Entscheidungen von heute können den Weg für morgen verbauen:

Projektsplittung erhöht Rationalisierungspotential

07.12.1984

Die Einführung eines Betriebs-Informations-Systems (B-I-S) sollte aus Gründen des hohen Aufwandes keinesfalls von der Leitungsdokumentation abhängig gemacht werden. Der vorliegende Artikel beschreibt eine Möglichkeit, wie durch das Trennen der numerischen und grafischen Daten das Gesamtsystem in überschaubare und einzeln zu realisierende Teilsysteme zerlegt werden kann. Dabei muß das B-I-S unter Einbezug des Kunden-Informations-Systems (K-I-S) In ein unternehmensweites Informationssystem eingebettet werden. Nur so läßt sich der Aufwand wirtschaftlich begründen.

Aufgabe eines Versorgungsunternehmens ist es, seine regional begrenzte Einwohnerschaft mit - soweit vorhanden - Strom, Gas, Fernwärme und Wasser zu versorgen. Historisch gewachsen werden Vorgänge, die in Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Tarifabnehmern stehen, von dem technischen und dem kaufmännischen Geschäftsbereich erledigt.

Dabei stellt die technische Seite die Netz- und Betriebsmittel zur Verfügung und übernimmt die Energieverteilung zu den einzelnen Kunden. Im Gegensatz dazu deckt die kaufmännische Seite den juristischen Teil ab und regelt den Geldverkehr. Zur rationellen Abwicklung der dabei und in den angrenzenden Bereichen anfallenden Aufgaben bedienen sich die Kaufleute schon seit einigen Jahren der Datenverarbeitung.

Die verwendeten Verfahren - viele bezeichnen diese als sogenannte Kunden-Informations-Systeme (K-I-S) - sind entweder selbst entwickelt oder als fertige Standardsoftwarepakete gekauft und im Original eingesetzt beziehungsweise den eigenen Bedürfnissen angepaßt. Die Verfahren sind heute im allgemeinen hoch integriert und dialogfähig mit und ohne Direkt-Änderung, zumindest aber in der Lage, Auskünfte über den Bildschirm zu erfragen.

Im Gegensatz dazu sind auf der technischen dort anfallenden Aufgaben nur wenige Softwarepakete am Markt erhältlich. Zwar sind Eigenentwicklungen vorhanden, dann aber meist nur in Form von Insellösungen. Es kann daher allgemein behauptet werden, daß im Verhältnis zu der kaufmännischen Seite die "Techniker" wesentlich weniger Geschäftsvorgänge mit Hilfe der Datenverarabeitung abwickeln.

Gesamtlösung im Sinne der Betriebsinteressen

Bestehende Lösungen sind innerhalb der Technik kaum integriert, geschweige denn - abgesehen von der Zähler- und Geräteverwaltung in Verbindung mit der kaufmännischen Seite. So können beispielsweise bei der Kundenanfrage "Kann ich einen Durchlauferhitzer mit 30 Kilowatt anschließen?" nur wenige Versorgungsunternehmen heute ad hoc Auskunft geben. Allein dieses Beispiel zeigt die Notwendigkeit eines bereichsübergreifenden integrierten Datenbestandes mit den entsprechenden Verarbeitungsmodulen.

Entsprechend der Verbrauchsabrechnung, der Debitoren- und Finanzbuchhaltung auf der kaufmännischen Seite ist es Aufgabe der technischen Seite, die Zähler, Geräte, Netz- und Betriebsdaten zu verwalten, Netzberechnungen durchzufahren, Bestandspläne, -listen und -statistiken zu erstellen. Hinzu kommen das Hausanschlußwesen, die Bauplanung und das Bearbeiten von Kundenanfragen, um einige zu nennen.

Ein Betriebsmittel-Informations-System unterstützt die Sachbearbeiter bei den hier anfallenden Geschäftsvorgängen. In Verbindung mit einem Kunden-Informations-System ergibt sich das in Abb. 1 dargestellte Gesamtsystem.

Das Bild zeigt exemplarisch für ein Unternehmen die Verknüpfungen einzelner Sachgebiete miteinander. Die Verbindungen zwischen zwei Sachgebieten stehen für den gewünschten Datenaustausch in eine oder beide Richtungen; er wird vom Bedarf und von der Berechtigung abhängig gemacht.

Dieses Modell stellt eindeutig die informationsverarbeitung in den Mittelpunkt. Die Zuordnung eines Sachgebietes zu der kaufmännischen oder technischen Seite spielt hier keine Rolle mehr, genausowenig, ob die Daten über das B-I-S oder das K-I-S bearbeitet werden. Der Stellenwert der Daten bezüglich ihres Integrationsgrades (zum Beispiel Regionalstruktur oder grafische Bestandsdaten) ist an der Anzahl Verbindungen zu beziehungsweise von einem Sachgebiet zu erkennen. Ein ähnliches Modell kann für jedes Unternehmen aufgestellt werden.

Fragt man nach dem Nutzen eines solchen Systems, so lassen sich mehrere Argumente nennen:

- eine aktuelle, vollständige und widerspruchsfreie Speicherung der

Daten

- ein optimaler Informationsfluß (Beschaffung, Dokumentation, Weitergabe)

- eine rationelle und sachgemäße Vorgangsabwicklung.

Viele Vorteile sind wirtschaftlich nur schwer bewertbar. Im Sinne des Betriebsinteresses und einer zeitgerechten Informationsverarbeitung muß jedoch langfristig das Informationssystem gefordert werden.

Neue CAD-Entwicklungen geben den Anstoß

Impulse in diese Richtung kamen auf der technischen Seite durch den Einsatz der grafischen Datenverarbeitung zur Dokumentation des Planwerkes. Beschränkt sich ein Unternehmen nur auf die automatisierte Darstellung des Planwerkes, so läßt sich heute - auch nicht annähernd - eine Wirtschaftlichkeit errechnen. Die Möglichkeit grafische und numerische Daten in einer oder mehreren Datenbanken - auch miteinander verknüpft - abzulegen, schafft die Voraussetzung zur Realisierung der umfassenden Zielsetzung. Sie läßt sich somit wirtschaftlich leicht begründen.

Einige Versorgungsunternehmen kamen zu ähnlichen Ergebnissen und ersten Grobanalysen: Der Realisierungsaufwand beträgt mehr als ein Jahrzehnt, und der finanzielle Aufwand übersteigt die Millionengrenze mehrfach; ein Umfang, der für die Datenverarbeitung innerhalb der Versorgungswirtschaft neu ist. Entscheidungsträger tun sich bei diesen Zahlen verständlicherweise schwer, für ein solch großes Projekt grünes Licht zu geben, zumal über einen derart langen Projektzeitraum sicherlich neue Hard- und Softwarekomponenten zu erwarten sind. Unbehagen tritt bei dem Gedanken auf, sich durch die Entscheidung von heute den Weg für morgen zu verbauen.

Rechtzeitige Konzeption spart Kosten

An dieser Stelle muß man sich fragen, worin der Umfang begründet ist und wie er minimiert oder wenigstens gesplittet werden kann. Der prozentual größte Anteil ist in der Beschaffung und Erfassung der grafischen Elemente mit den dazugehörigen Sachdaten begründet. Der reine Erfassungszeitraum läßt sich zwar durch Verteilen der Aufgabe auf mehrere Schultern - renommierte Erfassungsbüros sind am Markt verkürzen, es bleibt aber die Befürchtung, daß bei einem zeitgleichen Start der Leitungsdokumentation mit dem Projekt der Dateninput für die Erfassung nicht im geforderten Maß geliefert werden kann, zumal die Datenbeschaffung vom Unternehmen selbst kommt und durch erhöhten Personaleinsatz nur bedingt abgefangen werden kann.

Es ist daher zu empfehlen, möglichst frühzeitig ein Konzeptionsprojekt zu initiieren, das den Projektrahmen definiert und das Gesamtsystem in separat zu bearbeitende Teilsysteme aufsplittet. Jedes Teilsystem muß dabei in Verbindung mit dem Systemrahmen stehen und losgelöst von seinem Umfeld selbständig bearbeitet werden können.

Diese Forderung ist erfüllt, wenn die Dateninhalte, -strukturell und Aufgaben sowie die Schnittstelle eines Teilsystems mit Projektbeginn eindeutig beschrieben sind. Auf diese Art und Weise kann für jedes Teilsystem der Aufwand separat geschätzt und damit entschieden und realisiert werden. Das Gesamtprojekt wird dadurch transparenter und kann besser den sich ändernden Marktsituationen angepaßt werden.

Dieses Ziel ist erreichbar, wenn beide Geschäftsbereiche sich nicht nur innerhalb, sondern vor allem gemeinsam neu orientieren. Hier sind sicherlich werks- und bereichsabhängig mehr oder weniger Anstrengungen für die Idee einer gemeinsamen DV-Strategie erforderlich.

Wenn auch die Verantwortung in den unterschiedlichsten Händen liegt und verbleiben soll, so sollte zumindest die Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Systeme untereinander erhalten bleiben. Erforderlich sind hierfür klare, veröffentlichte DV-Strategien, praxisnahes Datenmanagement, zentrale Definition und Festlegung der Schnittstellen sowie unbürokratische, aber gemeinsame Planung.

Bei Einhaltung der geforderten Vorgehensweise können die unternehmensindividuell definierten Teilsysteme parallel oder nach Prioritäten geordnet stufenweise in überschaubaren Teilprojekten realisiert werden. Zum Aufbau des Teilsystems sind die geforderten Verarbeitungsmodule zu erstellen, die Einbettung in das Gesamtsystem vorzunehmen und den Datenbestand aufzubauen. Gerade auf der technischen Seite fehlen aufgrund des hohen Nachholbedarfs viele Daten, die teilweise nur mit hohem Aufwand zu beschaffen sind.

Ist ein Teilsystem realisiert oder zumindest konzipiert, so empfiehlt sich bei neuen Installationen von Betriebsmitteln, Änderungen oder Kontrollen, die fehlenden Daten gezielt ohne großen Mehraufwand zu erfassen, um so den Datenbestand sukzessive aufzubauen, ohne dabei Gefahr zu laufen, die Zielsetzung des Gesamtsystems zu verfehlen.

Die vorgeschlagene Vorgehensweise verkürzt keineswegs den Realisierungsaufwand des Gesamtsystems, splittet aber die Kosten erheblich. Weiter können die auf der kaufmännischen Seite aufgebauten und vorhandenen Ressourcen, Erfahrungen und Organisationen genutzt werden.

Die grafische Dokumentation nimmt aufgrund des hohen Erfassungsaufwandes eine Sonderstellung ein. Durch die mögliche Trennung der Sachdaten von der Lagebeschreibung eines Betriebsmittels, kann die Automatisierung des Planwerkes mittels CAD unabhängig von den anderen Teilsystemen in Angriff genommen werden. Der Startzeitpunkt für die Leitungsdokumentation ist unternehmensindividuell vom Zustand des konventionell verwalteten Planwerkes abhängig. Soweit möglich, sollte vor Erfassung der grafischen Daten das Systemumfeld möglichst umfassend realisiert sein, zumal sich die äußeren Bedingungen Verständnis für ein "Gesamt"-Informations-System, ausgefeiltere und kostengünstigere Hard- und Softwarekomponenten - mit Projektfortschritt verbessern dürften.

Trotzdem gilt gerade hierfür: Objekterfassung, richtig gemacht, ist keine verlorene Investition, da die Überleitung der Datenbestände von einem Grafiksystem eines Herstellers in das eines anderen heute normalerweise zu relativ geringen Kosten möglich ist. Daher sollte die Hard- und Softwareauswahl sich vornehmlich an der Benutzerfreundlichkeit eines Systems orientieren, um so die- Erfassung der grafischen Daten zu erleichtern.

*Dr.-Ing. Edgar Dietrich ist Produktmanager bei der Systema GmbH, Mannheim.