Der Traum vom Phoenix aus der Asche:

Prozeßrechnergemeinschaft von AEG und Modcomp

21.12.1979

FRANKFURT (CW) - Die AEG-Telefunken-Gruppe versucht, ihrem Arbeitsgebiet Prozeßtechnik wieder auf die Beine zu helfen. Mindestens seit der Neuorganisation des Elektrokonzerns im Jahre 1976 arbeitet dieses Gebiet mit Verlust, so der Vorstandsvorsitzende Dr. Walter Cipa in Frankfurt. Die "Strukturmaßnahme" besteht in einer Fusion mit Modcomp, die schon im Oktober angekündigt war und 1980 durchgeführt sein soll.

Zu den geschäftspolitischen Maßnahmen der AEG-Telefunken, wie sie bei der Pressekonferenz in Frankfurt dargestellt wurden, gehört die Auflösung des Geschäftsbereiches Prozeßtechnik. Ziel ist, so betonte Dr. Horst Nasko als Mitglied des Vorstandes noch einmal (siehe COMPUTERWOCHE-Nr. 42 vom 19. Oktober 1979, Seite 3), diesen "Geschäftsbereich auf eine breitere Basis zu stellen".

Unter Strukturmaßnahmen sind der Definition der AEG zufolge unter anderem die Stillegung von Werken, die Aufgabe von Arbeitsgebieten sowie eine Konzentration oder Reduzierung von Aktivitäten zu verstehen. Die Aufwendungen für Strukturmaßnahmen im Unternehmensbereich Energie- und Industrietechnik, zu denen auch die Prozeßtechnik zählt, bezifferte Cipa für 1979 mit 175 Millionen Mark, von denen allein die beabsichtigte Einstellung der Eigenfertigung von Gasturbinen über 100 Millionen Mark erfordert.

Gemeinsames Unternehmen für Fertigung und Vertrieb

Zusammen mit der Modular Computer Systems Inc. (Modcomp), Fort Lauderdale/Florida, wird die AEG ein gemeinsames Unternehmen gründen.

Die Aufgaben der neu zu gründenden Gesellschaft, deren Name und Rechtsform noch nicht festliegen, bestehen in der Fertigung und dem Vertrieb von Prozeßrechnern. Um das Arbeitsgebiet Prozeßtechnik wieder in die Gewinnzone zu bringen, erwirbt die AEG-Telefunken nach den Ausführungen von Cipa bis spätestens zum 31. März 1980 eine rund 25prozentige Beteiligung an der Modular Computer Systems Inc. Zum 1. April kommenden Jahres werden dann beide Gesellschaften ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, an dem die AEG zu drei Vierteln die Modcomp zu einem Viertel beteiligt ist. Die AEG wird dabei ihre beiden Fachbereiche Prozeßrechner und Produktservice einbringen, die Modcomp die Aktivitäten ihrer deutschen Tochter in München, der Modular Computer Systems GmbH, Deutschland.

Eingeschränkt wird der Vertriebsbereich des Gemeinschaftsunternehmens. Den Ausführungen Naskos zufolge bleibt der Vertrieb im Anlagengeschäft, also für die Industrie- und Nachrichtentechnik von AEG weltweit bei dem Frankfurter Elektrokonzern. Das Gemeinschaftsunternehmen übernimmt nur den Vertrieb an End- und OEM-Kunden. Nach dem Anlaufjahr 1980 rechnet Nasko für das darauffolgende Geschäftsjahr mit einem Umsatz von rund 80 Millionen Mark in den Joint Venture. Dabei ist noch nicht der Umsatz enthalten, den die deutsche Modcomp in die Gesellschaft einbringen wird.

Produktpalette überlappend

Die Modcomp produziert und vertreibt Minicomputer für den Echtzeitbetrieb mit Schwerpunkten unter anderem in der Energieerzeugung und -nutzung, der Datenfernübertragung sowie der Administration, erläutert Ortwin Witzel für die AEG. Bei dem Programm der AEG-Telefunken selbst, das er mit "Prozeßrechner für verschiedene Automatisierungsanwendungen" charakterisierte - Beispiele sind die Systeme der Familie 80, die erst kürzlich um den Rechner 80-20/5 im unteren Bereich erweitert wurden -, deckt sich das Sortiment der beiden Partner teilweise, zum Teil führt die Fusion zu einer Erweiterung der Palette.

Einer der Hauptgründe, aus denen die Partnerwahl der AEG auf die Modcomp fiel, so Witzel, ist das ausgebaute Vertriebsnetz der Modcomp in Europa mit dem gut eingeführten Vertriebsapparat der für eine offensive Expansion genutzt werden soll.

Nach der Mitteilung der Modcomp Inc. vom Oktober wird die AEG-Telefunken-Gruppe für die 25prozentige Beteiligung an dem US-Unternehmen und die 75prozentige Beteiligung an deren deutscher Tochtergesellschaft einen Kaufpreis von 30 Millionen Dollar in bar zahlen.