Programmieren im Dialog

03.02.1978

Durch den Einsatz programmgesteuerter Rechenanlagen wurde ein bedeutender Umfang intellektueller Tätigkeit in eine Vorfertigungs- und Dispositionsphase "Programmerstellung" verlegt.

Bereits frühzeitig wurden dabei die Rechenanlagen selbst zur Unterstützung der Programmierung eingesetzt; hochgezüchtete Betriebssysteme und organisatorische Maßnahmen wie Arbeitsteilung, closed shop, Formularwesen und gegebenenfalls ausgelagerte EDV-Abteilung haben jedoch neben ihren unbestrittenen Rationalisierungsvorteilen auch Problemferne, Kommunikationsverluste und einen ungünstigen Brutto-Zeitbedarf bei Programmierungen ergeben. Test und Dokumentation sind immer noch Problembereiche.

"Programmieren im Dialog" soll hier entlastend und effizienzsteigernd wirken. In folgenden Teilbereichen können Vorteile erwartet werden:

- Programm- und Testdatenerfassung: Der Programmierer gibt selbst sein Programm dem Rechner ein; keine Formular-Schönschrift, keine Ablochfehler, einzelne Sofort-Korrekturen, Wiederkehr der Motivation.

- Sofortiger Formaltest: ein Kompilierungs- oder erster Interpretations-Lauf zeigt Formal-Fehler an: kein Warten auf den Stapel-Betrieb "wegen eines Schreibfehlers"; sofort mögliche Korrektur.

- Durchgreifende Daten-Handhabung: durch einfache Kommandos können ganze Programme (-teile) geändert, umsortiert, können Variablen umbenannt werden: Keine Kunststücke an Lochkartenpaketen mehr; wenig Arbeit erzeugt leicht eine hervorragende innere Programmdokumentation und Testdatenqualität.

- Dynamischer Ablauftest: Stop des Programms im Ablauf an beliebiger Stelle, Information über "alles, was man jetzt wissen muß": Wegfall der nervenkostenden und arbeitszeitaufwendigen "Suche nach dem letzten Fehler", vor allem bei aktuellem Programmversagen.

- Textverarbeitung: Auch die äußere Dokumentation, die Beschreibungen und Handbücher können im Dialog erstellt und gepflegt werden: Wegfall der Wartezeiten (des Benutzers) auf die Dokumentation und (des Programmierers) auf nicht ausreichend qualifizierte und ihm zuarbeitende Schreibkräfte.

- Speicherung und Sicherung der Programme (zwar nicht erst durch Dialog möglich, doch hier effizient nutzbar): Verwaltung der Programmbibliothek: Reduzierung der Magnetband- oder Lochkartenlager.

- Rechnergestütztes Arbeiten: Insbesondere im Zuge technischer Aufgaben, bei denen "ein und nur ein" hochqualifizierter Mitarbeiter unter anderem auch Programme schreibt, findet wieder Datenverarbeitung als ungeteilter Vorgang statt: Hier entfallen stärkste Hemmnisse der DV-Anwendung: Kein "Canossa-Gang" mehr zum Lochsaal, zur Job-Annahme, zur Systemsteuerung.

Programmieren im Dialog erfordert jedoch - wenn die möglichen Vorteile auch genutzt werden sollen - einige Voraussetzungen:

- Mindestgröße der DV-Anlage: Ausreichender Platz für Dateien muß bereitgestellt sein; die Antwortzeiten je Dialogoperation müssen klein bleiben: Wer zum Beispiel 250 mal 10 Sekunden zu lange wartet, hat schon 3/4 Stunden untätig zugesehen!

- Keine Systembeschränkungen: Es ist die organisatorisch glatte Einfügung von Aufträgen an den Stapel-Betrieb (etwa zu Kompile- und Link-Läufen) und von Zugriffen zu den Benutzer-Dateien zu Testzwecken erforderlich: sonst geht hier jeglicher Vorteil wieder verloren.

- Bildschirm und Hardcopy/ Drucker: Beide müssen dem Dialogbenutzer verfügbar sein (das ist gegebenenfalls anders gegenüber speziellen Anwendungserfordernissen); sonst kann er nicht schnell genug informiert arbeiten oder muß gegebenenfalls Schirm-lnhalte abschreiben oder auf Druck-Ausgaben warten.

Die genannten Voraussetzungen definieren auch einen nicht geringen Kostenrahmen; doch sind die Vorteile - besonders im Bruttozeitbedarf, der Sicherheit der Kalkulation und bei schwierigen Tests - auch auf der Kostenseite - deutlich erwiesen.

Es bleibt Aufgabe der Verantwortlichen, den optimalen Weg zwischen Kosten und Vorteilen zu finden, unter anderem auch durch geeignetes Anhalten der Mitarbeiter zu sorgfältiger Vorbereitung von Dialogsitzungen.

Empfohlen sei auch, vor und nach jeder Dialogarbeit an der Datenstation automatisch den Programmierer über die von ihm im Projekt verbrauchten Maschinenzeiten und -kosten zu informieren: Voraussetzung und Anreiz zu kostenbewußtem Arbeiten.

Die Tendenz, bei immer komplexer werdenden Aufgabenstellungen auch dezentral mit wenig, aber hochqualifiziertem und teurem Personal arbeiten zu müssen, erfordert Verlagerung von Routine zum Instrument, Vermeidung jeglicher Wartezeiten und Wegfall system- und arbeitsorganistorischer Hemmnisse, erfordert Zunahme (oder Wiederkehr?) der Motivation.

Programmieren im Dialog stützt diese Punkte und dürfte daher - ob auf der eigenen DV-Anlage, auf starken "Kleinrechnern" oder mittels Timesharing-Dienst - zum Standardwerkzeug werden.