Pro eigene Anlage: "Die Hardware war zweitrangig"

27.06.1980

Mit Alois Kerschbaum, Steuerberater in Zwiesel, sprach CW-Mitarbeiter Ulf Bauernfeind

Viele stellten sich "die Sache" wesentlich komplizierter vor, als sie sei. So begründet der Zwieseler Steuerberater Alois Kerschbaum die Scheu seiner Berufskollegen vor der "eigenen" DV-Lösung. Kerschbaum hat sich vor vier Jahren von der Datev abgenabelt. Er setzt die Steuerberaterprogramme des Softwarehauses Schleupen auf einem Dialogsystem von MAI ein. CW-Mitarbeiter Ulf Bauernfeind sprach mit Kerschbaum anläßlich der Steuerberater-Anwendertagung des Softwarehauses Schleupen, die kürzlich in Frankenthal stattfand (CW-Nr. 24 vom 13. Juni 1980, Seite 11).

-Herr Kerschbaum, Sie haben acht Jahre lang Ihre Daten von der Datev auswerten lassen. Seit über vier Jahren arbeiten Sie nun mit einem hauseigenen DV-System. Haben Sie den Umstieg nie bereut?

Nein.

- Wo liegen für Sie die Vorteile eines hauseigenen DV-Systems gegenüber der externen Lösung?

An erster Stelle möchte ich die größere Flexibilität in der Gestaltung von Buchhaltungen, Bilanzen und betriebswirtschaftlichen Auswertungen nennen. Im Bilanzdialog und bei Lohnabrechnungen kann ich mich sofort über den Stand informieren. Dadurch ist eine gezieltere Beratung der Mandanten möglich. Ich kann meine Kunden kurzfristig und "außer der Reihe" mit Daten versorgen. Bei meinen Auswertungen bin ich an keine Postleitung gebunden.

- Welche Nachteile hat die hauseigene Lösung?

Keine. Ich schalte die Anlage morgens ein und sie läuft den ganzen Tag problemlos. Es ist die einfachste Form der elektronischen Datenverarbeitung, die ich mir vorstellen kann.

- Wie sieht es denn mit dem Handling des Systems aus?

Unsere Anlage arbeitet weitgehend operatorlos. Bedenken Sie außerdem, daß ich auch bei externer DV nicht ohne Handling von DV-Apparaturen auskäme. Um den gleichen Verarbeitungskomfort wie bei der hauseigenen Lösung etwa beim Bilanzdialog zu erreichen, müßte ich bei der Größe meiner Kanzlei mindestens vier intelligente Terminals einsetzen. Damit wäre die gleiche "Handling"-Problematik gegeben.

- Wenn die Vorteile einer autonomen DV-Lösung für Steuerberater so gravierend sind, warum setzen dann aus Ihrer Sicht erst so relativ wenige Ihrer Kollegen einen eigenen Computer ein?

Da ist einmal die Angst, mit einem eigenen System nicht klar zu kommen. Viele Steuerberater stellen sich die Sache wesentlich komplizierter vor, als sie ist. Dann erkennen viele den Nutzen einer solchen DV-Lösung nicht richtig. Natürlich spielen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle. Die Kosten-/Nutzenschwelle liegt für ein kleines System bei etwa 300 000 Mark Jahresumsatz und für ein komfortableres, wie das meinige bei etwa 800 000 Mark.

- Glauben Sie, Ihre EDV-Anlage optimal zu nutzen?

Ja, von Anfang an. Voraussetzung hierfür ist eine gute Büroorganisation. Und die war bei mir vorhanden. Mit den DV-Problemen habe ich mich vor Anschaffung des Systems auseinandergesetzt und hatte sie deshalb gleich im Griff.

- Sie haben eine MAI-Anlage. Die Software dagegen wurde von einem Softwarehaus geliefert. Gibt es Probleme mit zwei verschiedenen Partnern?

Nein.

- Sie haben sowohl einen Hardware-, als auch einen Software-Wartungsvertrag. An wen wenden Sie sich nun, wenn Sie nicht lokalisieren können, ob es sich bei einer Störung um einen Hard- oder Software-Fehler handelt?

An das Softwarehaus. Dieses veranlaßt gegebenenfalls den Besuch eines Technikers.

- Sehen Sie nicht eine Gefahr, daß Sie eines Tages ohne Softwarepartner dastehen könnten?

Nein. In irgendeiner Form muß der Hardwarepartner aus "Eigennutz" dafür sorgen, daß die Softwarebetreuung sichergestellt ist.

- Sie haben auch einen Software-Wartungsvertrag. Welche Vorteile bringt er Ihnen?

Ich kann und will mich nicht mit der Programmpflege beschäftigen. Außerdem möchte ich an Weiterentwicklungen partizipieren.

- Sind Sie mit der Softwarebetreuung zufrieden?

Ja.

- Und bei der Hardware? Bei der letzten MAI-Anwenderversammlung in Frankenthal wurde verschiedentlich der technische Kundendienst kritisiert.

Ich persönlich kann mich da nicht beschweren. Auch der Service-Techniker läßt nicht über Gebühr auf sich warten.

- Es gibt auch schlüsselfertige Lösungen für Steuerberater "aus einer Hand". Warum haben Sie sich trotzdem für diese Zweierkombination "Hardware-Lieferant-Softwarehaus" entschieden?

Zumindest als ich umsteigen wollte, waren die anderen mit ihren Programmen noch nicht so weit. Im Übrigen habe ich eine Problemlösung gekauft, die dafür erforderliche Hardware war für mich zweitrangig.

- Nach der Meinung von Software-Experten sollten Standardprogramme möglichst unverändert eingesetzt werden. Individuelle Abweichungen erschwerten die zentrale Programmpflege. Da Sie eingangs die große Flexibilität in der Bilanzgestaltung etc.

hervorgehoben haben - sind Standardlösungen kein Hemmschuh?

Nein denn meine Standardlösungen können über Parameter vom Anwender "individualisiert" werden.

- Was gefällt Ihnen nicht an Ihren Standardprogrammen?

Die Programme sollten mehr auf die Möglichkeiten des einzelnen Betriebssystem ausgerichtet sein.

- Wie ist das zu verstehen?

Es gibt inzwischen drei Generationen von Anlagen dieses Herstellers mit verschiedenen Architekturen und unterschiedlichen Betriebssystemen. Ich habe mit BB 3 das am weitesten fortentwickelte Operating-System. Und die Programme sollten ganz auf die Möglichkeiten meiner Anlage abgestimmt sein.

- Lassen Sie mich zum Schluß dieses "Kapitels" noch ein Softwareproblem ansprechen. Was tun Sie, wenn Sie einmalige Auswertungen brauchen?

Mit einer Art Minisprache kann ich meine Wünsche definieren. Alle erdenklichen Auswertungsmöglichkeiten sind im Programm enthalten. Ich treffe deshalb lediglich eine Menü-Auswahl.

- Brauchen Sie dazu Programmier-Kenntnisse?

Nein. Es ist lediglich eine Einweisung erforderlich, die ein Steuerberater schnell kapieren sollte.

- Sie haben soeben eine zweitägige Anwendertagung besucht. Hat sich die fast 500 Kilometer lange Reise nach Frankenthal für Sie gelohnt?

Ja. Ich bin gekommen, um mich über neue Programme etc. zu informieren. Die gewünschten Informationen habe ich bekommen.

- Einer Ihrer Kollegen hat vorgeschlagen, eine Art institutionalisierte Interessengemeinschaft der inzwischen rund 200 Anwender dieser Steuerberater-Programme zu gründen, um die Interessen der Anwender gegenüber dem Hardware-Lieferanten und dem Softwarehaus besser durchsetzen zu können. Halten Sie dieses Vorhaben für "machbar" ?

Nein, für mich sind 200 Steuerberater, oder auch, nur eine größere Zahl von Ihnen, nicht unter einen Hut zu bringen.

- Nehmen wir einmal an, die Sache wurde trotzdem "steigen". Was wären dann Ihre Wünsche?

Man könnte versuchen, Preisnachlässe, bei einer Aufstockung der Konfiguration oder bei einem Systemwechsel (beispielsweise von einer Anlage mit BB 1 auf eine solche mit BB 3) zu erzielen. Auch wäre es denkbar, daß sich MAI unter dem "geballten" Anwenderdruck entschließt, auch Mixed-Hardware zu warten. Ich denke da an fremde Bildschirmterminals, die zum Teil wesentlich billiger als die Original-Produkte sind.

- In der Anwenderversammlung wurde auch diskutiert, einen eigenen technischen Kundendienst aufzuziehen, wenn die Hersteller-Wartung zu teuer, beziehungsweise nicht leistungsfähig genug ist. Was halten Sie von dieser Idee?

Sie ist nicht durchführbar, sowohl vom Wartungs-Know-how, der Personalfrage als auch von der erforderlichen Kundendienststellendichte her.

- Wie kommt es, daß Sie - was die Wartung betrifft - offenbar besser betreut werden als manche Ihrer Kollegen?

Ich habe nicht den Einheitsvertrag unterschrieben. Mein Vertrag enthält unter anderem einen Passus, daß die Kosten eines mehr als 24stündigen Stillstandes meiner Anlage voll zu Lasten des Herstellers gehen. Ich kann Kollegen nur empfehlen, hier bei der Vertragsgestaltung einen gewiß vorhandenen Verhandlungsspielraum auszunutzen.

- Wie sieht es bei Ihnen mit der vorbeugenden Wartung aus?

Ich klemme mich eben an das Telefon und bin dahinter her, daß der Service-Techniker kommt. Sollte das einmal nicht der Fall sein, zahle ich auch nicht.

- Noch ein Wort zu den Kosten: Ist es teurer, einen "besonderen Geschmack", sprich eine eigene Anlage zu haben, als mit einem externen Rechenzentrum zusammenzuarbeiten?

Die Kosten eines eigenen Computers sind zumindest nicht höher, als die der Außer-Haus-Alternative, wenn man voll auf der Dialog-KIaviatur spielen kann. Und das ist heute erforderlich, wenn die eigene Kanzlei wettbewerbsfähig bleiben soll.