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GPS aus Europa

Projekt Galileo: Und es bewegt sich doch

23.11.2007
Von WIWO WIWO
Der Streit über das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo steht vor einer Lösung. Die EU-Kommission will nach Informationen des "Handelsblatts" die Neuausschreibung des größten europäischen Industrieprojekts so verändern, dass auch deutsche Unternehmen zum Zuge kommen. Wenn dies gesichert sei, lasse sich auch die Blockade bei der Finanzierung lösen, hieß es in EU-Kreisen.

Mit einem Durchbruch für das Satellitenprojekt Galileo wird beim EU-Gipfel am 14. Dezember gerechnet. Die Zeit drängt, denn der Streit muss bis Jahresende beigelegt sein, soll Galileo wie geplant 2013 die Arbeit aufnehmen. Das Satellitensystem soll dem US-Vorbild GPS Konkurrenz machen und zahlreiche neue Anwendungen etwa in der Verkehrssteuerung erschließen. Doch leidet das Projekt seit Jahren am Grundsatzstreit der beteiligten Länder um die Vergabe der Mittel und die Beteiligung der Unternehmen. Erst im vorigen Jahr war unter heftigem deutschem Druck ein Kompromiss zustande gekommen - der sich wenig später als brüchig erwies. Das darin vereinbarte Industriekonsortium scheiterte, seit Juni 2007 bewegte sich nichts mehr. Obwohl die ersten Testsatelliten bereits im All sind, war Galileo seither akut vom Absturz bedroht.

Denn die Bundesregierung sieht sich als größter Geldgeber des Projekts von der EU-Kommission benachteiligt. Sie hat daher damit gedroht, auf dem Gipfel im Dezember ein Veto gegen die Pläne der Kommission einzulegen. Verkehrskommissar Jacques Barrot hatte vorgeschlagen, die zum Aufbau fehlenden 2,4 Milliarden Euro aus Überschüssen im laufenden EU-Budget zu finanzieren und die Industrieaufträge neu auszuschreiben. Dies könnte zu einer Benachteiligung der deutschen Industrie führen, fürchtet man in Berlin. Um diese Sorge zu zerstreuen, hat Barrot nun einen neuen Vorschlag vorgelegt. Er unterteilt die Ausschreibung in bis zu sieben Lose. Jedes Unternehmen darf dabei nur in einem, maximal in zwei Segmenten zum Zuge kommen.

Der Vorschlag sei eine gute Gesprächsgrundlage, hieß es nach einem Treffen der EU-Botschafter in Brüssel. Zustimmung kommt auch aus Berlin. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will sich allerdings erst beim Ministerrat am 29. November festlegen. Danach muss die EU noch einen Kompromiss zur Finanzierung finden. Dies sei notfalls aber auch noch nach dem EU-Gipfel möglich, hieß es in Brüssel. Die deutsche Industrie wollte sich am Donnerstag offiziell nicht zu den Plänen äußern. Sie steht einer Neuausschreibung skeptisch gegenüber. Denn aus ihrer Sicht wäre der Wettbewerb vor allem dort entstanden, wo deutsche Unternehmen gegen französische und italienische Konkurrenz keine Chance gehabt hätten.

In dem Kompromisspapier, das dem Handelsblatt in Auszügen vorliegt, baut Barrot den Deutschen Brücken. Er will bei der Vergabe der Aufträge berücksichtigen, dass Deutschland in der Test- und Entwicklungsphase erhebliche Vorleistungen getätigt hat. Auch verspricht er, auf "industrielle Kompetenz" Rücksicht zu nehmen. So wird es weiter zwei Bodenkontroll-Stationen geben, eine unter der Regie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die andere leitet die italienische Telespazio. Diese Aufteilung hatten die früheren Regierungschefs beider Länder, Gerhard Schröder und Silvio Berlusconi, untereinander ausgemacht. Das deutsche Kontrollzentrum wird bereits gebaut. Für die technische Ausstattung der Bodenstationen bleibt der französische Thales-Konzern gesetzt, der auf diesem Feld in Europa faktisch konkurrenzlos ist.

Bis zuletzt umstritten aber war die Frage, wer den Milliardenauftrag zum Bau der Navigationssatelliten erhält und den Aufbau des Systems kontrolliert. Der deutsche Satellitenbauer EADS-Astrium fürchtete, ausgebootet zu werden. Denn der ursprüngliche Kommissionsentwurf sah vor, mindestens zwei Anbieter ins Rennen zu schicken. Damit hätte Alcatel-Alenia, die Satellitentochter des Thales-Konzerns, sich ebenso für den Bau bewerben können wie der deutsche Astrium-Konkurrent, das Bremer Familienunternehmen OHB. Jetzt soll nur noch ein einziger Anbieter den Auftrag erhalten. Hier sieht sich EADS im Vorteil.

Galileo gilt als Leuchtturm-Projekt der schon in Lissabon im Jahr 2000 vereinbarten europäischen Industriepolitik. Ziel war es, Europa bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region auf dem Globus zu machen, Galileo sollte als technologisch führendes Navigationssystem ursprünglich bereits 2008 einsatzbereit sein. Doch der immer wieder aufflammende Streit der Europäer verzögerte den Start der ersten Testsatelliten immer wieder. Sollten sich die Teilnehmerstaaten am 14. Dezember auf den Kompromiss verständigen, wird das System mit mindestens fünfjähriger Verspätung zum Einsatz kommen. Nach letzten Angaben soll Galileo insgesamt 3,4 Milliarden Euro kosten.