Proprietaeres Denken und alte Seilschaften Dieter Eckbauer

08.10.1993

Wer die DV-Manager als Bremser bezeichnet, die eine Bunkermentalitaet entwickelt haben, der hat von dem, was heute in nicht wenigen DV/Org.-Einheiten ablaeuft, keine Ahnung. DV-Chefs sind nicht starrkoepfiger als andere Manager auch. Was die Mainframe-Profis anlangt, laesst sich sogar behaupten: So schlecht kann die zentralistische DV-Organisation nicht gewesen sein, wenn sie die durch zum Teil ueberzogene Forderungen der Benutzerabteilungen und des Topmanagements erzeugte Anwendungsflut immer noch bewaeltigt. Dass die Mainframe-Architektur einen hohen Reifegrad erreicht hat, was System-Management-Funktionen wie Recovery, Security, Online-Back-up und Performance-Monitoring betrifft, wird niemand bestreiten.

Die Staerken der Mainframes sind bekannt. Nehmen wir das Client- Server-Marketing der Anbieter dann nicht zu wichtig? Dieser Vorwurf ist sicher berechtigt, wenn die Migration von der Mainframe-Mono- auf eine heterogene, offene Client-Server- Architektur als einfach dargestellt wird - was sie von der Natur der Sache her nicht sein kann. Taeuschungsversuche dieser Art gibt es. Ueber die Maskeraden der Mainframer, die sich als schlechte Verlierer erweisen, ist wiederum alles gesagt. Doch vor Potemkin schuetzt bei Client-Server schon das Personalproblem. Auf die Frage, was sie denn noch hindere, verteilte Systeme zu implementieren, fuehrten DV-Verantwortliche in einer Client-Server- Studie der COMPUTERWOCHE den Mangel an entsprechend ausgebildetem Personal als Hauptgrund an.

Das riecht nicht nach Schutzbehauptung. Anders waeren Client- Server-Nein-danke-Aussagen einzustufen, wenn sie sich auf die generelle Machbarkeit der Migration beziehen, die Argumente "zu teuer", "zu schwierig" und - im krassesten Falle - "bringt nichts" lauten wuerden. Mit der Aufzaehlung der Mainframe-Vorteile ist die Geschichte ja nicht vollstaendig. Sie beginnt - das ist nachzutragen - mit "Es war einmal" (ein Mainframe-Monopol), und sie endet happy, soviel kann verraten werden: Verteilte DV wird immer mehr das Normale. Dazwischen liegen Migrationsprobleme. Ein Teilnehmer an der CW-Client-Server-Umfrage beschrieb den Zustand der Mainframe-Buerokratie so: proprietaeres Denken und alte Seilschaften! Dieses Dilemma ist noch nicht ueberwunden.

Doch Bremser haben keine Konjunktur. Am Beispiel der Muenchner Knorr-Bremse AG (Seite 1) wird deutlich, dass sich die DV hin zur IV, ja zum "Informationswesen" entwickelt, bei dem wieder die Organisation im Vordergrund steht, nicht die Technik. "Wir loesen uns von unserer zentralistischen, unflexiblen und zu teuren Mainframe-Architektur", bringt Wolfgang Stubenrauch, verantwortlicher IS-Manager bei Knorr-Bremse, die hausinterne Downsizing-Diskus- sion auf den Punkt. Die IT muesse flexibler, einfacher und wirtschaftlicher werden. Fuer Stubenrauch geht es nur noch um das Wie und Was - die Frage "Wollen wir aus der Mainframe- Ecke heraus?" wurde bei Knorr-Bremse mit Ja beantwortet. Das Client-Server-Projekt "Logistik 2000" bleibt eine Jahrzehnt- Aufgabe.