Gehalt allein reicht nicht

Profis wollen Transparenz und ein gutes Arbeitsumfeld

05.02.1999
FRANKFURT/M. (hk) - Viel Arbeit erwartet die Personaler in bezug auf das ungeliebte Thema Vergütung. Experten empfahlen nämlich auf einer Euroforum-Veranstaltung in Frankfurt mehr Transparenz und vor allem eine starke Individualisierung der Bezüge - alles Zündstoff für die bisher gängigen Regelungen.

Nehmen wir zum Beispiel Klaus Schneider, Personalchef eines mittelständischen Beratungs- und Softwarehauses mit rund 200 Beschäftigten im Südwesten der Republik. Wie seine Kollegen plagen ihn vor allem zwei Sorgen. Zum einen muß er sich überlegen, wie er neue Mitarbeiter rekrutiert, zum anderen, wie er gute Leute hält, denn die Konkurrenz ist - angesichts der Personalknappheit am IT-Arbeitsmarkt - nicht gerade zimperlich.

Schnellebige Branchen, also zum Beispiel die IT-Szene, haben ein spezielles Problem: Wie sollen Qualifikationen honoriert werden, die wegen des raschen technischen Wandels besonders gefragt sind? In Schneiders Unternehmen sieht es mittlerweile so aus, daß einige Spezialisten mehr verdienen als Führungskräfte mit Personalverantwortung. Das erregt langsam den Unmut der Manager, die bisher gewohnt waren, mehr nach Hause zu bringen als die besten Fachkräfte. Wie also das Problem lösen, ohne beide Seiten zu vergraulen?

Die auf Vergütungsfragen spezialisierte Unternehmensberatung Towers Perrin hat sich in einer Studie der Frage angenommen, wie Mitarbeiter mit "Hot Skills" zu vergüten sind. Zunächst einmal definieren sie diese Fähigkeiten und nennen dafür drei Kriterien.

Hot Skills sind:

- knapp am Markt, und das weltweit. Viele Unternehmen haben aktuell den gleichen Bedarf (SAP, Euro, Jahr-2000-Umstellung, Einführung Intranet). Selbst das internationale Angebot an Spezialisten deckt den Bedarf nicht. Auch die Ausbildungssysteme schaffen keine Abhilfe;

- wichtig für das Unternehmen, auf ihnen beruht die Kernkompetenz. "Wenn Hot-Skills nicht in ausreichendem Ausmaß und hoher Qualitätvorhanden sind, ist die Marktposition des Unternehmens gefährdet", so Fred Marchlewski, Partner bei der deutschen Niederlassung von Towers Perrin in Frankfurt am Main;

- zeitlich begrenzt. Neue Technologien lösen alte ab und machen das mit ihnen verbundene Know-how obsolet. Sonderprojekte wie die Einführung des Euro oder die Jahr-2000-Umstellung gehen einmal zu Ende, genau wie eine SAP-Einführung. Marchlewski erinnert in diesem Zusammenhang an die R/2-Programmierer.

Vor einigen Jahren hätten sie noch bis zu 180000 Mark Jahresgehalt einstreichen können, heute bei Neueinstellung maximal zwei Drittel davon. Nun könnten diejenigen Firmen in die Bredouille geraten, die diesen Betrag als Fixgehalt ausgemacht hätten.

In der IT-Branche werden laut den Vergütungsberatern so ziemlich alle Fertigkeiten zeitweise als "hot" bezeichnet, angefangen vonden Kenntnissen in Programmiersprachen (Cobol, C++, Java) über Datenbanken und Betriebssysteme bis hin zu Standardsoftware (SAP, Baan, Peoplesoft) und Netzwerken.

Konsequenz dieser Analyse müßte laut Tower Perrin sein, die Gehälter in Unternehmen stärker zu flexibilisieren und sie beispielsweise besser auf die Hochqualifizierten abzustimmen. Tatsächlich aber würden dies in den USA erst 49 Prozent derUnternehmen tun. Diejenigen Befragten, die sich stärker den Hot-Skills-Mitarbeitern widmen, sehen zu 94 Prozent gewisse oder bedeutende Veränderungen. In Wirklichkeit hat aber auch in den USA die Kreativität bei der Bezahlung von Hot-Skills-Beschäftigten ihre Grenzen. Denn immerhin 78 Prozent der Befragten gaben an, daß die einfache Erhöhung des Grundgehalts die verbreitetste Belohnungsform auch für die Hochqualifizierten darstellt.

27 Prozent der US-Firmen setzen allerdings bereits "Mitarbeiterbindungs-Boni" ein. Auch in Großbritannien fangen Firmen an, verstärkt über solche Vergütungselemente nachzudenken. 18 Prozent der Befragten gaben in einer Untersuchung an, solche Zulagen zu vergeben, 64 Prozent denken darüber nach. In Deutschland, so die Towers-Perrin-Berater, seien diese Bindungsboni noch die Ausnahme.

Die häufigsten solcher Bonuszahlungen sind dabei (siehe Grafik):

- Incentives, also Einmalzahlungen für das Erreichen definierter Ziele;

- Anerkennungsprogramme. Darunter fallen Sonderzahlungen oder immaterielle Formen der Anerkennung (zum Beispiel Auszeichnungen) für außergewöhnliche Leistungen;

- Mitarbeiterbeteiligung, das heißt, Formen der langfristigen Beteiligung der Beschäftigten am Unternehmenskapital;

- projektbezogene Boni, Einmalzahlungen für das Erreichen bestimmter Projektmeilensteine beziehungsweise für den erfolgreichen Abschluß eines Projekts. Diese Form der variablenVergütung dient laut Marchlewski dazu, daß Mitarbeiter aus langfristigen Vorhaben nicht aussteigen.

- Prämien für Hot Skills. Das sind zeitlich befristete Zuschläge auf das Grundgehalt für besondere Fähigkeiten, die am Markt stark nachgefragt werden.

Für Towers-Perrin-Berater Karl-Heinz Raster spielt die interne und externe Kommunikation bei der Lösung von Vergütungsfragen die größte Rolle. Damit beantwortet er Personaler Schneider die Frage, wie dieser damit umgehen soll, daß einige seiner Spezialisten besser verdienen als manche Manager. Intern muß das Unternehmen für Leistungstransparenz sorgen, also den Beitrag definieren, den jeder Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg leistet. Genauso sei eine Anreiztransparenz zu schaffen. Im Klartext bedeutet dies laut Raster, daß der Beschäftigte über das Vergütungs- und Anreizpaket, an dem er bei entsprechender Leistung partizipieren kann, Bescheid weiß. In den USA seien einige Firmen bereits soweit, daß sie ihr gesamtes Vergütungsmodell ins Intranet stellten. "Jeder Mitarbeiter soll wissen, bei welcher Position sich wieviel verdienen läßt und wie das komplette System der Zusatz- und Sonderleistungen aussieht", weiß Marchlewski.

Ebenso wichtig sei aber die externe Kommunikation, doziert Raster. Arbeitgeber sollten ihre Anreizsysteme offensiver der Öffentlichkeit mitteilen, sei es über Hochschulkontaktmessen, in Stellenanzeigen oder via Internet.

Die beiden Towers-Perrin-Vergütungsexperten propagieren ein Modell aus vier Elementen, die alle zur Geltung kommen müssen: Die Komponenten Gehalt, Zusatzleistungen, Personalentwicklung und Arbeitsumfeld müssen stimmen. Sie warnen davor, sich nur auf den Vergütungsteil zu kaprizieren.

Laut Towers Perrin sind amerikanische Firmen in der mitarbeiterfreundlichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen flexibler als die Europäer. Am häufigsten setzen die Amerikaner dabei auf flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, Telearbeit, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und Arbeitszeitausgleich.