Siemens-Tochter Vascom als Beispiel für VAS-Angebote

Private Service-Alternative: Weltweite Verbindung zu jedem gewünschten Partner

23.12.1988

Friedrich Hahn ist Mitarbeiter der Vascom GmbH, München, Dr.-lng. Kornel Terplan ist als selbständiger Unternehmensberater in München tätig.

Der Beitrag ist die leicht überarbeitete Version eines Artikels, der in der Siemens-Zeitschrift "telcom report" 11 (1988) Heft 5, Seite 179 - 181 abgedruckt ist.

Schneller Informationsaustausch und leistungsfähige Telekommunikationsdienste sind in jedem Unternehmen vor allem angesichts international zusammenwachsender Märkte strategisch immer wichtiger. Dabei wird die Wirtschaftlichkeit von Kommunikationsnetzen maßgebend durch die Effektivität des Ressourceneinsatzes für diese Netze beeinflußt. Friedrich Hahn und Kornel Terplan zeigen am Beispiel der Siemens-Tochtergesellschaft Vascom auf welche Serviceleistungen private Netzbetreiber heute schon zurückgreifen können.

Private Betreiber, deren Netze auf eine Größenordnung von 100 bis mehr als 1000 Datenendeinrichtungen gewachsen sind, sehen sich in der Praxis zusehends mit zwei Tatsachen konfrontiert:

- Die Anzahl der Übertragungsleitungen ist begrenzt und

- die Betriebskosten steigen erheblich an.

Deshalb ist es beim Planen des betrieblichen Einsatzes neuer Kommunikationstechniken entscheidend, ob sie im Leistungs-Kosten-Vergleich wesentliche Vorteile aufweisen. Bereits in diesem frühen Stadium wird Vascom beratend tätig: Gemeinsam mit dem Anwender wird ein Konzept erarbeitet, das unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Einrichtung sowie der geforderten Leistungsmerkmale festschreibt, mit welchen Diensten und Endgeräten die Daten im internationalen Netz wirtschaftlich gesendet, empfangen und verarbeitet werden können.

In 50 Ländern 400 Standorte verbunden

Als Kommunikationsträger dienen hierbei die siemenseigenen nationalen und internationalen Netze, die mit dem elektronischen Wählsystem EWSP in ein Hochleistungs-Paketvermittlungsnetz (40 000 Informationspakete je Sekunde pro Netzknoten) übergeführt werden. Derzeit verbindet das Netz in über 50 Ländern mehr als 400 Standorte mit rund 80 000 Anschlußeinheiten.

Somit können die Kunden, wie Industrieunternehmen, Behörden oder Banken, ein von Anfang an flächendeckendes und effektives Netz nutzen. Die für den Kunden günstige Netzkonfiguration - auf dem neuesten Stand der Technik - wird von Vascom installiert, betrieben und gewartet. Zusätzlich werden Kommunikationsdienste und Informationsverarbeitung angeboten, die den Informationsaustausch ermöglichen und die Anwendungen unterstützen.

Um diesen umfassenden Aufgaben gerecht zu werden, beschäftigt das Unternehmen derzeit rund 100 Mitarbeiter, darunter Netz- und Dienstleistungsspezialisten für folgende Bereiche:

- Netzbetrieb,

- Vertrieb,

- Marketing,

- Projektierung,

- Projektunterstützung,

- Beratung,

- Schulung,

- Wartung.

Auf der Basis des Siemens-Kommunikationsnetzes ermöglicht Vascom den Dialogbetrieb von Terminals, Rechner-Rechner-Verbindungen, zeitversetzten Datentransport, die Vernetzung unterschiedlicher Datenverarbeitungs- und Bürosysteme, Mailbox-Einrichtung sowie den Zugriff auf internationale Datenbanken. Interne Text- und Datenübertragung (zum Beispiel vom Büro zur Fertigung) ist ebenso möglich wie die weltweite Verbindung zu jedem gewünschten Geschäftspartner.

Bei über 10 000 Siemens-Datenverarbeitungsverfahren werden bereits heute die Vorteile dieses Netzes in folgenden Bereichen genutzt:

- Finanzwesen (Verkehr mit Banken, Effektenverwaltung),

- Personalwesen (Gehaltsabrechnung),

- Rechnungswesen (Vorkalkulation, Auskunftssysteme),

- Beschaffung (Anbindung an Lieferanten),

- Vertrieb (Informationssysteme über Absatzentwicklung),

- Fertigung (Logistik, Materialwirtschaft, Werkstattsteuerung, Stücklistenverwaltung),

- Engineering (CAD/CAM Computer Aided Design/Computer Aided Manufacturing),

- Verwaltung (Auskunftssysteme).

Netzkonzept ermöglicht offene Kommunikation

Vascom bietet als privater Netzträger (Carrier) seine Dienste mit einem auf OSI (Open Systems Interconnection) basierenden Netzkonzept an. OSI-Standards schaffen die Voraussetzung für die weltweite problemlose Kommunikation "jeder mit jedem", ohne hierbei Herstellerspezifikationen oder landesspezifische Festlegungen berücksichtigen zu müssen.

Darüber hinaus sichert Vascom die Kompatibilität zu den unterschiedlichsten Netzarchitekturen (beispielsweise Transdata, Decnet und SNA), ermöglicht sowohl die zentralisierte als auch dezentralisierte Netzwerkkontrolle und bietet die Anschlußintegration über transparente Zeitmultiplexeinrichtungen.

Damit können die unterschiedlichsten Arten der Informationsübertragung abgewickelt werden:

- Je nach Datenvolumen stehen Standleitungen, Leitungs- und Paketvermittlungen zur Verfügung

- es gibt Kommunikationsdienste und eine Informationsverarbeitung, die den Informationsaustausch vereinfachen beziehungsweise erst ermöglichen und die Anwendungen unterstützen.

Außerdem bietet Vascom ein Netz-Engineering und einen Wartungsdienst für Kommunikationsnetze.

Alle vorkommenden Vermittlungs- und Netzverwaltungsaufgaben werden mit nur drei Netzbausteinen - Netzknoten, Netzkonzentratoren und Netzkontrollsystem - gelöst. Damit sind die unterschiedlichsten Netzstrukturen (einstufige oder hierarchisch gegliederte mehrstufige Netze) realisierbar. Außerdem ermöglicht das Netzkontrollzentrum sowohl eine zentrale als auch eine hierarchisch strukturierte Netzverwaltung. Da alle Netzelemente vom Netzkontrollzentrum aus bedient werden, lassen sich Netzknoten und -konzentratoren auch ohne Personal betreiben - dies trägt wesentlich zur Wirtschaftlichkeit des Systems bei.

Im Vascom-Netzkonzept sind eine obere Netzebene und eine Subnetzebene vorgesehen (Abbildung).

Die obere Netzebene besteht aus vollvermaschten X.25-Vermittlungsanlagen mit 64-KBit/s-Verbindungen. Um die Anbindung in der Bundesrepublik Deutschland flächendeckend zu gewährleisten, sind mehrere zentrale Netzknoten (ZNK) eingeplant. Mit deren Installation wird in München und im Raum Erlangen/Fürth begonnen.

Die Subnetze sind die ortsbezogenen Zubringer zur oberen Netzebene. In jedem anzuschließenden Standort wird ein Subnetzknoten (SNK) die Konzentration des Ortsdatenverkehrs übernehmen. Je nach Verkehrsanforderungen ergeben sich die folgenden Ausbauvarianten:

- direkte Leitungen zur oberen Netzebene,

- Konzentration über Multiplexer,

- Konzentration über ausgelagerten Vermittlungsrechner.

Die heute bereits vorhandenen Subnetze werden zu ortsbezogenen Zubringern für die obere Netzebene ausgebaut.

Multiplexsysteme optimieren private Netze

Die Vascom GmbH hat sich das Ziel gesetzt, durch optimale Nutzung der Kommunikationsnetze mit zukunftsorientierten Netzeinrichtungen im Vergleich zu bereits bestehenden Netzen die Anwendungen in jeder Kommunikationsart kostengünstiger abzuwickeln. Diese Netzwerkoptimierung erfolgt über Multiplexverfahren, wie sie in der Trägerfrequenztechnik seit langem eingesetzt werden.

Für die Bündelung von Datenübertragungskanälen haben sich Zeitmultiplexsysteme als besonders günstig erwiesen, weil sie

- vielfach eine bessere Nutzung der verfügbaren Bandbreite ermöglichen,

- sich in taktgesteuerte Datennetze effektiver eingliedern und

- sich mit den digitalen, integrierten Schaltungen besonders wirtschaftlich realisieren lassen.

Als Basis dient hierbei ein Zeitmultiplexverfahren, das kombiniert mit einer Speichertechnik angewendet werden kann. Dadurch steht jedem angeschlossenen Endgerät die gesamte Übertragungskapazität zur Verfügung, die nur bei Bedarf mit anderen Teilnehmern geteilt werden muß.

Die Bedeutung dieser Zeitmultiplexsysteme wird aus folgenden Gründen in Zukunft noch ansteigen:

- "Intelligente" Filter- und Analyseeigenschaften entfernen irrelevante Zeichen von zu übertragenden Informationen;

- mikrocomputerunterstützte "Intelligenz" ordnet die verfügbaren Übertragungskanäle dynamisch und je nach Aufkommen zu;

- die Konzentration der Übertragungsressourcen unterstützt mehrere logische Verbindungen auf einem physikalischen Übertragungskanal;

- niedrige Ausgaben für die Bandbreite und eine Reduzierung der Netzelemente;

- zusätzlich zur Konzentration logischer Verbindungen können auch Sprache und Daten auf gemeinsame Einrichtungen (nicht notwendigerweise auf demselben Kanal!) übertragen werden.

Durch den schrittweisen Einsatz von Multiplexern wird der Weg zu ISDN-Implementierungen geebnet. Da Multiplexer die Übertragungslast in einer oder mehreren Stufen konzentrieren, sind die ISDN-Kanäle mit 64 KBit/s auch in ökonomischer Hinsicht gerechtfertigt.

Durch die Vereinfachung der Netzstrukturen wird die Rolle der Gateways als Binde- und Anpassungsglied zwischen Anwender- und Netzseite steigen. Deren Implementierung in Form von Multiplexsystemen garantiert eine höhere Durchsatzrate, einen besseren Servicegrad auf der Benutzerebene (zum Beispiel hinsichtlich der Verfügbarkeit und Antwortzeit), erweiterte Konnektivität und schließlich geringere Übertragungskosten. Dadurch ist Vascom in der Lage, Daten-, Text- und Bildkommunikation mit einem effizienten Netzmanagement zu realisieren.

Die Gesellschaft will als Anbieter für alle Firmen auftreten, die vergleichbare Ziele in der privaten Kommunikation verfolgen.