Provinzial rückt näher zum Kunden

17.01.2005
Von Martin Buchberger
Die Provinzial Rheinland Versicherung bindet ihre Anwendungen über eine SOA in den Vertrieb der Rheinischen Sparkassen ein und schafft so effziente Prozesse und neue Absatzchanchen.

Zwei Wege führen die Kunden der Provinzial Rheinland zu ihrer Versicherung. Neben dem Angebot in einer Geschäftsstelle können sie sich in jeder Sparkasse beraten lassen und Versicherungsprodukte erwerben. Um seinen Kunden auch dort nahe zu sein, hat der Versicherer eigene Anwendungen über eine Service-orientierte Architektur (SOA) mit dem Vertriebssystem der Rheinischen Sparkassen verknüpft. Vorausgegangen war bereits im Jahr 2001 die Grundsatzentscheidung, die hauseigenen IT-Systeme zu modernisieren und wieder zentral zu verwalten. Dabei sollten die bestehenden Außendienst- und Vertriebssysteme durch eine Web-basierende, an modernen Standards orientierte Infrastruktur abgelöst werden. Hierzu entwickelten die IT-Mitarbeiter eine leistungsstarke Versicherungsanwendung auf Basis von J2EE-Standards (J2EE = Java 2 Enterprise Edition), die zentral betrieben wird und Geschäftsvorfälle in der Lebensversicherung über beide Vertriebskanäle abwickeln hilft.

Flexible Architekturen

Ähnliche Bestrebungen gab es parallel bei den Sparkassen. Dort war aus der Fusion dreier Rechenzentren die Sparkassen Informatik entstanden, die seitdem als IT-Dienstleister für mehr als die Hälfte der deutschen Sparkassen fungiert. Eines der elementaren Anliegen bei der Fusion war die Schaffung einer auf modernen Standards basierenden, multikanalfähigen Gesamtbankarchitektur. Zu diesem Zweck entwickelte der IT-Dienstleister die Standardsoftware "OSPlus", die in den Jahren 2002 bis 2005 sukzessive in sämtlichen betreuten Sparkassen eingeführt wird. Über die "Dynamische Schnittstelle", eine Eigenentwicklung der Sparkassen Informatik, ermöglicht die Gesamtbanklösung eine tiefe Integration von externen Anwendungen. Der architektonische Ansatz sieht die Implementierung einer kompakten SOA auf Basis von J2EE-Standards vor.

Die IT der Provinzial Rheinland fand sich durch diese Entwicklung nicht nur in ihrem eigenen architektonischen Ansatz bestätigt, sondern erkannte auch das Potenzial für den Vertriebskanal Sparkasse. Als einer der ersten Verbundpartner innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe setzte der Versicherer daher ein Projekt auf, um seine eigene Anwendung "Proweb" in das Gesamtbanksystem zu integrieren. Dabei wurden zunächst die Systeme für die in den Sparkassen absatzstärkste Produktsparte - die Lebensversicherungen - ausgewählt.

Aufgrund des durch die geplante Umstellung der Sparkassen-IT bestehenden Zeitdrucks entschied sich die Provinzial Rheinland für eine zweistufige Integration.

Schrittweise Integration

Dabei sollte Proweb zunächst als Stand-alone-Lösung an OSPlus angebunden und später vollständig in das Vertriebssystem der Sparkasse integriert werden. Als Integrationspartner bewährte sich in der ersten Projektstufe die 1822 S Inform Software GmbH. Das Softwarehaus hatte sowohl das Vertriebssystem für die Gesamtbanklösung der Sparkassen Informatik als auch das Framework für die Verbundpartnerintegration in weiten Teilen entwickelt. Seine Kenntnis von OSPlus und seiner Schnittstellenarchitektur brachte 1822 daher in das Integrationsprojekt mit ein. Nach dem erfolgreichen, termin- und budgetgerechten Abschluss der ersten Projektstufe, bei der es in erster Linie um die Authentifizierung von Proweb gegenüber OSPlus ging, beauftragte die Provinzial Rheinland das Softwarehaus auch mit der Umsetzung der zweiten, weit komplexeren Stufe, nämlich der tiefen Integration der Anwendung in das Vertriebssystem der Sparkassen über eine SOA.

Die Komplexität der Aufgabe und der enge Zeitrahmen erforderten eine höchst strukturierte Vorgehensweise. Die Softwareingenieure begannen mit einer sorgfältigen fachlichen und technischen Analyse, die vier Wochen in Anspruch nahm. Im Mittelpunkt standen dabei die Definition der zu integrierenden Geschäftsprozesse und die ganzheitliche Betrachtung der Verkaufs- und Beratungsprozesse in den Sparkassen. Das gesamte Integrations- und Kommunikationswissen wurde in einen Enterprise Service Bus (ESB) verlagert, die so genannte IKK (Interkommunikations-Komponente). Die IKK verwendet wie Web-Services HTTP/S als Transportprotokoll und XML für die Inhalte, nutzt aber nicht deren Standards. So wurde statt des Simple Object Access Protocol (Soap) ein leichtgewichtigeres, einfaches XML-Protokoll genommen.

Verzicht auf Web-Services

Für die Schnittstellenbeschreibungen kommen statt der Web Services Description Language (WSDL) XML-Schemata zum Einsatz. Aufgrund der schnelleren Protokolle konnte eine höhere Performance des ESB erzielt werden. Sparkassen-Vertriebssystem und Versicherungsanwendung bieten einander über die IKK spezifische Integrationspunkte, die sich als Services ansprechen lassen. Die Definition der Integrationspunkte sowie die zu übergebenden Daten stellten eine weitere zentrale Aufgabe innerhalb der Anforderungsanalyse dar. Auf dieser Basis erfolgten die Entwicklung der Servicearchitektur sowie die Integration der Versicherungsanwendungen am Frontend-Layer. Daran schloss sich ein sorgfältiger Integrationstest an. Schon vier Monate nach Beginn des Projekts war die Lösung bereit zur Abnahme.

Seitdem sind die in den Rechenzentren von Provinzial Rheinland und Sparkassen Informatik gehosteten Anwendungen dynamisch über HTML-Frontends miteinander verbunden. Jede der integrierten Anwendungskomponenten bietet dabei Services an, die von anderen Komponenten aufgerufen werden können. Dabei fungiert der ESB als Service-Broker, der das Wissen über sämtliche integrierten Anwendungen beinhaltet und alle Kommunikationsdienste übernimmt. Der Zugriff auf beide Anwendungen erfolgt per Single-Sign-on und eine zentrale Regelung der Zugriffsberechtigungen.

Der zügige Projektverlauf ist nicht zuletzt auf das verwendete Architekturkonzept der SOA sowie die dabei zugrunde gelegten Standards zurückzuführen. Im Gegensatz zu anderen Integrationsprojekten ermöglichte der gewählte Weg eine enge Kopplung der Anwendungen und somit eine "leichtgewichtige" Integration. Dadurch ließen sich über beide Anwendungen verteilte Geschäftsprozesse durchgängig gestalten. Damit erübrigte sich die Notwendigkeit einer zentralen Geschäftsprozessteuerung, da jede Anwendung ihre Funktionen innerhalb des Geschäftsprozesses selbst steuert.

9000 Kundenberater in 60 Sparkassen und den angeschlossenen Filialen haben künftig aus der ihnen vertrauten Vertriebsumgebung direkten Zugriff auf das System der Versicherung. In der Regel können Versicherungsprodukte somit fallabschließend in der Sparkasse policiert werden. Durch die Bereitstellung von Funktionen des Versicherers beim Sparkassenberater am Frontend, die Verkürzung von Produktionsketten und die durchgängige Prozessgestaltung profitieren Versicherer und Sparkassen gleichermaßen von schlankeren Prozessen und einem gesteigerten Vertriebspotenzial. Die Rheinischen Sparkassen nahmen die neue Lösung ausgesprochen positiv auf. Dies bestätigte die Provinzial in ihren Plänen, weitere Integrationsprojekte aufzusetzen.

Das Potenzial der SOA geht jedoch über die Integration am Frontend-Layer hinaus. Die Pläne der Provinzial zielen daher in näherer Zukunft auch auf die direkte Nutzung von Rechenkernen und/oder Business-Logiken. Denn die Konzeption der SOA ermöglicht es nicht nur, auf Web-Seiten zuzugreifen, sondern auch einzelne Module und Funktionsbausteine direkt aufzurufen, die darauf ein entsprechendes Ergebnis zurückliefern. Diese Potenziale gilt es in Zukunft auszuschöpfen. Denn eine noch tiefere Integration der IT-Landschaften wird weiter dazu beitragen können, Beratungsqualität, Vertriebserfolg und Wettbewerbskraft zu steigern. (as)