Problem: GPL-Verletzungen

25.04.2005
Der Berliner Linux-Kernel-Entwickler Harald Welte verfolgt Verletzungen der General Public License (GPL). Mit ihm sprach CW-Redakteur Ludger Schmitz.

CW: Anlässlich der CeBIT haben Sie 13 Unternehmen schriftlich informiert, dass sie die GPL verletzen. Wie haben die reagiert?

Welte: Nur drei Firmen haben zugesagt, die Urheberrechtsverletzung zu beenden. Meine Mahnschreiben führen nur vereinzelt zum Erfolg, im Allgemeinen eher nicht. Das ist schade und für mich ein Beweis, dass man ohne juristischen Druck nicht ernst genommen wird. Ich würde den Firmen ja gerne die Abmahnungen und die Kosten von einstweiligen Verfügungen ersparen. Aber wenn ohne Anwalt keine Reaktion kommt, bleibt einem keine andere Wahl.

CW: Wann können Sie juristisch aktiv werden?

Welte: Nur dann, wenn ich selbst Rechte an dem Code habe. Das betrifft Teile des Linux-Kernels. Außerdem haben mir einige befreundete Entwickler ihre Rechte übertragen.

CW: Was dürfen Unternehmen mit Software unter der GPL machen - und was nicht?

Welte: Zunächst darf man alles mit solcher Software machen. Die Nutzung ist nicht eingeschränkt. Wenn man Software unter der GPL weiterverbreitet oder verändert beziehungsweise erweitert, also ein abgeleitetes Werk erstellt, dann muss diese Software unter Einhaltung der GPL-Lizenzbedingungen veröffentlicht werden. Oder man trifft Vereinbarungen mit den Autoren des betreffenden GPL-lizenzierten Programms. Solche Fälle gibt es tatsächlich. Aber beim Linux-Kernel ist das praktisch unmöglich, weil man die Beteiligten gar nicht alle ausfindig machen kann.

CW: Dann eignet sich GPL-Software aber kaum für das Business.

Welte: Das kann ich so nicht gelten lassen. Man bekommt einen ganzen Berg an Software unter der GPL lizenzkostenfrei. Man kann Produkte in einer Art und Weise schaffen, dass sie technisch nicht mit dem GPL-lizenzierten Teil integriert sind, sondern darauf aufsetzen. Dann lässt sich diese Eigenentwicklung vertreiben. Sonst müsste Oracle die Datenbank offen legen, weil sie auf dem Linux-Kernel läuft. Auch bei den Consumer-Netzwerk-Geräten, die in letzter Zeit häufiger wegen GPL-Verletzungen aufgefallen sind, ist es nach der Einigung mit mir so, dass der GPL-Code offen ist, aber sehr viele darauf aufsetzende Teile proprietär und nicht quelloffen sind. Das ist kein Problem. Die GPL von Linux dehnt sich nicht auf Anwendungsprogramme aus.

CW: Könnte es sein, dass Unternehmen aus Sorge vor GPL-Verletzungen und dann folgenden Abmahnungen durch Sie von Linux-Entwicklungen Abstand nehmen?

Welte: Ob es tatsächlich passiert, kann ich nicht beurteilen. Ich bin mir aber der Gefahr bewusst. Deswegen setzen wir auf Aufklärung. Auf unserer Homepage www.gpl-violations.org gibt es detaillierte Dokumente, unter anderem eine Vendor-FAQ, in der die gängigen Fragen beantwortet sind. Was ich mache, ist zweischneidig. Einerseits haben wir Software nicht umsonst unter der GPL lizenziert, sondern weil wir einen bestimmten Zweck damit verfolgen, nämlich sie zu verbreiten. Auf der anderen Seite möchte ich natürlich nicht damit die Leute verschrecken. Die Meldungen über meine Abmahnungen habe ich nicht verbreitet, um Angst zu schüren, sondern um öffentlichen Druck zu erzeugen, damit die Firmen sich an Lizenzbestimmungen halten.

CW: Droht Linux-Anwendern, die am Kernel Veränderungen vorgenommen haben, eine Gefahr?

Welte: Nein, nicht solange sie ihre Modifikationen nur intern verwenden. Nur der Vertrieb des Objektcodes ohne Angebot zur Quellcodeabgabe wäre ein Problem.

CW: Wo stellen Sie besonders viele Verletzungen der GPL fest?

Welte: Im Embedded-Bereich. Hier sind neben dem Server-Markt die Wachstumsraten von Linux enorm. Viele Embedded-Produkte werden von Firmen in Süd- und Südostasien gefertigt, wo man auf Urheberrecht nicht viel Wert legt.

CW: Häufig tauchen diese Geräte hier unter einem anderen, seriösen Markennamen wieder auf.

Welte: Genau. Ich halte mich dann an diesen Anbieter. Moralisch kann man ihm kaum einen Vorwurf machen, weil er ein Teil nur einkauft und verkauft. Man kann es ihm kaum zur Pflicht machen, die Firmware des Produkts detailliert zu untersuchen. Aber er ist rechtlich verantwortlich und müsste von seinem Zulieferer Regress verlangen. In der Realität aber wirkt eher wirtschaftlicher Druck. Denn wenn das hiesige Großunternehmen droht, keine Geräte mehr abzunehmen, bekommt der Lieferant Probleme.

CW: Die GPL ist in der Diskussion. Ist die Lizenz noch zeitgemäß?

Welte: Die Lizenz ist einfach alt; die jetzige zweite Version ist 1991 erschienen. Ich hatte Gelegenheit, mich mit Eben Moglen, der in der Free Software Foundation die Entwicklung der GPL 3 leitet, zu unterhalten. Es gibt einige Aspekte, die seinerzeit gepasst haben, aber heute nicht mehr. Beispielsweise hat man damals gar nicht an Embedded-Geräte gedacht. Daher existieren einige Punkte, die nicht abgedeckt sind und in denen man sich heute auf Interpretationen der Lizenz verlässt. Das ist natürlich wackeliger, als wenn es definiert wäre.

CW: Web-Services sind auch so ein Fall.

Welte: Das ist auch einer der Knackpunkte, der Application-Service-Provider betrifft. Die Meinungsbildung zu diesem Aspekt ist noch nicht abgeschlossen.

CW: Wie sollte eine GPL in Zukunft gestaltet sein?

Welte: Es wäre wünschenswert, wenn die GPL nicht so sehr das amerikanische Rechtssystem widerspiegeln, sondern internationalen Charakter bekommen würde. In diese Richtung scheint es auch zu gehen.

CW: Wie sieht die Zukunft Ihres Projekts aus?

Welte: Es gibt Überlegungen, das GPL Violation Project innerhalb der Free Software Foundation Europe (FSFE) zu organisieren. Es ist in der Tat notwendig, ein juristisches Dach zu bekommen. Ich kann die bisher recht erfolgreiche Verfolgung von GPL-Verletzungen auf Dauer nicht fortführen. Ich hoffe, dass wir bis Ende dieses Jahres zu einer Lösung kommen. Ansonsten wünsche ich mir, dass mehr Autoren den Schritt wagen, ihre Rechte durchzusetzen. An GPL-Verletzungen mangelt es nicht. u