Prognose-Schwächen?

01.12.1978

Prophetie ist Glücksache - besonders auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Aber es sieht doch so aus, als ob die Zeit endgültig vorbei sei, in der man den Computermarkt isoliert betrachten konnte, denn: DV-Technik, Nachrichtentechnik sowie Bürotechnik wachsen mehr und mehr zusammen.

Nun wurde diese Entwicklung bereits 1972 von Diebold richtig vorausgesagt - zu einem Zeitpunkt also, an dem die Verzahnungsidee bei den Traditionalisten (sprich Etablierten) der Combuterbranche noch auf Unverständnis stieß: Bestätigt hier eine sprichwörtliche Ausnahme die Regel (siehe oben) oder sind die Frankfurter Marktforscher wirklich besser informiert als andere? Diese Frage stellt sich um so mehr, als Hans-Jürgen Schwab, Geschäftsführer der Diebold Deutschland GmbH, just eine Studie vorgelegt hat, die das Wachstum des "informationstechnischen" Marktes in der Bundesrepublik bis zum Jahre 1985 prognostiziert.

1985: 500 000 Terminals

Die Diebold-Studie kommt für die dynamischsten Teilmärkte zu dem Ergebnis, daß 188 hierzulande 500 000 Datenstationen und 134 000 Systeme für computerunterstützte Textverarbeitung installiert sein werden - und daß mit einer "kräftigen" Marktexpansion bei Hobby- und Personal-Ccmputern zu rechnen ist.

Abgesehen davon, daß derart apodiktische Quantifikationen (1985:134 000 CTV-Systeme!) eine Vorausschau nicht zutreffender, machen: Gibt es Gründe, die Hochrechnung der Diebold-Studie anzuzweifeln?

Liest man die Analysen der Frankfurter Branchen-Auguren, so stolpert man schnell über einige Ungereimtheiten: Bremsfaktoren wären - heißt es - vornehmlich die (noch zu hohen) Geräte-Preise (etwa für Personal Computer, CTV-Systeme und Bildschirme) sowie eine schlechte organisatorische Infrastruktur bei den Anwendern. Desweiteren fällt auf, daß Diebold das neu definierte Markt-Konglomerat "Informationstechnik" nahezu ausschließlich unter Marketing-Gesichtspunkten betrachtet - will sagen: Die Benutzer-Akzeptanz kommt als Einflußgröße nur punktuell vor.

Nun ließe sich einwenden, der Anwenderwille habe ohnehin noch nie etwas bewirkt- Marketing bestehe darin, Bedarf zu wecken, nicht, vorhandenen Bedarf zu decken. Denkt Diebold so, dann sollten aber auch alle Faktoren berücksichtigt werden, die auf das Wachstum im Terminal- und im Textverarbeitungs-Markt hemmend wirken können. Die Diebold-Untersuchung bietet Relativierungs-Hilfen, etwa wenn sie davon spricht, daß der Innovationsprozeß in Märkten, "die von. einem Hersteller (IBM) beherrscht werden, sehr geregelt abläuft", und daß die Entwicklung im Bereich der Nachrichtentechnik "am gesteuertsten" sei (dominierende Rolle der Deutschen Bundespost).

Populations-Hemmer

Doch wer in Anspruch nehmen will, als Prophet recht zu behalten, muß weitere "Populations-Hemmer" ins Kalkül ziehen: Standards und Normen, den Datenschutz und - last not least - die Politik, womit sowohl Eingriffe seitens der Bonner Regierung (BMFT) als auch Reaktionen der Gewerkschaften, zum Beispiel, gemeint sind.

Zugegeben: Marktuntersuchungen Dieboldscher Provenienz müssen diese Parameter vernachlässigen, wollen sie zu quantifizierbaren Aussagen kommen - schließlich versteht sich die Schwab-Mannschaft als Beratungsunternehmen, das seine Studien auch als Forecast-Hilfen an den Mann bringen will.

Freilich: Muß nicht besonders deshalb methodologisch korrektes Arbeiten verlangt werden?

Beispiel: Bei der Untersuchung über den Terminal-Markt wurden private und öffentliche Datennetze in einen Topf geworfen. Dabei wird ohne Zweifel das Terminalgeschäft durch die "Offene-Netz-Politik" der Bundespost mindestens genauso beeinflußt wie das nachrichtentechnische Business.

Wie heißt es so schön: Prognosen sind deshalb so schwierig, weil sie in die Zukunft gerichtet sind.