Computer-Schrott in Virginia nach 30 Jahren wieder aufgetaucht:

Professor rekonstruiert legendären Mark III

11.07.1986

BLACKSBURG/VA (CWN) - Im Januar des Jahres 1950 zierte ein Millionen-Dollar-Computer die Titelseite des Nachrichtenmagazins Time. Überschrift: "Mark III - kann Superman gebaut werden?" Sechs Jahre später wurde die Maschine dann stillschweigend aus dem Marine-Testzentrum in Dahlgren, Virginia, eliminiert, für 60 Dollar Schrottwert verkauft und verschwand für 30 Jahre in der Versenkung.

Jetzt, nach 30 Jahren, sagte John Lee, Professor für Computerwissenschaften am Polytechnischen Institut von Virginia: "Kein Mensch wußte genau, was seit dieser Zeit mit diesem Rechner passiert ist." Bereits Anfang des vergangenen Jahres hatte Lee den Rechner auf einer Farm in der Nähe von Fredericksburg "auf gespürt", nachdem er die Tochter von Bill Slusher, der seinerzeit den Computer zum Schrottwert kaufte, kennengelernt hatte. Slusher war in den fünfziger Jahren im Marine-Laboratorium als Operator tätig. Dank seiner Hobby-Begeisterung für Radio- und Fernsehtechnik konnte er einige Bauteile aus dem Mark III verwenden, andere verkaufte er, und das, was davon noch übrigblieb, überließ er einem Hügel auf seinem Grundstück. Genau auf diese Bauteile stieß Lee jetzt, als er sich mit Slushers Tochter traf.

Der Institutsprofessor fand auf dem Gelände unter anderem Magnetband-Laufwerke, zwei Speichereinheiten, Relais, Elektronenröhren, verschiedene Kleinbauteile und jede Menge Kabel. Nach seinen Worten waren die Komponenten nach dieser 30jährigen Periode in einem erstaunlich guten Zustand, wenn man bedenke, daß diese Bauteile ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt waren. Mehr als ein Dutzend Röhren brachte Lee daraufhin zu einem Laboratorium von AT&T, wo festgestellt wurde, daß immerhin acht davon noch einwandfrei funktionierten.

Beim Mark III handelte es sich um die dritte in Serie gebaute Maschine von insgesamt vier Computern, die unter der Leitung von Howard Aiken an der Harvard University entstanden. Fertiggestellt im September 1949, gelangte der Rechner im März des darauffolgenden Jahres zur Navy, wo er zur Berechnung ballistischer Funktionen eingesetzt wurde. Die Millionen-Dollar-Maschine vereinigte noch elektronische und elektromechanische Technologie und beinhaltete mehr als 5000 Elektronenröhren und rund 2000 Relais.

Monströse Ausmaße im Vergleich zu heute

Lee bezeichnete den Mark III als "typisches Monstrum dieser Zeit", das eine "ganze Menge Platz beanspruchte": Rund 18x 12 Meter Stellfläche mußten vorhanden sein, um den Harvard-Computer unterzubringen. In der Tat war der Mark III so voluminös, daß das Marine-Laboratorium bis zum Tag der Auslieferung des Rechners eine Wand sicherheitshalber noch nicht gezogen hatte. Dieser Umstand war nach Lees Worten später dafür verantwortlich, daß IBM seine System-Baugruppen so konstruierte, daß sie durch Norm-Türen und Aufzüge transportiert werden konnten.

Mit einer Gesamtspeicherkapazität von 4350 16-Bit-Adressen zählte der Mark III seinerzeit zu den leistungsfähigsten Maschinen überhaupt. Er war außerdem der erste Rechner mit Magnettrommelspeicher, der aus Eisenoxid-beschichteten Zylindern bestand, und damit der Vorreiter von Magnetspeichermedien wie Festplatten und Disketten der heutigen Zeit, Andererseits krankte der Computer an Problemen der Zuverlässigkeit: Bauteile fielen nach einer wieder einsetzenden Heizung und Kühlung aus, wenn das System über das Wochenende hinweg abgeschaltet wurde. Daher wurde der Mark III 1956 durch einen IBM-Forschungsrechner (NORC) ersetzt. Dieser NORC war dann die nächste Generation von Supercomputern dieser Ära.

Kampf gegen die Zeit und gegen die Bagger

Wie Lee sagte, sei die Rekonstruierung zwar jetzt in vollem Gange, jedoch fehle noch einiges, um den Rechner wieder zu vervollständigen. Außerdem sei das Problem aufgetaucht, daß der jetzige Grundstücksbesitzer für Herbst dieses Jahres einen Hausbau auf diesem Gelände plane. "Wenn wir bis Herbst nicht fertig werden", so der Professor, "wird das Gelände mit den Bauteilen entweder für immer begraben sein oder weiterhin als Schrottplatz dienen." Um seine Arbeit voranzutreiben, hat Lee mittlerweile Unterstützung von Mitgliedern der computerwissenschaftlichen Fakultät des Mary Washington Colleges in Fredericksburg erhalten. Darüber hinaus stellte ihm die Amerikanische Vereinigung für lnformationsprozesse (AFIPS) einen Betrag von 1000 Dollar zur Verfügung.