzer notwendig. Sie bilden aber beim Auftreten von Sonderfällen (Ausnahmefällen) und bei der Suche und Beseitigung von nicht formalen Fehlern einen wesentlichen Orientierungshintergrund.

Das Denken im Projektmanagement-Anwendungssystem, das heißt die Verknüpfung vom traditionellen Projektgegenstand und von algorithmisierter Darstellung sowie die Integration von bereits bestehenden algorithmisierten Lösungen, wird verstärkt. Projektmanagement, Analyse und systematische Auswertungskenntnisse wachsen und resultieren aus der informationstechnischen Datenmenge, aus der die erforderlichen Informationen ausgewählt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden müssen.

DV-orientierte Projektmanagement-Organisationskenntnisse erhalten durch den "Abschied von den Insellösungen", also durch integrierte DV-Lösungen, zum Beispiel durch das Computer-Aided-Industry-Konzept, neue Akzente.

Zielsetzung der Weiterbildung im Bereich der Projektmanagement-Anwendungssoftware ist die Vermittlung eines umfassenden Know-how, wie es in der Praxis von den Endanwendern benötigt wird. Als Leitprinzip gilt die arbeitsorientierte Qualifizierung. Sie verbindet die Lerngegenstände "betriebswirtschaftliche Planungsaufgaben" mit dem Werkzeug "Projektmanagement-Anwendungssoftware".

Eine grundlegende Arbeitsorientierung ist erreichbar durch den Realitätsbezug zur beruflichen Praxis; das heißt, Weiterbildungsziele müssen den Tätigkeiten, Kenntnissen und beruflichen Situationen entsprechen. Die Aufhebung der Trennung von "Theorie und Praxis", also die Wissensvermittlung ("Theorie" ) sollte in Hinblick auf eine konkrete Aufgabe ("Praxis") erfolgen. Ferner muß die Aktivierung des Lernenden bewirkt werden.

*Frank Weirauch ist Dozent an der Schule für Komnunikations- und Datentechnik eines großen Münchner Elektronik-Konzerns.