Pro und Kontra New Economy

13.07.2001

Aufbruch in ein neues Zeitalter

Purzelnde Aktienkurse, Insolvenzanträge und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen prägen heute das Bild der New Economy. Häme und Spott ergießt sich gerne über deren bekannte Gesichter, oft verbunden mit der Feststellung, der Hype sei vorbei. Gemeint ist, wir machen weiter wie bisher. Das jedoch wird sich als fatale Fehleinschätzung der Lage herausstellen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch die New Economy ist an die Grundregeln der Betriebs- und Volkswirtschaft gebunden. Wer aber - ob Mittelständler oder gar Großunternehmen - glaubt, jetzt könne man wieder zur Tagesordnung übergehen, irrt. Mit der Gemächlichkeit ist es endgültig vorbei. Das Internet zwingt alle Spieler zur permanenten Präsenz rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr.

Die großen Unternehmen in Deutschland haben sich diese Erkenntnisse der New Economy bereits zu Eigen gemacht. Die 30 Dax-Unternehmen investieren in diesem Jahr 17 Milliarden Mark, um ein E-Business zu werden. Allein bei Siemens, geradezu die Inkarnation der Old Economy, sind es eine Milliarde Mark.

Kritiker verweisen gerne auf die schleppenden Umsätze im E-Commerce. Ja, der Business-to-Consumer-Markt stottert - noch. Mehr als 90 Prozent des E-Business finden aber zwischen Unternehmen statt. Waren- und Wertschöpfungsketten werden auf die Grundlage des Internet gestellt. Neue Geschäftsmodelle bewirken eine Machtverschiebung zum Käufer. Kurz: Kommst Du nicht ins Internet, kommt das Internet zu Dir und raubt Dir Deine Kunden, Zulieferer und Geschäftspartner.

Diese Entwicklung ist irreversibel und vollzieht sich mit einer großen Geschwindigkeit. Nicht neue Rechner, sondern neue Unternehmensstrategien sind erforderlich, um in diesem Wettbewerb zu bestehen. Die E-Business-Transformation ist schon deshalb eine Sache für den Vorstandstisch und die Geschäftsführerkonferenz und nicht nur für den CIO.

Von Erwin Staudt, IBM Deutschland GmbH

Rückkehr zur Normalität

Daran haben wir alle glauben müssen: erhofftes Geschäftsvolumen statt Profit, Marke und Image statt Leistung, Investoren vor Kunden, Wachstum ohne Konjunktureinbruch. Die so definierte Neue Ökonomie hat das Jahr 2000, das Jahr der fundamentalen Wahrheiten, nicht überstanden. Nach Einsicht in unsere Irrtümer sind wir zur Normalität guten Wirtschaftens zurückgekehrt.

Der technische Fortschritt gibt uns gleichwohl die Werkzeuge an die Hand, erheblich effizienter und effektiver zu arbeiten. Wir können die Transaktionskosten senken, die günstigsten Zulieferer identifizieren, Kundenbeziehungen pflegen und schließlich neue Geschäfte anbahnen. Das Ziel heißt: mehr Nutzen für den Kunden zu geringeren Kosten.

So wird unternehmerisches Handeln aber schon seit Schumpeter beschrieben. Eine Neue neue Ökonomie (New new Economy), eine Wahre Ökonomie (True Economy) oder eine Nächste Ökonomie (Next Economy) ist dies kaum. Aber Etiketten gehören ja zum gängigen Marketing-Instrumentarium.

Die Tücke des Objekts Internet lag und liegt in seiner niedrigen Eintrittsschwelle. Und in der allen Netzen eigenen Charakteristik, dass der Nutzen exponentiell mit der Zahl der Teilnehmer steigt. Damit war das Wettrennen gestartet, für die Jungen, die Gründer, die die Chance ihres Lebens ergreifen wollten. Allerdings hätte es kaum überraschen dürfen, dass der Otto-Versand, die Deutsche Bank, VW oder Daimler schon über Kunden, über Marken und Geld verfügten, also über alles, was die Jungen erst erobern mussten.

Jetzt gewinnen nur einige wenige aufgeweckte Junge und viele aufgewachte Alte. Die Träume, zuerst reich zu werden und dann Geschäfte zu machen, sind geplatzt. Normalität ist, dass Reichtum zu denen kommen wird, die Leistung bringen. Angesichts dieser gewiss nicht neuen Erkenntnis gab es keine Neue Ökonomie, es wird auch keine Neue neue Ökonomie geben. Belohnt werden nach wie vor die, die ihren Kunden dienen.

Von Dr. Gerhard Adler, Diebold Deutschland GmbH