Prozess-Manager: Die Spinne im Netz

08.07.2009
Sie müssen die Geschäftsprozesse gut beherrschen, gesamtheitlich denken und fachlich überzeugend mit den Kollegen reden können. Immer mehr Unternehmen besetzen die Position des Process Managers.

Die Döhler-Gruppe, Produzent für Grundstoffe für die Getränkeindustrie, gehört zu den Unternehmen, die bereits seit Jahren das Berufsbild des Process Managers eingeführt haben. Zusammen mit den Kunden entwickelt das Unternehmen jedes Jahr eine erhebliche Zahl neuer Getränke. Die Daten dafür (30 Millionen) wurden in einer integrativen Stoffdatenbank zusammengeführt. IT-Chef Werner Scherer war es wichtig, diese Datenbasis in die SAP-Module zu integrieren: "Um die großen IT-Aufgaben in den Griff zu bekommen, nehme ich die Fachabteilungen mit in die Verantwortung."

Da deren Leiter aber oft zeitlich überfordert sind, führte er gemeinsam mit dem Vorstand die Funktion des Process Managers ein, der weltweit einheitliche SAP-Verfahren schaffen soll. Nach Scherers Auffassung muss der Process Manager aus den eigenen Reihen kommen - im Idealfall sollte er bereits ein paar Jahre im Unternehmen tätig sein, die Abläufe gut kennen und fachlich mit den Kollegen diskutieren können. Vor allem aber müsse er über seine Fachkompetenz akzeptiert werden. "Es geht nicht um den Status beziehungsweise die hierarchische Stellung, sondern darum, dass der Process Manager mit jeder Abteilung im Detail diskutieren kann." Scherer weiß, dass die Anforderungen hoch sind. Neben Sozialkompetenz und fachlichem Wissen komme noch gesamtheitliches Denken und Durchsetzungsvermögen hinzu. Um anerkannt zu werden, sei diese Funktion hierarchisch weit oben anzusiedeln, lautet seine Empfehlung.

Angst vor den Technikverliebten

Bei der Döhler-Gruppe wurden vor sechs Jahren für die beiden Kernprozesse im Unternehmen zwei Process Manager installiert. Scherer ist stolz, dass über diesen Weg die Abläufe enorm verbessert wurden: "Die IT liefert dem Process Manager die entsprechenden IT-Komponenten, die dieser wiederum in den gesamten Prozess integriert." Zwar könne das auch von der IT so erwartet werden, aber dann besteht nach seinen Erfahrungen die Gefahr, dass IT-Profis zu technikverliebt agieren. Der Process Manager sei sozusagen die Person zwischen allen Fronten. Sein Ziel ist die beharrliche und ständige Optimierung der Abläufe, die Überzeugungsarbeit in den Fachabteilungen und die richtige Auswahl der entsprechenden Bausteine in der IT.

Dass bei der Döhler-Group die Berufung zweier Process Manager erfolgreich verlief, führte unter anderem dazu, dass Scherer mittlerweile Ansprechpartner für eine ganze Reihe von CIOs in anderen Unternehmen ist, die sich für Process-Management-Verbesserungen interessieren.

Auch wenn die Funktionen in den meisten Firmen ähnlich definiert sind, wird die Position der Process Manager unterschiedlich benannt. So heißen sie bei der Fressnapf Tiernahrungs GmbH beispielsweise Handelskoordinatoren, wenn es um die dezentralen Systeme geht, oder Anwendungsberater im Umfeld der Zentralsysteme. Reines Process Management ist nach Meinung von IT-Chef Bernd Hilgenberg nichts anderes als "Bildchen malen".

IT hat keinen Process Manager

Vor ein paar Jahren indes habe es in seinem Unternehmen eine Abteilung Process Management gegeben: "Deren Mitarbeiter sind in der Zentrale in Krefeld in die Fachabteilungen gegangen, haben dort die Prozesse aufgenommen und an die IT weitergeleitet. Die IT-Kollegen standen dann vor dem Problem, dass sie die durchaus schön gemalten Anforderungen vielfach nicht umsetzen konnten", erklärt der IT-Chef. Dementsprechend mussten sich die IT-Profis nochmals mit dem Vorgang auseinandersetzen.

Als Folge dieser geteilten Vorgehensweise hätten die reinen Process Manager ein Akzeptanzproblem gehabt. Hilgenberg: "Wenn Veränderungen an den Systemen gewünscht waren, wurde dann doch immer direkt Kontakt mit der IT aufgenommen. Deshalb gibt es bei uns in der IT keinen Process Manager mehr, sondern es wurde die Funktion eines Anwendungsberaters oder Handelskoordinators installiert, der durch die gesamte Supply Chain führt." Er ist sozusagen die Schnittstelle zur IT, zu den Entwicklern oder zu den Systemhäusern, führt die Prozesse ein und begleitet die Fachabteilung über das gesamte Verfahren hinweg. Laut Hilgenberg ist der Anwendungsberater beziehungsweise Handelskoordinator eine Art "Spinne im Netz".

Standardisierte Prozesse

Wie bei Fressnapf ist beim Familienunternehmen Freudenberg Haushaltsprodukte ("Vileda") Internationalität seit Jahren gelebte Praxis. Schließlich geht der Großteil des Geschäfts außerhalb Deutschlands über die Bühne. Entsprechend ist auch die IT-Abteilung organisiert. "Wir unterstützen alle Lokationen in fast allen Aspekten von unserer Zentrale hier in Weinheim aus. Unser Fokus ist sehr global, unsere Systeme, unsere Prozesse sind alle stark standardisiert und harmonisiert", so IT-Chef Harald Berger. Das Unternehmen habe sich vor acht Jahren entschieden, konzernübergreifend ein einheitliches Prozess-, System- und Organisationsmodell einzuführen.

Für alle wesentlichen Vorhaben wurden, so der IT-Verantwortliche, Process Owner installiert. Berger: "In der Anfangsphase unserer globalen Hamonisierung war es von entscheidender Bedeutung, Senior Manager zu haben, die die strategische Neudefinitionen der Prozesse durchsetzten und deren Umsetzung im Detail sicherstellten."

Kampf den lokalen Fürsten

Heute habe seine Organisation gemeinsam mit definierten Verantwortlichen aus den Fachabteilungen die Aufgabe, diese Prozess- und System-Ownership sicherzustellen. Der IT-Manager: "Die Key-Mitarbeiter heißen Process- und System-Manager. Sie haben die Verantwortung, diesen Harmonisierungsgedanken bei jedem Veränderungsprozess oder auch bei einer neuen Implementierung weiterzugeben."

Aufgabe der Zentrale in Weinheim sei es, die Projekte weltweit in einem Projektportfolio zu managen und ihre Umsetzung zu forcieren. "In vielen Unternehmen findet man keine Process Ownership auf dem globalen Level vor, sondern starke Fachbereiche mit vielen lokalen Fürsten", so Berger.

Seine Mitarbeiter müssten über Ländergrenzen hinweg die Prozesse zusammenhalten, anpassen und verändern, zudem die Harmonisierung sicherstellen, ein System einführen und dies klar weitergeben.

Bei der Kontron AG in Eching sind die Pläne noch nicht so weit gediehen. Hier überlegen die Verantwortlichen gerade, einen Process Manager zu installieren. Sven Rühle, Global SAP Program Manager: "Wir haben das Problem, im Unternehmen jemanden zu finden, der sowohl die Business-Seite gut versteht als auch in der Lage ist, deren Anforderungen in ein ERP-System – in unserem Fall SAP – zu übersetzen." Der Transfer leide unter anderem darunter, dass die eigenen SAP-Profis zahlreiche weitere Jobs zu erledigen hätten. "Entsprechend kracht es hin und wieder. Die Projekte können von der Fachabteilung aufgrund mangelnder SAP-Fachkenntnisse nicht komplett bis zu Ende durchdacht werden, was naturgemäß zu Problemen führt." Und da die internen Berater auch nicht tagtäglich mit dem System arbeiten, können sie die Situation ebenfalls nicht hundertprozentig einschätzen. Rühle nimmt sie deshalb in Schutz. Seiner Meinung nach sei es für die Berater unmöglich, alles bis ins kleinste Detail zu wissen. "Sie konzentrieren sich darauf, zusammen mit den Key Usern Anpassungen oder Tests fertigzustellen, aber die Abnahme selbst muss durch Key User oder die Fachabteilung erfolgen", meint der Software-Manager. "Wenn nicht alles durchgetestet wird, liegt das Kind bereits im Brunnen." Die Key User seien damit ebenfalls überfordert. Schließlich würden sie sich in der Regel in nicht mehr als 20 Prozent ihrer Arbeitszeit mit diesen Themen beschäftigen.

Berater aus der Fachabteilung

Bei Kontron hält man es daher für die beste Lösung, sich einen Key User aus der Fachabteilung zu suchen und diesem Mitarbeiter deutlich mehr Zeit für Prozessoptimierung einzuräumen. Rühle: "Neben einer internen oder externen Qualifizierung gibt es auch die Möglichkeit, diesen Mitarbeiter für eine gewisse Zeit in das SAP-Berater-Team aufzunehmen." Aus dem Stand heraus schafft das seiner Meinung nach kein Mitarbeiter. Dazu sei der Job zu anspruchsvoll. Der Kontron-Mann: "Der Process Manager ist sozusagen die Schnittstelle zwischen zwei Welten." So müsse er zusätzlich zu den Übersetzungen zwischen Fachabteilung und IT erkennen können, in welche Richtung sich das Unternehmen mittel- bis langfristig entwickeln wolle. (hk)

Berufsbild Process Manager

Was der Process Manager können muss und welches Know-how er mitbringen soll:

Die Abläufe der Fachabteilung gut kennen;

exzellent über Geschäftsprozesse und Organisation Bescheid wissen;

Fachanforderungen in IT-Systeme übersetzen;

gutes IT-Überblickswissen;

Sozialkompetenz;

gesamtheitliches Denken;

Durchsetzungsvermögen;

im Idealfall mehrere Jahre im Unternehmen gewesen sein;

hierarchisch möglichst weit oben im Unternehmen arbeiten wollen und sich dafür eignen.