Programmierter Absturz?

13.10.1989

Die aktuellen Synergiepläne von Daimler Benz (DB) verunsichern die Belegschaften der datenverarbeitenden (DV) Abteilungen der dem DB-Konzern unterstehenden Geschäftsbereiche.

Nach der Fusion mit MBB treibt DB jetzt das nächste Projekt voran: Die Zentralisierung aller DV-Aktivitäten und -Mitarbeiter in einem eigens dafür geschaffenen Systemhaus an sieben Standorten - 30 Rechenzentren sollen hierfür aufgelöst werden.

Der von der Rationalisierung direkt betroffenen Belegschaft werden Informationen bewußt vorenthalten. Seit der bundesweiten Bekanntgabe am 14. 6. 1989, parallel zur Veröffentlichung in den Medien, hüllt sich die Konzernleitung in Schweigen.

Die Hinhaltetaktik in der Informationspolitik läßt nur den Schluß zu, daß eine vorzeitige Personalflucht aus diesen hochsensiblen Funktionsbereichen verhindert werden soll. DB ist sich voll bewußt, daß bei Bekanntgabe der präzisen Pläne mit allen personellen Konsequenzen, die DV-Intelligenz noch vor der Umstellung abwandern würde, und somit zum Zeitpunkt der Rechenzentren-Übernahme die Durchführung in Frage gestellt wäre.

Unverständlich ist die Ruhe, die an der Front der Geschäftsbereiche herrscht, die ihrer wirkungsvollsten Managementinstrumentarien beraubt werden. Da das Systemhaus auf DV-technisch veralteten Zentralisierungskonzepten basiert (zukunftsweisend ist eine in intelligenten Netzen verteilte Datenverarbeitung), entpuppt sich die Zusammenführung der RZs für die Unternehmensbereiche als doppelter Reinfall.

Mit dem Abbau der lokalen Rechenzentren verlieren die Unternehmensbereiche einen großen Teil ihrer Flexibilität und Selbständigkeit. Sie werden zu unmündigen, unintelligenten DV-Kunden des Systemhauses degradiert, die keinerlei Einfluß auf Qualität und Preis der auferzwungenen DV-Dienstleistungen haben.

Die derzeit effektiven, bereichsspezifisch zugeschnittenen DV-Betriebe werden zugunsten teurer, starrer Universalabwicklungen geopfert. Zu Lasten der abhängigen Unternehmensbereiche erschließt sich die DB-Holding eine zusätzliche Einnahmequelle.

Auf der Strecke bleiben auf jeden Fall die Belegschaft und ihre Familien. Diejenigen Mitarbeiter, die überhaupt aus den 30 aufzulösenden Rechenzentren ins Systemhaus übernommen werden sollen, haben sich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzupassen: Umzug in ohnehin schon überlastete Ballungsgebiete, Verlust des sozialen Umfelds und der tariflichen Absicherung, da das DB-Systemhaus nicht dem Arbeitgeberverband beitreten will.

Der Großteil der betroffenen Mitarbeiter ist aus verschiedenen Gründen ortsgebunden und kann nicht heute hier, morgen da arbeiten. Für sie bietet sich folgende Perspektive: Abgruppierung aufgrund verminderter Arbeitsplatzanforderungen, Versetzung in berufsfremde Tätigkeitsbereiche, Verfall des aktuellen DV-Wissens und somit die Gefahr der Arbeitslosigkeit.

Bei wachsendem Widerstand aus den Reihen der sich formierenden, betroffenen Mitarbeiter ist mit erheblichen Hemmnissen bei der Durchsetzung der DB-Pläne zu rechnen.