Leserbriefe

Public-Relations-Spielchen

14.02.1997

Da habe ich aber doch ein paarmal heftig den Kopf geschüttelt, als ich Ihre Kolumne in der letzten COMPUTERWOCHE las. So sind die Kausalzusammenhänge des Wirtschaftslebens sicher nicht, wie Sie das hier darstellen.

Microsoft und Intel "wie eine Planierraupe"? Märkte wie unserer regeln sich nach Angebot und Nachfrage wie jeder andere freie Markt auch. Es sind die Nachfrager, die auf Standards setzen, es sind die Nachfrager, für die Investitionssicherheit bedeutet, auf kompetente, solide, weltweit vertretene Partner im Plattformbereich zu vertrauen. Wie lange gibt es Unix schon? 25 Jahre? 50 Jahre? Wie lange wird schon über ein "einheitliches" Unix diskutiert und mit welchem Ergebnis? Wer an "freiem Wettbewerb und Marktwirtschaft interessiert ist", wie Sie anmahnen, muß zur Kenntnis nehmen - meinetwegen auch stirnrunzelnd - , daß Microsoft hier nur eine von vielen Marktchancen nutzt, die dem Unternehmen von Wettbewerbern geradezu aufgedrängt werden.

Die Vorstellung, daß in einem freien Wirtschaftssystem Verschwörer auf Planierraupen über ihre Märkte fahren und so nach Belieben Monopole errichten können, erscheint mir ziemlich abwegig. Hat schon mal einer der eilfertig moralisierenden "Wintel"-Kritiker darüber nachgedacht, welchen Nutzen Microsoft überhaupt davon haben könnte, sich auf eine einzige Technologie zu konzentrieren? Und da stimmt Ihr Beitrag auch sachlich nicht: Wir bieten Windows NT für Mips, DEC-Alpha, Power-PC und Intel an. Es ist nicht Microsoft - es ist der Markt, der hier seine Vorlieben entwickelt.

Ich meine, etwas mehr Rationalität täte der Debatte gut. Die Diskussion über Strategien, Konzepte, Lösungen, Produkte von Microsoft und anderen Marktführern, die eigentlich unter der Fragestellung "gut oder schlecht" geführt werden sollte, wird längst mit sachfremder moralischer Aufladung auf der Ebene "gut oder böse" ausgetragen. Wenn das schließlich so weit geht, daß proprietäre Anbieter als "mutig" gefeiert werden, wie im letzten Absatz Ihres Beitrags, dann hat das nur noch wenig mit dem Engagement für Anwender-Interessen zu tun.

Um einen Verdacht deutlich auszusprechen: Die "Wintel"-Hysterie ist ein Public-Relations-Spielchen, bewußt darauf berechnet, daß die Medien einen Karren ziehen, vor den sie nicht gehören. Es ist der Karren derjenigen, die ihre Marktchancen nicht nutzen und nun glauben, Pharisäertum und Entrüstungs-Pessimismus machten Defizite in Innovationskraft, Technologie und Marktkenntnissen wett.

Kurt Braatz, Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Microsoft, Unterschleißheim