Angst vor Verlust digitaler Daten

Probleme der Langzeitarchivierung

29.05.2008
Die Datenmengen wachsen weltweit und nehmen gigantische Ausmaße an - aber wie sie bewahren?

Forscher werten eine Unzahl von Informationen aus, um den Klimawandel zu berechnen und Wirbelstürme vorauszusagen. Mediziner nutzen leistungsstarke Computer zur Entschlüsselung einzelner Gene des Menschen. Der Trend zur Digitalisierung ist ungebrochen, Speichermedien wie CDs oder Festplatten werden immer billiger und erlauben es, auch private Fotos und Musikdateien in großer Zahl zu archivieren. Doch wie lange halten die Daten ­ droht irgendwann ein Loch?

Populäre Datenträger wie DVD, CD und Festplatte besitzen nur eine begrenzte Lebensdauer, immer wieder muss umkopiert werden. Die rasante technische Entwicklung bringt ständig neue Hard- und Software auf den Markt. Wer benutzt heute noch Disketten? Moderne Computer können aus ihnen nichts mehr herauslesen. Irgendwann fehlen auch Ersatzteile ­ die digitalisierten Informationen sind dann unwiederbringlich verloren.

"Daten mit sehr hoher Bedeutung werden auch in 200 Jahren noch lesbar sein", sagt Carsten Bormann vom Technologie-Zentrum Informatik der Universität Bremen. "Das ist aber nicht unsere ganze Kultur. Archäologen brauchen ja immer auch Hinterlassenschaften aus dem normalen Leben. Privatanwender fehlt aber häufig das Bewusstsein, dass auch digitale Daten verloren gehen können. Insofern ist es schon vorstellbar, dass unsere Epoche später möglicherweise als dunkles digitales Zeitalter beschrieben wird."

Hartmut Gieselmann, Redakteur bei der Computerzeitschrift "c't", hält diese Sicht für zu pessimistisch. Allerdings bemängelt auch er mangelnde Weitsicht bei vielen Privatanwendern. Sein Rat: Wichtige Daten stets mehrfach sichern, zum Beispiel auf einer externen Festplatte und auf CD oder DVD. Auf dem Markt herrsche enormer Preisdruck, daher gebe es bei optischen Speichermedien wie CD und DVD immer wieder Probleme mit der Qualität. "DVD-Brenner werden nicht damit beworben, wie sicher sie arbeiten, sondern wie schnell sie sind", sagt Gieselmann. Ein Hauptproblem in unserer digitalisierten Welt sieht der Experte aber vor allem in der Informationsflut. "Die Gefahr im Datenmüll zu ersticken, ist größer als der Verlust wichtiger Daten."

Der Trend zur Digitalisierung wirft auch für Profis im Sammeln von Buchstaben und Bildern neue Fragen auf. So archiviert die Deutsche Nationalbibliothek (DNB, Frankfurt/Main und Leipzig) seit Mitte 2006 auch Veröffentlichungen im Internet. "Das ist ein Riesenfeld, es gibt um die zwölf Millionen Domains, also Internet-Adressen, in Deutschland. Die alle zu sammeln, ist unmöglich, zumal sie sich ja auch ständig ändern ­ Spiegel Online sieht jeden Tag anders aus", erklärt Reinhard Altenhöner, DNB-Abteilungsleiter für Informationstechnologie.

Eine weitere Schwierigkeit bestehe darin, den Datenwust zugänglich zu machen und Informationen wiederzufinden. Außerdem müssen die 100.000 CDs/DVDs und 500.000 Audio-CDs aus den DNB-Archiven auf Festplatten umkopiert werden, damit auch künftige Generationen noch etwas mit ihnen anfangen können. "Es gibt die Illusion permanenter Verfügbarkeit, bei digitalen Daten ist es aber möglich, dass nichts zurückbleibt, wenn die Technik nicht permanent angepasst wird."

Alexander Gerber vom Fraunhofer-Verbund Informations- und Kommunikationstechnik sieht in der Digitalisierung zunächst einmal einen "epochalen Fortschritt". Aber er weist ebenfalls auf Probleme hin: "Nicht jede Datei hat ja denselben Wert, manche verlieren mit der Zeit ihre Bedeutung vollkommen und wieder andere müssen sogar per Gesetz vernichtet werden. Eine sehr große Herausforderung besteht also nicht nur darin, Daten sicher zu speichern, sondern die immer größere Datenmenge auch zu verwalten."

Mit der Langzeitarchivierung großer digitaler Datenmengen beschäftigt sich das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik in Freiburg. Die Wissenschaftler fixieren Texte, Bilder oder Grafiken mit Hilfe eines farbigen Lasers auf Farbfilme. Per Scanner können die Daten in Form analoger Bilder ausgelesen werden, die Lebensdauer des Filmmaterials geben die Forscher mit mehreren Jahrhunderten an. Neu an dem Verfahren ist die Kombination der Mikroverfilmung mit Lasertechnik. Andere Wissenschaftler beschäftigen sich mit den Möglichkeiten der Holographie zum Speichern von Daten oder damit, Informationen in Kristalle zu schreiben. (dpa/tc)