Privatisierung soll bis Sommer 1995 abgeschlossen sein Die Informatiker der Treuhand muessen bald eigene Wege gehen

07.10.1994

BERLIN (ms) - Ende des Jahres wird die Treuhandanstalt aufgeloest. Als Nachfolger des etwa 4500 Mitarbeiter zaehlenden Kurators sollen ausgegruendete und eigenstaendige Firmen alle noch verbleibenden Dienste uebernehmen. Unter dem Namen Disos GmbH wird ab Oktober 1994 auch das 200koepfige DV-Team in die Selbstaendigkeit entlassen.

Was lange im Gespraech war, ist jetzt amtlich: Nach vier Jahren Taetigkeit wird die Treuhandanstalt zum Jahreswechsel ihre bisherige Taetigkeit einstellen. Bundesfinanzminister Theo Waigel zufolge soll es fuer die Nachfolgeunternehmen jedoch "in den naechsten Jahren ein breites Aufgabenspektrum geben". Auch das DV- Direktorat der Anstalt wird privatisiert. Unter dem Namen Datenverarbeitungssysteme, Organisation und Service GmbH - kurz Disos - sollen die bis dato fuer den Vermoegensverwalter geleisteten DV-Dienste nun einem groesseren Kundenkreis angeboten werden.

Fuer den Geschaeftsfuehrer des Firmenneulings, Manfred Koebler, war diese Entscheidung "eine zwingende Massnahme". Da die vier Treuhandnachfolger, Bundesanstalt fuer vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS), Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG), Liegenschaftsgesellschaft mbH (TLG) und die Beteiligungs- Management-Gesellschaft (BMG) von der Disos bedient werden, seien die Auftragsbuecher mittelfristig gefuellt. Doch auf laengere Sicht reiche dieser Kundenkreis nicht aus.

Als der ehemalige IBM-Mann 1990 in der damaligen Treuhand-Zentrale am Alexanderplatz eintraf, stand er vor einem rechentechnischen Nichts. Weder Personal noch Computer und Telefone habe es gegeben, resuemiert er. Nach dem Sammeln von Daten und dem Aufbau der Infrastruktur fuer die fuenfzehn Niederlassungen in den neuen Laendern wurde Anfang 1991 die erste Datenbank erstellt: Ein "mit Loechern versehener Rohentwurf", der erst im Laufe der Zeit zu einem vollstaendigen Informationspool wurde.

Das gleiche galt fuer die Ausstattung des RZs, die anfangs eher bescheiden war. Der Maschinenpark des 200koepfigen Teams hat sich mit der Zeit gemausert: Ueber eine IBM 9021 (215 Mips) mit 400 GB Speicherkapazitaet, drei AS/400, sechs RS/6000 sowie 61 vernetzte 486-Server werden etwa 3300 PCs und 2000 Drucker betreut.

"Unsere Mitarbeiter haben in den vergangenen vier Jahren eine DV- Kultur aufgebaut, die keine Eintagsfliege ist." Von der PC- Vernetzung ueber die riesigen Datenbanken - im RZ der DV-Abteilung sind unter anderem ueber fuenf Millionen Flurstuecke, 13000 Firmen sowie 40000 Vertraege gespeichert - bis hin zu Client-Server- Anwendungen "koennen wir alles anbieten", erklaert der Geschaeftsfuehrer.

Stolz sind die Disos-Mitarbeiter vor allem auf die 200 selbst entwickelten Softwareloesungen, darunter ihre "Wuerfelidee auf Gupta-Basis": Mit dem siebendimensionalen Datenmodell fuer das Vertrags-Management, erklaert Managerin Claudia Keusch, koenne der Anwender die auf einem Host gespeicherten physischen Kennzifferntabellen nach Kaeufergruppe, Region, Kostenstelle, Zeit, Land und aehnlichem auch ohne Hilfe eines DV-Insiders nutzen und je nach Wunsch fuer sein spezielles Controlling mischen. Wenn das System auch fuer die Belange der Treuhand ausgelegt worden ist, kann es nach Aussage der Managerin in abgespeckter Form doch auch von anderen Immobilienfirmen genutzt werden.

Mit der Ausgruendung aus der Treuhand erfolgt fuer die DV- Spezialisten im Oktober dieses Jahres der Schritt in die Selbstaendigkeit. Allerdings wird von Januar 1995 bis Mitte des Jahres noch die BVS ihre schuetzende Hand ueber das DV-Team halten. Erst im Sommer soll die Privatisierung komplett vollzogen werden.