Probleme der DV-Newcomer: Alte Hasen bunkern Praxis-Know-how

16.06.1983

"Grundsätzlich ist nur ein informierter Mitarbeiter auch ein motivierter Mitarbeiter und somit wirtschaftlich." Mit dieser Ansicht steht Lutz Homscheid, DV-Chef im Druck und Verlagshaus Gebr. Storck in. Oberhausen, nicht allein da. Nach dem Motto "Wissen ist Arbeitsplatz" gehen jedoch erfahrene DV-Kollegen in zunehmendem Maße recht sparsam mit der Weitergabe ihres Know-hows um. Nach Ansicht von Systemmanager Rolf Breitsprecher kann dieses Verhalten dem Betrieb und allen Beteiligten nur schaden. Die praktische Unterstützung scheitert oft jedoch gar nicht so sehr an der Bereitschaft zur Hilfeleistung als am Faktor Zeit. Vor allem kleinere Unternehmen haben Probleme damit, die nötige Manpower bereitzustellen und können sich deshalb nicht intensiv genug um Neulinge kümmern.

Paul Scholten

Org./DV-Leiter, Hammelmann Maschinenfabrik GmbH, Oelde

Gerade für einen Anfänger ist die Berufserfahrung der Kollegen mit Sicherheit nicht nur eine Hilfe, sondern eine der wichtigsten Lernvoraussetzungen überhaupt. Es läßt sich jedoch nicht abstreiten, daß ein gewisser Teil an theoretischem Wissen vorhanden sein muß, um darauf weiter aufbauen zu können.

Sicher ist es ratsam, Lehrgänge oder Fachschulen zu absolvieren, doch dies allein reicht bei weitem nicht aus, um selbständige Tätigkeiten im Bereich der Datenverarbeitung ausüben zu können. Nach dem Besuch solcher Fachschulen ist man allenfalls in der Lage, den Befehlssatz der erlernten Programmiersprachen anzuwenden. Meiner Meinung nach heißt das, daß man lediglich codieren, aber noch längst nicht programmieren kann.

Der eigentliche Lernprozeß beginnt erst dann, wenn der Absolvent in einem routinierten und eingespielten Team eingesetzt und, von diesem mit Rat und Tat unterstützt, eigene Erfahrungen sammeln kann. Davon profitiert er mit Sicherheit mehr als von dem auf Lehrgängen und Fachschulen erworbenen Wissen. Ich jedenfalls messe der Berufspraxis einen bedeutend höheren Stellenwert bei als der theoretischen Ausbildung.

Der Großteil der DV-Anwender weiß mit Sicherheit selbst, wieviel Tücken in einem System stecken können. Der Anfänger jedoch hat auf Lehrgängen meist nichts davon gehört und so können ihm nur die Erfahrungen der Kollegen helfen.

Am besten läßt sich diese Art von Wissensvermittlung wohl realisieren, indem man den Anfänger zuerst selbständig etwas erarbeiten läßt und ihm anschließend die Fehler, die ihm unterlaufen sind, erläutert. Wenn er sie dann selbst beseitigt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß er sie in Zukunft vermeidet.

Wenn in solchen Fällen die Möglichkeit besteht, auf ein erfahrenes Team zurückgreifen zu können, ist nicht nur dem Anfänger geholfen. Die Möglichkeit, auf ein erfahrenes Team zurückgreifen zu können, ist in Fehlerfällen nicht nur für den Neuling eine wichtige Hilfe.

Rolf Breitsprecher

Systemmanager, Nord-West Ingenieurgesellschaft mbH, Hannover

Ohne Zweifel sind Berufsanfänger auf die Erfahrung Dienstältester Kollegen angewiesen. Was nützt die graue Theorie, wenn man im Berufsalltag mit branchenspezifischen Problemen konfrontiert wird.

Es sollte selbstverständlich sein, einem Neuen bei der Einarbeitung unter die Arme zu greifen. Das Ergebnis dieser Hilfe zahlt sich sowohl für den Betrieb als auch für die mitarbeitenden Kollegen aus. Wer war nicht schon selber dankbar, wenn er beim Start in sein Berufsleben von einem fach. kundigen und geduldigen Mitarbeiter an die Hand genommen wurde?

In Zeiten einer gesunden Wirtschaft gab es mit dieser Hilfestellung keine Probleme, doch neuerdings zeichnet sich in zunehmendem Maße ein neuer Trend ab .

Nach dem Motto "Wissen ist Arbeitsplatz" gehen manche Kollegen gegenüber dem Anfänger recht sparsam mit der Weitergabe ihrer Berufserfahrung um. Der Neuling wird dadurch verunsichert, und es hängt weitgehend von seinem Engagement ab, seine Wissenslücken auf Umwegen zu füllen. Manch einer hat nicht die Standfestigkeit und läßt sich resigniert ins Abseits drängen. Trotzt harten Konkurrenzkampfes sollte ein erfahrener Mitarbeiter erkennen, daß auf lange Sicht diese Art des Kollegialverständnisses dem Betrieb und allen Beteiligten nur schaden kann.

Gunter Will

Leiter des Bereichs "DV- und Informatikberufe", Berufsförderungswerk Heidelberg der Stiftung Rehabilitation

Ziel des Berufsförderungswerkes Heidelberg ist es, behinderten Erwachsenen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, eine neue begabungs-, neigungs- und behinderungsadäquate Tätigkeit zu vermitteln.

Um diesen Auftrag zu erfüllen, beschäftigen wir berufserfahrene Diplomingenieure, Diplomkaufleute und Betriebswirte als Dozenten.

Berufserfahrung ist hier folglich in mehrfacher Hinsicht zu werten: praktische Berufserfahrung als Dozent und Ausbilder, Berufserfahrung als Fachmann von möglichst vielen Anwendungssituationen und das Berufserfahrungsspektrum des Mitarbeiterteams.

Die Berufserfahrung als Dozent und Ausbilder führt dazu, daß die Durchsetzung bestimmter Lernziele bei gutem sozialen Klima in der Gruppe mit höherem Wirkungsgrad erreicht werden kann.

Die umgesetzte Berufserfahrung als Fachmann zeigt sich dann als weiteres, besonders motivierendes und in der Berufsausbildung wesentliches Merkmal: die fachliche Überzeugungskraft des Dozenten und Ausbilders. Hierdurch wird ein wesentlicher Baustein für den Lernprozeß gesetzt. Es ist die Lernsicherheit, das Vertrauen des Lernenden in den "Lehrer", Richtiges und Brauchbares geboten zu bekommen, für das es sich lohnt zu lernen und manches Freizeitopfer zu bringen.

Infolge des guten Lehrklimas und der Lernsicherheit stellen sich fast zwangsläufig gute Ergebnisse, wachsende fachliche Kritikfähigkeit und die Selbst. Sicherheit des Schülers ein. Erfahrene Pädagogen werden als "Start- und Bewährungshelfer" dringend benötigt, um erlerntes Wissen und in der Ausbildung gesammelte praktische Erfahrungen später in der Berufspraxis als Anfänger einbringen und umsetzen zu können.

Setzt sich ein Team aus möglichst vielen lehr- und berufserfahrenen Mitarbeitern zusammen, so daß im Bildungsprozeß ein breites praktisches Erfahrungsspektrum wirksam eingesetzt werden kann, ist eine für den Anfänger ideale Situation gegeben, die eine hohe Lernbereitschaft und einen hohen Fortschritt erwarten läßt.

Lutz Homscheid

DV-Leiter, Gebr. Storck GmbH, Druck- und Verlag, Oberhausen

Fast möchte ich eine derartige Hilfestellung nur bei Groß- und Größtanwendern für möglich halten, da dort die nötige "Manpower" vorhanden ist, insbesondere auch psychologisch und pädagogisch. Bei allen anderen Anwendern sieht es damit schlechter aus.

In kleineren Unternehmen gibt es meistens nur einen DV-Profi, der im Urlaub oder Krankheitsfall von einem DV-Halbwaisen vertreten wird. Das reicht gerade zur Aufrechterhaltung des Nötigst aus. In solchen Unternehmen ist wohl kaum jemand in der Lage, nach einem anstrengenden 8-bis-12-Stunden-Tag einem Anfänger Lernhilfe zu erteilen, vor allem dann nicht, wenn der oder die Anfänger absolute Laien sind. In mittleren Unternehmen steht es auch nicht viel besser, da mit der Größe der DV-Abteilung auch die Aufgabenvielfalt wächst. Es bleibt also nur der Hersteller selbst. Jeder namhafte Hersteller unterhält heute Schulungszentren, in denen der Anfänger gut aufgehoben wäre, wenn nur die Schulungsunterlagen wenigstens für Anfänger eindeutig wären.

Aber auch dort wimmelt es von DV-Fachchinesisch, fehlenden, zum Tag "X" unerläßlichen Lehrgangsunterlagen; von neuen Releases gar nicht erst zu sprechen. Die Lehrgange sind oft für Anfänger zu kurz, da sie die Firmen angeblich zu teuer kommen.

Die Geschäftsführung muß sich vor Augen halten, daß auf Lehrgängen nur Basiswissen vermittelt werden kann, die Praxis erfolgt in der eigenen DV-Abteilung. Um sich aber mit einem DV-Anfänger einigermaßen verständigen zu können, ist Basiswissen unerläßlich. Das sollten sich die DV-Manager endlich mal hinter die Ohren schreiben! Grundsätzlich ist nur ein informierter Mitarbeiter auch ein motivierter Mitarbeiter und somit wirtschaftlich.

Auch die Hersteller kommen nicht ungeschoren davon. Sie müssen endlich ihre Lehrgangs- und Benutzerhandbücher vom DV-Chinesisch befreien und alles ins Deutsche übersetzen, denn sonst tun sich selbst Abiturienten schwer. Die Hersteller müssen auch endlich damit aufhören, den Eindruck zu erwecken, die MDT und kleinere Anlagen liefen ohne Fachpersonal. Das führt zu unkalkulierbaren Kosten und damit zur Frustration seitens des Anwenders.

Fazit: Wirkliche DV-Anfänger sind fast immer in Großfirmen besser aufgehoben, was das Lernen anbetrifft. Ansonsten ist aller Anfang schwer und nicht einmal durch eigenes Verschulden.