Universität Linz stattet Informatik-Lehrstuhl mit Entwicklungssystem aus:

Programm-Konstruktion im PET-Softwarelabor

09.01.1981

LINZ (to) - Den weltweit ersten Entwicklungsrechner im universitären Bereich glaubt die Johannes-Kepler-Universität Linz (Donau) zum neuen Semester installiert zu haben. Vier Philips Multistation-Terminalsysteme P 7000 zusammen mit dem Software-Entwicklungswerkzeug PET/Maestro sollen die Informatik-Hochschulausbildung praxisnah gestalten.

Genaugenommen verdankt die Linzer Universität ihren Pionierschritt einer Fehlkalkulation, wie aus Hochschulkreisen zu erfahren ist: In der Budgetierung eines neuen Universitätshochhauses hatte man höhere Voranschläge ausgewiesen, als die tatsächlichen Kosten dann betrugen. Der überschüssige Etat wurde zur Ausstattung jener Institute bestimmt, die in das neue Gebäude einziehen sollten.

Gedacht ist das neue PET-Entwicklungswerkzeug als Basis zu einem "Programmierlabor". Ähnlich wie in einem Chemielabor, erläutert Professor Dr. Arno Schulz, Vorstand des Instituts für Informatik, soll der Student durch Versuch und Irrtum zu verantwortlicher Arbeit geführt werden.

Rationalisierung und Programmentwicklung rechnet Kommerzialrat Adolf Hofstätter, Vorstandsdirektor der österreichischen Philips Data Systems Ges. m. b. H., vor, wird zunehmend wichtiger. Kostete eine Programmierstunde 1973 noch 140, so liegt heute der Preis bei durchschnittlich 650 Schilling. Außerdem, ergänzt Dr. Klaus Neugebauer, Geschäftsführer von PET-Entwickler Softlab, München, hat sich das Verhältnis von Software zu Hardware drastisch verändert, so daß heute etwa 70 Prozent der EDV-Gesamtkosten auf die Software entfallen .

Durch den Einsatz des Software-Entwicklungswerkzeugs soll ein Schritt in Richtung auf eine Simulationstechnik in der Programmierung getan werden, wie sie in anderen Produktionszweigen üblich ist. Auf der Grundlage einer Konstruktionslehre für Programme, davon ist man an der Linzer Uni überzeugt, lassen sich Programme wesentlich billiger herstellen. Und gerade für Österreich, das ja keine Computerindustrie im eigentlichen Sinn besitze, sei kostengünstige Programmentwicklung ein vielversprechender Wirtschaftszweig.

Ob die Studenten mit dem Werkzeug nicht verwöhnt, also eher verbildet würden? Professor Schulz weist darauf hin, daß die Datenverarbeitung an den Hochschulen ohnehin idealisiert und eine "heile Welt der Informatik" gezeichnet werde. In der Praxis müsse sich der Student dann an viele Hürden gewöhnen, die er mit seinem theoretischen Wissen überwinden könne. Stehe er später vor der Grundsatzfrage, bestimmte Tools einführen und einsetzen zu sollen, so könne er aus praktischer Erfahrung entscheiden.

Im Lehrbetrieb, fügt der diessemestrige Praktikumsleiter des PET-Seminars hinzu, kann dem Studenten nunmehr auch die vollständige Dokumentation und das Benutzerhandbuch abverlangt werden, und er lernt zu begreifen, daß nicht allein die Software für die Programmierung wichtig ist.