Produkte haben bei SNI Vorrang vor Loesungskompetenz

01.07.1994

CW: Warum drueckt sich der SNI-Anwenderverein Save so vorsichtig aus, wenn es Ereignisse bei Siemens-Nixdorf zu kommentieren gilt, etwa die bevorstehende Abloesung des Vorstandsvorsitzenden Wiedig durch den ABB-Manager Schulmeyer?

Zeiler: Wir kennen die Leute bei SNI und wissen, wie sie reagieren. Unser Verhalten mag nach aussen hin vorsichtig aussehen, die Betroffenen wissen aber sehr wohl, was gemeint ist.

CW: Der IBM-Anwenderverein Guide hat im Gegensatz zum Save seine Zurueckhaltung abgelegt. Er macht seine Forderungen wesentlich deutlicher...

Zeiler: Anders als der Guide hatten wir mit unserem Hersteller schon immer klare Vereinbarungen, wie unsere Wuensche zu beruecksichtigen sind. SNI reicht interne Konstruktions-details und Change-Planungen fruehzeitig an unsere Arbeitskreise weiter. Wir haben eine schriftliche Abmachung, nach der wir von jedem internen Entwicklungsdokument eine Kopie erhalten und uns an den Revisionsprozessen beteiligen. Das ist beim Guide voellig undenkbar. Es ist immer Unternehmensphilosophie von Siemens gewesen, Anwender nicht im Regen stehen zu lassen.

CW: ... von Siemens?

Zeiler: Richtig, Siemens wollte diese Eigenschaft zu Nixdorf hinueberretten, hat es aber nicht geschafft, dies zu vermitteln. Der Save hat stets kritisiert, dass SNI einen Zoo von Produkten hat. Wir erhielten die Antwort, man duerfe die Anwender nicht im Stich lassen. Nixdorf hatte beispielsweise die Wartung der 8890- Rechnerreihe kurz vor dem Merger eingestellt; Siemens hat nach der Uebernahme weitere fuenf Jahre garantiert.

CW: Es ist also nicht die fehlende Strategie, sondern die Fairness, die SNI in die Bredouille gebracht hat?

Zeiler: Sicher, der Save hat geschimpft, weil SNI so lange gebraucht hat, eine Strategie zu formulieren. Da sind einige Jahre ins Land gegangen.

CW: Haben Sie den Eindruck, dass SNI ein Konzept gefunden hat?

Zeiler: Was die Produktaussage angeht, verfolgt SNI inzwischen eine klare Linie. Dasselbe gilt fuer die Vertriebswege. Leider ist die branchenbezogene Loesungskompetenz mit den Reorganisationswirren in den Hintergrund getreten. Sie duerfen nicht vergessen: Siemens hatte 4000 Kunden im klassischen Mainframe-Geschaeft, mit Nixdorf kamen ploetzlich 40000 DV-Kunden dazu. SNI hat die Fusion - wie Kohl die deutsche Einheit - auf die leichte Schulter genommen.

CW: Welche Auswirkungen hat das fuer die Kunden?

Zeiler: Wir fuerchten, dass jetzt versucht wird, nur noch Standardprodukte zu verkaufen, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Damit ginge aber die Loesungskompetenz verloren. Standardsoftware laeuft auf jedem Rechner. Ich weiss nicht, ob R/3 das grosse Geschaeft ist. Darunter koennen Sie auch DEC- oder IBM- Rechner setzen. SNI muss jetzt an den Loesungen arbeiten.

CW: Warum haben Sie offiziell begruesst, dass Siemens-Chef Heinrich von Pierer in den SNI-Aufsichtsrat eingetreten ist?

Zeiler: In letzter Zeit sind Geruechte aufgetreten, SNI komme nicht auf die Beine, Siemens werde diesen Teil verkaufen. Da ist es gut, wenn von Pierer das SNI-Thema zur Chefsache macht. Siemens hat einen Namen in Bereichen wie Telekommunikation oder Fabrikautomation - diese sollte man nicht grundsaetzlich von der Informationstechnik trennen. Staerke gewinnt SNI aus der Integration in den Siemens-Konzern, nicht als eigenes Unternehmen. Siemens hat das gemerkt. SNI wird inzwischen fast so gefuehrt wie ein Siemens-Geschaeftsbereich - und das ist gut so. Ein positives Signal ist auch die Konzentration des Netz-Business als Geschaeftsbereich im Konzern.

CW: Hemmt der grosse Einfluss einer Benutzerorganisation nicht die Entwicklungs- und Innovationskraft einer Firma?

Zeiler: Wir sind durchaus so organisiert, dass technische Neuerungen beruecksichtigt werden. Das ist schon dadurch gewaehrleistet, dass wir einige fuehrende Mitglieder aus dem universitaeren Bereich haben. Wir orientieren uns im Verein an neuen Technologien, beschaeftigen uns beispielsweise sehr stark mit Downsizing und Client-Server - allerdings laeuft da in Wirklichkeit viel weniger, als die CW schreibt. Uebrigens: Im Save gibt es die groesste SAP-Benutzergruppe ueberhaupt!

Mit Joachim Zeiler, Vorstandssprecher des SNI-Anwendervereins Save e.V., sprach CW-Redakteur Heinrich Vaske