Exponet: Trend zur Electronic-Commerce-Dienstleistung

Provider bringen Firmen ins Online-Geschäft

03.12.1998
MÜNCHEN (fn) - Der elektronische Handel verzeichnet auch in Deutschland große Zuwachsraten. Doch kleinere und mittlere Unternehmen schrecken oft vor einem Online-Engagement zurück. Internet-Service-Provider (ISPs) haben die Marktlücke erkannt. Sie wollen an die Betriebe ein breit gefächertes Dienstleistungssortiment verkaufen.

Auf der diesjährigen Telekommunikationsmesse Exponet in Düsseldorf zeichnete sich ein Trend klar ab: Outsourcing von Online-Auftritten wird für Internet-Dienstleister zum lukrativen Geschäft. Viele Firmen wollen oder können ihren Web-Shop nicht allein errichten, sondern benötigen Beratung und vor allem dauerhafte Betreuung. Insbesondere ISPs erhoffen sich von Dienstleistungen im E-Commerce neue Einnahmequellen. Die Provider verdienen immer weniger am ursprünglichen Kerngeschäft, dem Bereitstellen von Leitungskapazität. Deshalb erschließen sich Firmen wie die Telekom, Uunet, Xlink, ECRC Network Services, Otelo und Psinet mit dem Shop-Hosting neue Einnahmequellen.

Der Provider-Kunde erhält in der Regel eine Software für den Betrieb eines Internet-Ladens, Plattenkapazität, Reservierung eines Domain-Namens und den Netzzugang im Paket. Für diese Dienstleistung zahlt er üblicherweise eine monatliche Gebühr. Darüber hinaus kümmert sich der Provider um die Beratung, Konzeption und die Realisierung des elektronischen Ladens.

Bei dem in München ansässigen Dienstleister ECRC Network Solutions können Anwenderunternehmen einen kleinen Laden in der Shopping-Mall "www.open-house.net" anmieten. Wem das nicht genügt, der läßt sich vom Provider ein individuelles Web-Geschäft im Rahmen von Projekten maßschneidern. Eine weitere Option ist "Easy Commerce", eine Kombination aus Intershops "Merchant Edition", einem Silicon-Graphics-Rechner vom Typ "Webforce-Origin200 Qc" sowie dem "ECRC Business Payment-Service". Letzterer ermöglicht das Bezahlen im Internet. ECRC hat sein hauseigenes Rechenzentrum mit den Netzen der Banken verbunden. Auf diese Weise kann der Provider sowohl Kreditkartentransaktionen als auch Zahlungen mit der Geldkarte über sein Back- bone-Netz abwickeln. Eine dritte Zahlungsvariante stellt das elektronische Lastschriftverfahren dar. Zukünftig möchte ECRC auch Logistik-Dienstleistungen ins Portfolio aufnehmen. Partnerfirmen sollen sich um die Auslieferung der online bestellten Waren kümmern.

Neben dem Projektgeschäft hat sich der Karlsruher Provider Xlink vor allem auf das Hosting kleiner Web-Shops spezialisiert, für die der Betreiber eine monatliche Gebühr entrichtet. Wie bei anderen ISPs läuft die Online-Software auf Servern im gesicherten Rechenzentrum. Zu den Dienstleistungen gehören daher auch die Systemadministration sowie die Datensicherung. Um mit dem Vertrieb über das Web Erfahrung zu sammeln, hat das Unternehmen gemeinsam mit der Gesellschaft für Software-Entwicklung und Organisation aus Schwegenheim einen bundesweiten Verkauf von Fußball-Tickets im Web gestartet (http://www. fussball-ticket.de). Allerdings werden bisher nur Karten des VfB Stuttgart online verkauft.

Statt auf Massenshops setzt Bov Computersysteme GmbH aus Essen-Kettwig auf individuelle Web-Lösungen. Die Firma bietet darüber hinaus auch Hosting-Dienstleistungen und einen Internet-Zugang an. Nach Ansicht des Geschäftsführers Martin Lynen lassen sich besondere Features wie ein virtueller Einkaufsberater nicht mit einer Standardsoftware realisieren. Dazu zählt Lynen beispielsweise die individuellen Querverweise auf der Homepage des Kunsthändlers United Arts (http://shop.united-arts.de). Kunden, die sich für einen Kunstdruck entschieden haben, bekommen Tips für einen passenden Rahmen oder die Biografie des Künstlers serviert.

Web-Shops von der Stange hätten außerdem Schwierigkeiten, einem Grundprodukt verschiedene Preise zuzuordnen, so der Bov-Geschäftsführer. Bekleidungsfirmen etwa lassen sich unterschiedliche Konfektionsgrößen auch unterschiedlich bezahlen. Nach Ansicht von Heiner Schaumann, Director Public Relations des Standardsoftware-Herstellers Intershop, ließen sich solche Feinheiten durchaus auch mit den hauseigenen Shop-Systemen realisieren. Viele Anwender würden die Funktionen der Produkte aber nicht in vollem Umfang nutzen.

Doch nicht alle Firmen wollen heute Waren direkt an Konsumenten verkaufen. Viele wollen lediglich die bestehenden Geschäftsprozesse optimieren, indem beispielsweise Bestellungen statt per Telefon oder Fax über das Internet abgewickelt werden. Gleichzeitig können die Nachfrager den jeweiligen Status der Auftragsbearbeitung im Web verfolgen.

Auf diese Klientel hat es die in Unterhaching bei München ansässige Whats Up AG abgesehen. Vorstand Günter Rodenkirchen möchte die Mittelständler für sein "Business Order Center" (BOC) gewinnen. Bei dieser Lösung legt Whats Up Katalogdaten sowie den Warenkorb auf seinen Servern ab. Die Kunden eines Zulieferers greifen über das Web auf diese Systeme zu.

Warenwirtschaftssystem sollte integriert werden

Der Lieferant, verbunden über eine gesicherte ISDN-Strecke, gleicht die Daten des BOC in zyklischen Abständen mit seinem Warenwirtschaftssystem ab (siehe Grafik auf Seite 27). Ob er ein Produkt von SAP, Oracle, Baan, Navision, Sage KHK oder anderen einsetzt, ist nach Angaben von Rodenkirchen gleichgültig. Die in Eigenregie entwickelte "API-Engine" sei in der Lage, jede Business-Software an das Order Center anzubinden.

Auf Web-Shops für mittelständische Firmen hat sich auch die Netbrain AG (http://www.net- brain.de) spezialisiert. Die Trierer stellten auf der Exponet die Produkte "Meeting Point" und "Business Point" vor. Mit Meeting Point können Anwender sogenannte User-Communities im Internet aufbauen. Über diese Kommunikationsplattform sollen Vertriebspartner, Außendienstmitarbeiter oder Kunden mit dem Unternehmen in Kontakt treten. Business Point ist eine Online-Shopping-Lösung, die an die Anforderungen des jeweiligen Anwenderunternehmens angepaßt werden kann. Nach Angaben von Netbrain läßt sich die Software an bestehende Warenwirtschaftssysteme anpassen. Zur Integration dieser Applikationen setzt der Anbieter auf Open Database Connectivity (ODBC).

Gerade die Integration von Warenwirtschaftssystemen wurde bislang von vielen E-Commerce-Anbietern sträflich vernachlässigt. Mitunter waren Anwender gezwungen, die auf der Homepage getätigten Bestellungen intern manuell in die Business-Applikationen einzugeben. Selbst Branchenprimus Intershop schloß diese Lücke erst mit der auf der Systems 98 vorgestellten "Enterprise Edition". Heute schlägt die Web-Software die Brücke zu SAP, Navision, Soft M und Sage KHK. Andere Systeme werden nach Angaben von Intershop bei Bedarf von Partnern angebunden. Übrigens haben sich die Jenaer schnell auf den Trend zum E-Commerce-Outsourcing eingestellt und bieten inzwischen spezielle Produkte für Provider und andere Dienstleister an.