Pro und contra "Informations-Management": "Wir brauchen DV Handwerker, keine Informatik-Spinner"

26.02.1988

Über die Funktion des sogenannten Informations-Managers und über seine Stellung in der Unternehmens-Hierarchie haben sich die Datenverarbeiter zerstritten. Weil die traditionellen Org./DV-Chefs aus einem falschen Technik-Verständnis heraus "arrogant" gegenüber den Benutzern seien, so die eine Position, hätten sie sich ins Abseits manövriert. Vor allem auf dem wichtigen Gebiet der strategischen Unternehmensplanung (Stichwort: Informationstechnik als Wettbewerbsfaktor), heißt es in der Analyse anderer Kritiker, seien die DV-Spezialisten ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht geworden. CW-Kolumnist Dieter Eckbauer fühlt sich an die Zeiten der

Operations-Research- und MlS-Euphorie erinnert (siehe Kasten): Clevere Management-Berater verbreiten vermeintliche Patentrezepte, in Seminaren wird viel theoretisches Stroh gedroschen. Dabei kommt es, so das CW-Fazit, im " Informatik-Management" nach wie vor auf gediegenes Spezialisten-Know-how an - w i e die Topmanager dann mit der Information umgehen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wer den Zuschlag bekommt (Wettbewerbsfaktor!), entscheiden die Marktteilnehmer, deren Absichten kaum berechenbar sind. Zum Thema "höheres" Informations-Management äußern sich zwei Berater und fünf Praktiker.

Ragnar Nilsson

Leiter Zentralbereich Org./DV und Controlling Kunststoff und Metall,

Gerresheimer Glas AG Düsseldorf

Das Informationstechnik-Management befaßt sich ausschließlich mit der Technik und sorgt für die Aufbereitung und Verarbeitung der Daten und Informationen. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um die grundlegende Aufgabe, die ein Org./DV-Chef bewältigen muß. Daß er dieses Handwerkszeug wirtschaftlich effizient und technologisch vernünftig beherrscht, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Allerdings hat vor allem dieses Tagesgeschäft dem DV-Leiter häufig den nicht sehr schmeichelhaften Beinamen "Bit- und Byte Fummler" eingebracht. Diese Art des Informationstechnik-Managements führte in der Vergangenheit aber auch dazu, daß hinauf bis zum Vorstand wenig Verständnis für die eigentlichen Aufgaben des Org./DV-Bereiches vorhanden war. Die DV-Chefs verwirrten ihre Vorgesetzten mit technischen Fremdwörtern und begründeten ihre Investitionsanträge mit dem Motto: Das benötigt die DV eben.

Das heutige Informations-Management dagegen ist vor allem für die Integration der Informationsverarbeitung in die Unternehmensphilosophie verantwortlich. Dieses Management liegt nach wie vor in den Händen des Org./DV-Chefs und nicht bei den Topmanagern. Die Vorstandsmitglieder wissen in der Regel, welche Informationen sie für ihr Tagesgeschäft benötigen. Der Informations-Manager dagegen muß dafür sorgen, daß die Informationsverarbeitung als strategische Waffe in die Unternehmensstrategie integriert werden kann. Um hier wirklich Erfolg haben zu können, sollte er in der Unternehmens-Hierarchie auf einem hohen Level angesiedelt sein. Nur so kann der DV-Verantwortliche an entscheidender Stelle die Informationen in strategische Elemente umsetzen. Fazit: Aus dem Informationstechnik-Manager muß künftig der Informations-Manager werden. Schafft er diesen Schritt nicht bleibt er auf der Strecke.

Hermann Josef Hoss

Stellvertretendes Vorstandsmitglied der Gerling-Konzern Zentrale

Verwaltungs AG, Köln

Die seit Jahren in dieser Diskussion verwendeten Begriffe Datenverarbeitung, Informationsverarbeitung oder ähnliche halte ich inklusive der dahinterstehenden Denkansätze für zu eng ausgelegt. Richtig ist, im Rahmen solcher Überlegungen ausschließlich von "Organisation (betriebswirtschaftlich) und Datenverarbeitung" zu sprechen. So wird man vor Fehlinterpretationen und Fehleinschätzungen bewahrt.

"Organisation und Datenverarbeitung" sind aufgrund der betriebswirtschaftlichen und technischen Entwicklung in den Unternehmen heute mit Sicherheit zu ebenso wesentlichen Unternehmensfunktionen geworden, wie es zum Beispiel Marketing/Vertrieb oder Fertigung schon unstrittig bisher waren.

In Anerkennung der arbeitsteiligen Welt und der daraus folgenden speziellen Aufgabenzuordnung (Kompetenz und Verantwortung) ist der Geschäftsverteilungsplan in der Unternehmensführung entsprechend auszulegen. Unternehmenserfolg und Zukunftssicherung eines Unternehmens können nur dann gewährleistet werden, wenn alle geschäftsrelevanten Disziplinen die Geschäftspolitik/-philosophie uneingeschränkt sicherstellen beziehungsweise flankieren.

Wenn man diesem ordungspolitischen Gedanken so folgt, dann ist daraus zweifelsfrei abzuleiten, daß der Manager für "Organisation und Datenverarbeitung" (ähnliche Begriffspaare mit gleichem Inhalt sind zulässig) ein Mitglied des Vorstandes respektive der Geschäftsführung sein muß. Versicherungen und Banken haben dies begriffen. Die Industrie hinkt hier noch aus unerfindlichen Gründen nach.

Informations-Chaos muß vermieden werden

Bei dieser Art der Unternehmensstruktur werden die häufig beschriebenen Irrwege erst gar nicht beschritten. Vielmehr wird dann aus "Organisation und Datenverarbeitung" ein strategisches Instrument, das den Rohstoff Information als unternehmensgestaltendes und produktförderndes Element und nicht nur ausschließlich zur Rationalisierung einsetzt. Für "Organisation und Datenverarbeitung" zuständige Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer werden sich also nicht mit Bits und Bytes befassen müssen. Hierzu beschäftigen sie in ihren Ressorts entsprechende Fachleute. Gemeinsam vermeiden sie ein Informations-Chaos oder ein Informations-Patt. Sie bewahren uns vor dem Informations-Müll, an dem wir sonst zu ersticken drohen.

Wolfgang Koppmeyer

Org./.DV-Letter, Lörrach

Der Kern der Aussage ist richtig. Wir brauchen für unsere Unternehmen keinen Super-Informatiker (keinen freischwebenden IV-Futurologen), der alles besser kann und die Fähigkeit besitzt, Wunder zu wirken. Einen solchen Personenkreis gibt es nicht. Ihm auszubilden, aufzubauen und erfolgreich einzusetzen, wäre eine Sisyphus-Arbeit, die das Kräftepotential der Ausbildungsstätten, der Unternehmen und der Fachbereiche bei weitem übersteigen würde.

Den Ansatz, einen Informatikmanager in den Sessel der Geschäftsführung zu setzen, sehe ich unter anderen Aspekten, als die, die heftig diskutiert werden. Heute wird in den Unternehmen der Bereich Organisation /DV eingesetzt, um Projekte der Gemeinkosten-Wertanalyse zu realisieren und Aufgaben der Fachbereiche zu erledigen, die am eindringlichsten ihre Wünsche darstellen können.

Es bleibt keine Zeit, strategische Informatik-Konzepte für das Unternehmen und damit für die Informationsbedarfs-Analyse, die einfachere, effizientere Abwicklung der Anwendungen, die Einbindung der neuen Systeme, die DV-Personalbeschaffung und deren Ausbildung sowie die Kosten und damit die DV-Effizienz zu schaffen.

Die Forderung der Unternehmensleitung war jahrelang auf Kosteneinsparung - als Sachzwang - gerichtet. Jeder DV/Org.-Leiter hat sich danach ausgerichtet, wurde geprägt und hat dabei die wesentlicheren Problemkreise unberücksichtigt gelassen. Jetzt stehen wir vor schwer zusammenfügbaren Insellösungen (auch Scherbenhaufen genannt!). Den gestellten Forderungen ist nur entsprochen worden. Es geht aber darum, auf neue Zielprojektionen einzuschwenken. Dazu benötigt man den neuen Typus eines Managers.

Der heutige Org./DV-Leiter kennt noch zu wenig die neuen Anforderungen. Eine neue Art von Kreativität und Risikobereitschaft im Zusammenhang mit strategischen DV-Informationsplanungen ist gefragt. Um die neuen Herausforderungen erfüllen zu können, müssen Aufgabe, Kompetenz, Verantwortung und Kontrolle zusammengefaßt werden - Anforderungen, die bisher in anderen Händen lagen. Deshalb: Dort, wo die neue Herausforderung ernst genommen wird, muß der Informations-Manager in das oberste Unternehmensgremium aufsteigen.

Günther Fischer

Unternehmensberater für EDV und Direktmarketing, Laudenbach

Es stimmt schon, daß Über-Informationen dem Manager den Blick auf das Wesentliche eher verbauen und daß der wahre Topmanager sich durch richtige Entscheidungen trotz ungesicherter Informationslage auszeichnet. Aber durch richtiges Informations-Management werden Garbage-Informationen ausgesiebt und Situationen der unsicheren Information soweit wie möglich vermieden. Je weiter sich das Informations-Management entwickelt, desto seltener werden die Anlässe, in denen der Entscheider schwimmt und nach Intuition urteilen muß. Und gerade diese Fortentwicklung des Informations-Managements ist die Domäne des in der Geschäftsleitung angesiedelten Informations-Managers.

Daß es diesen Fortschritt gibt, habe ich selbst bei vielen Kunden beobachten können: Gerade im Marketing sind wir heute auf immer genauere (und auch zahlreichere) Informationen angewiesen, wenn wir die Wahrscheinlichkeit von kostspieligen Flops verringern wollen.

Ein Informationstechniker wird den vielfältigen betriebswirtschaftlichen sowie unternehmenspolitischen Anforderungen des Informations-Managements und seiner Fortentwicklung nicht immer entsprechen können oder auch wollen. Aber er wird dem Informations-Manager von seinem Fachgebiet her zuarbeiten müssen, denn der ist weniger Techniker, aber mehr Kommunikator und auf den Input seiner Spezialisten angewiesen.

Norbert Heinemann

Kommunales Gebietsrechenzentrum Starkenburg, Darmstadt

Die Aussage "Im Mittelpunkt steht der kreative, zur Improvisation fähige und entscheidungsfreudige Mensch - Informationstechnik ist wichtig, aber letztlich doch nur ein Werkzeug" kann aus der Sicht eines Dienstleistungsrechenzentrums, wie es das Kommunale Gebietsrechenzentrum, Starkenburg (KGRZ) ist, nur eindringlich unterstützt werden. In der Tat bleibt in unserem Tätigkeitsfeld kein Platz für Futurologen welcher Strömung auch immer. Wir benötigen als Mitarbeiter keine abgehobenen Wolkenspringer, sondern Praktiker, die in der Lage sind, moderne Technologien in unser Aufgabenprofil umzusetzen.

Konkret heißt das, daß Informations-Managing in einem öffentlichen Rechenzentrum mit Dienstleistungsverpflichtung für rund eine Million Bürger zwei wesentliche Ziele hat:

- Beobachtung aller neuer Entwicklungen im System- und anwendungstechnischen Bereich und, soweit wirtschaftlich sinnvoll, Einbindung in das Servicekonzept des KGRZ.

- Schulung der Anwender in Hinblick auf diese neuen Entwicklungen und Werbung für neue Einsatztechniken, hier insbesondere der PC-Einsatz, LAN, Bildschirmtext und Teletex sowie die weiteren Nutzungsformen der Datenfernverarbeitung, wie zum Beispiel "Juris".

Ein möglichst weitgehender Einsatz von Informationstechnik in einem Rechenzentrum, das seinen Kunden eine moderne Dienstleistung anbieten will, ist eine Selbstverständlichkeit. Insoweit ist es sehr wichtig, daß es in unserem Hause eine Position gibt, die für die Erarbeitung von Vorschlägen in diesem Bereich verantwortlich ist. Im Grunde sind aber alle leitenden Mitarbeiter des Gebietsrechenzentrums Starkenburg in diesem Sinne Informations-Manager. Es ist heute mehr denn je wichtig, sowohl den Entscheidungsträgern als auch den Sachbearbeitern beim Kunden alle notwendigen Informationen in einer praxisnahen Art und Weise zu vermitteln. Das erfordert aber auch, daß die Sprache des Kunden gesprochen wird.

Der Sachbearbeiter soll erkennen daß die Informationstechnik für ihn ein Hilfsmittel darstellt, dessen er sich bedient, um seine Dienstleistung dem Bürger gegenüber zu verbessern. Es wäre gewiß fatal, wenn ein Sachbearbeiter sich durch die Informations- und Kommunikationstechnik unterdrückt oder gar versklavt fühlen würde. Die Möglichkeiten dieser Techniken sind viel zu wertvoll, als daß sie durch Nachlässigkeit oder Unterlassungen in bezug auf die Bewußtseinsbildung beim Anwender gefährdet werden dürfen.

Ziel muß somit sein, das Fachwissen und die Kreativität der sachbearbeitenden Menschen zu einer nützlichen Symbiose mit den ausgezeichneten Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik zu bringen, ohne den Boden der Realität der Tagesarbeit zu verlassen.

Hierin liegen die heutigen - und noch mehr die zukünftigen - Aufgaben einer Funktion, wie sie derzeit strittig als Informations-Managing bezeichnet wird.

Paul Blaschke

Leiter der zentralen Organisation Nestle Deutschland AG, Frankfurt

Stimmen, die vor einer Mißinterpretation des Begriffes Informations-Management warnen, sind in der Noch-Euphorie besonders nötig als Gegengewicht. Der Hang zur Gläubigkeit führt sonst mehr ins Abseits, als die Sache es verdient. Endlich, könnte man sonst meinen, ist das Rezept für den zwanghaften Erfolg von Unternehmen gefunden: Man ernenne einen Informations-Manager, nehme eine möglichst große Portion Informatik und alle Probleme sind bewältigt.

So wird es nicht sein. Es wäre nicht zu ertragen, wenn es "keine Ausrede mehr gäbe, außer: Die Informatik ist schuld. Bisher hat jedenfalls kein erfolgreiches Unternehmen lediglich auf eine Karte gesetzt: nicht auf n u r Marketing oder n u r Technik. Der ausgewogene Mix der Funktionen und natürlich der Menschen als Funktionsträger macht es. Und das wird auch so bleiben.

Insofern wird die Kunst darin bestehen, der Informatik im Unternehmen den gebührenden Stellenwert einzuräumen, neben den anderen bereits etablierten Funktionalbereichen wie Marketing/Vertrieb, Technik/Produktion, Personal, Betriebswirtschaft.

In der Vergangenheit war verständlicherweise die Lochkartenabteilung beziehungsweise später die EDV ein fünftes Rad am Wagen, und auch so, nämlich als Anhängsel, bei einem Geschäftsführungsmitglied im obersten Management vertreten. Das darf nicht so bleiben, wenn auch nur der realistische Teil der Erwartungen an die Informatik, als strategische Erfolgs-Komponente, erfüllt werden soll.

Es müssen also zwei Dinge geschehen: Die Informatik und deren engeres Fachmanagement, sprich: Org./ DV-Leitung, müssen aufgewertet werden. Außerdem muß die Repräsentanz dieses Funktionalbereiches in der obersten Unternehmensleitung problemadäquat verankert werden, wie die anderen Bereiche. Damit ist nicht unbedingt die Forderung nach einem eigenem Sitz in der Geschäftsleitung verbunden, jedoch die genügende Vertretung sowohl mit Fach- als auch Machtkompetenz.

Nur so ist zu gewährleisten, daß die Informatik nicht überfordert wird .Sie darf weder zum Nabel des Unternehmens gemacht werden noch zum Prügelknaben. Manager und Management sind auf mehreren Ebenen und für alle Funktionen zu sehen. Beispiel: Produkt-, Produktgruppen-, Marketingmanager. Das gilt auch für die Informatik. Die Funktions-Titulierung ist aber eigentlich unwichtig, wenn in Struktur und Sache das "Richtige" geschieht.

Was das im jeweiligen Unternehmen ist, kann nicht die Informatik - auch nicht mit künstlicher Intelligenz - besorgen, da es sich um "nichts Konkretes " handelt.

Das oberste Management ist also weiter gefordert - hier und bei anderem. Entscheidungsqualitäten sind weiter gefragt, trotz Informatik und deren Produkten, sprich: Informationen. Ich meine, das ist für die Sache und alle Beteiligten beruhigend.

BCB Bertelsmann Computer Beratungsdienst GmbH. Hamburg

Zu der genannten Problematik des "höheren" Informationsmanagements teile ich die Auffassung, daß der strategische Aspekt falsch interpretiert werden kann. Das Problem ist nur daß das Topmanagement eines jeden Unternehmens praktisch täglich mit Problemen aus der Datenverarbeitung konfrontiert wird . Dazu kommt noch, daß mit der Verbreitung der Home- und Personal Computer plötzlich sehr viele Fachleute existieren sollen. Dabei wird oft übersehen, daß derjenige, der ein Werkzeug, wie zum Beispiel Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder ein Desktop-Publishing-Paket bedienen kann, noch lange kein DV-Fachmann ist. Selbst derjenige aber, der mit Werkzeugen gut umgehen kann muß nicht unbedingt von Methoden etwas verstehen.

Wichtig jedoch ist, daß die Spezialisten methodisch vorgehen und ihr Wïssen, ihre Werkzeuge im Sinne der Unternehmensinteressen einsetzen. Daran fehlt es aber überall. Kein Manager weiß, was er von den sogenannten Informatikern fordern kann und fordern soll. In den meisten Rechenzentren wird immer noch völlig unmethodisch gearbeitet. Es fehlen die elementaren Bedingungen zu einer vernünftigen Datenverarbeitung, und in so einer Situation finde ich es lächerlich, über Informationsmanagement auf Vorstandsebene zu sprechen. Wir brauchen eher vernünftig denkende, diszipliniert arbeitende Handwerker als Künstler und Informatikspinner.

Das Topmanagement braucht generell Informationen an der richtigen Stelle, in der richtigen Menge und Zusammensetzung, einfach, verständlich und transparent. Um dies zu gewährleisten, müßten aber die Datenverarbeiter und Rechentechniker zunächst einmal die schon lange existierenden Methoden und Werkzeuge anwenden.