Die Grundkomponenten sind in allen Anwendungsgebieten gleich

Proprietäre Systeme bringen Wettbewerbsnachteile mit sich

28.09.1990

FRAMINGHAM (IDG) - Die US-Großanwendervereinigung der "30 von Houston" die mit ihren DV-Dollars de widerspenstigen Industrie Sachen herstellerneutrale Standards auf die Sprünge helfen will (siehe CW Nr. 27 vom 6. Juli 1990, Seite 1), ruft zum Krieg gegen proprietäre Systeme auf: Langfristig fügten sie allen Schaden zu, den Unternehmen und der gesamten Wirtschaft.

Hersteller wie Anwender haben bei der Realisierung offener Systeme versagt. Dieses Fazit zieht die Organisation in einem kürzlich veröffentlichten Report mit dem Titel "Overcoming Barriers to Open Systems Information Technology". Zu den Mitgliedern der erst im vergangenen Mai gegründeten Anwendervereinigung, die sich die Durchsetzung offener Systeme zum Ziel gesetzt hat, zählen Schwergewichte der US-Wirtschaft wie General Motors, Ford, General Electric, Exxon, DuPont oder Eastman Kodak.

Den Anbietern werfen sie vor, kein vollständiges Sortiment von offenen Produkten auf den Markt zu bringen und die Entwicklung offener Systeme zu verschleppen. Zugleich würden zu viele Anwender, auf kurzfristige Vorteile bedacht, immer noch in proprietäre Systeme investieren.

Langfristig jedoch führten proprietäre Systeme zu höheren Kosten-bei der Software-Entwicklung und -Portierung wie auch bei der Wartung. Sie behinderten die Kommunikation im Unternehmen, die gemeinsame Nutzung der vorhandenen Informationen und die Einführung neue Techniken.

Dagegen, so der Report weiter, helfe nur geschlossene Verweigerung: "Wir müssen unser Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen, indem wir proprietären Systemen, die unsere Daten als Geiseln nehmen überall auf der Welt den Krieg erklären. Die 'Systemfalle' schadet unserer Wirtschaft und unterdrückt die Kreativität."

.."Alle haben Schnittstellen, Ubersetzer, Protokoll-Konverter und ähnliches Zeug", schimpfte einer der Rebellen, Paul Pinson von DuPont de Nemours. "Jedes dieser Dinge funktioniert in 95 Prozent der Fälle. Die restlichen fünf Prozent treiben uns in den Wahnsinn".

Die Hauptschuld an dem bestehenden Zustand geben die 30 den Herstellern, die viel zu langsam und in viel zu geringer Zahl Produkte für offene Systeme entwickelt hätten. Deshalb sei die kritische Masse solcher Produkte, die Anwender und Entwickler zu einem Umstieg bewegen könnte, noch immer nicht erreicht: "Die Anbieter mit ihren monopolistischen Interessen werden solange nichts für herstellerneutrale Produkte tun, wie ein lukrativer Markt sie nicht eines Besseren belehrt."

Schuld sind für die "Freiheitskämpfer" auch die Anwender, deren Engagement für offene Systeme sich oft nur auf Lippenbekenntnisse beschränke: Nicht selten seien es die Benutzer, Entwickler und Manager, die sich gegen Änderungen sträubten. Wer jedoch herstellerneutrale Produkte wolle, müsse endlich aufhören, proprietäre Produkte zu kaufen, betonte Bud Huber, Sprecher der "30 von Houston" und Netzmanager bei Hughes Aircraft. Offenbar sei es den IS-Managern noch nicht gelungen, die direkte Verbindung zwischen offenen Systemen und dem Erreichen der Unternehmensziele klarzumachen.

"Bessere Produkte statt proprietärer Technik"

Allen Unternehmen, die sich offenen Systemen verschließen, prophezeit der Report eine Verschlechterung ihrer globalen Wettbewerbsposition: Es fehlt ihnen die Möglichkeit, ihre Informationen unternehmensweit zu nutzen.

Viele Anwender, so Huber, wollten nicht wahrhaben, daß die Grundkomponenten eines Informationssystems in allen Branchen gleich seien. Entweder meinten sie, ihre Bedürfnisse seien einzigartig, oder sie fürchteten, mit Standardsysteme einen Wettbewerbsvorteil einzubüßen. Huber süffisant: Statt mit proprietärer Technik sollten sie lieber mit Hilfe besserer Produkte und Dienstleistungen konkurrieren.

Zwei der 30 haben bereits damit begonnen, ihren Worten Taten folgen zu lassen: Ford und der Luftfahrtbereich von General Electric kündigten an, daß sie ihre IBM- und DEC-Systeme durch Unix-Systeme ersetzen werden (siehe CW Nr. 34 vom 24. August 1990, Seite 1: "Ford USA und General Electric rüsten auf offene Systeme um."). Gegenwärtig verhandelt die kämpferische Anwendervereinigung mit der amerikanischen Fördergemeinschaft für DV-Standards, der Corporation for Open Systems (COS), über eine Mitgliedschaft. Wie Charles J. Gardner, Direktor für IT-Infrastruktur bei Eastman Kodak und einer der "30 von Houston", mitteilte, zeigt die bislang allein auf Netzwerkfragen spezialisierte COS Bereitschaft, ihre Satzung dahingehend zu erweitern, daß auch die Belange der Standard-Vorkämpfer von Houston abgedeckt werden.