Projektvergabe an CSC steht in der Kritik

27.09.2007
Das hessische Kultusministerium muss sich des Vorwurfs erwehren, es habe die 20 Millionen Euro teure und fehlerhafte Lusd-Lösung nicht richtig ausgeschrieben. Mit CSC gibt es nur einen Rahmenvertrag.

Die Auseinandersetzung um die fehlerhafte Lehrer- und Schülerdatenbank (Lusd) in Hessen konzentriert sich zunehmend auf die Projektvergabe. Gegenüber der COMPUTERWOCHE sagte der kulturpolitische Sprecher der Grünen, Mathias Wagner: "Für das Einzelprojekt Lusd hat es keine Ausschreibung gegeben. Die Entwicklungsaufgabe wurde nur auf Grundlage eines Rahmenvertrags mit CSC vergeben." Das Land Hessen habe mit dem IT-Dienstleister lediglich eine Vereinbarung unterschrieben, wonach CSC als strategischer Partner das Land beim Aufbau und Betrieb des E-Government-Entwicklungscenters (EEC) unterstützt.

Die Lusd-Probleme

Die Lehrer- und Schülerdatenbank (Lusd) soll die Daten von rund 50 000 Lehrern und 200 000 Schülern an rund 2000 hessischen Schulen zentral verwalten. Ziel ist ein einheitlicher Datensatz, so dass beispielsweise bei einem Schulwechsel sämtliche Informationen an jeder Einrichtung verfügbar sind. Bestandteil des Vorhabens ist darüber hinaus, beim ersten Schulantritt die Daten künftig aus den Einwohnermeldeämtern einzulesen.

Das Vorhaben ist in die Kritik geraten, weil die Sekretariate über Datenverluste und Leistungsprobleme klagen. Die zuständigen Staatssektretäre Joachim Jakob aus dem Kultusministerium und Harald Lemke, CIO des Landes Hessen, haben in einem Brief bereits Defizite eingeräumt. Eine grundlegende Erneuerung können sie jedoch erst für Sommer 2008 in Aussicht stellen. Kurzfristig soll das System so stabilisiert werden, dass keine Datenverluste zu befürchten sind.

Die Überarbeitung ist aufwändig, weil das Design nicht sauber implementiert wurde. Geplant ist eine 3-Tier-Architektur aus Web-Client, Application- und Datenbank-Server. Im Lauf des Entwicklungsprojekts wurde Prozess- beziehungsweise Business-Logik auf dem Datenbank-Server statt auf dem Application-Server abgebildet. Das Projekt hat inklusive Aufbau und Betrieb des Netzes bislang Kosten in Höhe von 20 Millionen Euro verursacht. Projektpartner ist der IT-Dienstleister CSC.

In der öffentlichen Verwaltung müssen Projekte ab einem Volumen von 200 000 Euro europaweit ausgeschrieben werden. Ob sich diese Regelung mit einem Rahmenvertrag umgehen lässt, ist ein Streitpunkt. Laut Wagner umfasst das Abkommen mit CSC ein Projektvolumen von sechs Millionen Euro. "Dass in diesem Zusammenhang Projekte über insgesamt 20 Millionen Euro vergeben werden, erscheint uns merkwürdig", wundert er sich.

Kompetenzgerangel befürchtet

Die Grünen haben von Kultusministerin Karin Wolff (CDU) eine Stellungnahme eingefordert. Für sie antwortete Staatssektretär Joachim Jakobi (CDU) aus dem hessischen Kultusministerium: "Ich darf Ihnen versichern, das Vergabeverfahren von Lusd ist einwandfrei. Anderslautende Berichte entbehren jeder seriösen Grundlage." Der Rahmenvertrag mit CSC umfasse alle E-Government-Projekte der Landesregierung und sei finanziell nicht begrenzt. In einer Sitzung des kulturpolitischen Ausschusses hatte Harald Lemke, CIO im Land Hessen, ebenfalls zum Thema Stellung bezogen: Man habe einen Rahmenvertrag mit CSC abgeschlossen, um einen Ansprechpartner im E-Government-Projekt zu haben. Da alle Vorhaben irgendwie miteinander verknüpft seien, habe man Kompetenzgerangel befürchtet. "Ein EU-konformes Ausschreibungsverfahren dauert inzwischen fast ein Jahr", beschreibt er den Aufwand, Einzelaufträge zu vergeben. Mit CSC habe man einen Werkvertrag über die Entwicklung der Lusd-Software abgeschlossen. "Der Werkvertrag bietet den Vorteil, dass das Risiko bis zur Ablieferung eines fertigen und eines funktionsfähigen Programms beim Lieferanten liegt. Das wird uns jetzt sehr helfen", erläuterte Lemke im Ausschuss. "Das Problem ist nur, dass man als Kunde nicht diese Mitwirkungsrechte beim Erstellungsprozess hat. Das heißt, man bekommt zum Schluss irgendetwas geliefert und muss es abnehmen." Die Oppositionspartei begnügt sich jedoch nicht mit dieser Erläuterung. Sie will das Thema im Landtag zur Sprache bringen. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

In Hamburg ist die Lusd-Software ebenfalls implementiert, bereitet aber offenbar keine Probleme. Sie läuft stabil und bietet eine relative gute Verfügbarkeit, erläuterte die Behörde für Bildung und Sport in Hamburg auf Anfrage der COMPUTERWOCHE. Allerdings ist dort eine alte Version im Einsatz, die bei einem Partner gehostet wird. Während Hessen mit Hilfe von CSC auf eine Web-basierende Ausführung setzt, arbeiten die Hamburger Schulen in einer Terminal-Server-Umgebung von Citrix und Microsoft.

Lusd-Lösung in Hamburg läuft

Zurzeit bereiten die Hanseaten eine grundlegende Überarbeitung der Software vor. "Für die Risikobetrachtung werden die Defizite unseres Partners aus Hessen von vornherein berücksichtigt", sagte ein Sprecher der Behörde. So sei beispielsweise das in Hessen gewählte Datenbank-Release bereits zu Beginn der Weiterentwicklung veraltet. "Die Entwicklungsfirma CSC wird in Hamburg nicht an den Start gehen", teilte der Sprecher mit. (jha)