Lizenznehmer der Bundespost gründen Interessenverbund

Private Netzbetreiber werfen Telekom Gebührenwucher vor

10.01.1992

FRANKFURT (pg) - Die privaten Bündelfunkbetreiber wittern hinter der Politik des Konkurrenten Telekom Wettbewerbsverzerrung: Die Gebührenerhöhung der Bonner treibe die Kosten für die Mietleitungen um das Sechsfache in die Höhe und werfe die Kalkulationsbasis der Privaten völlig über den Haufen.

Nach dem Motto "Gemeinsam sind wir stärker" haben sich - die vier bisher von Minister Christian Schwarz-Schilling ausgewählten Konsortien, die Preussag Bündelfunk GmbH, die Primus Mobilfunk GmbH, die Quickfunk GmbH sowie die Regiokom zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Ziel der Allianz ist, so Sebastian Ebel, Geschäftsführer der Preussag Bündelfunk GmbH, "eine gemeinsame Interessenvertretung gegenüber den Behörden und der Telekom zu schaffen".

Anlaß für die Koalition ist vor allem die Gebührenpolitik des Wettbewerbers Telekom, der die Tarife für Mietleitungen bei kurzen Strecken drastisch erhöht und somit einen Strich durch die Wirtschaftlichkeitsrechnung der privaten Netzbetreiber gemacht hat. Diese sind davon deshalb besonders betroffen, weil insbesondere die kleinzellige Vernetzung von Bündelfunkregionen, die sich, wie vom Ministerium vorgegeben, auf die Nutzung geschlossener Benutzergruppen wie Großunternehmen konzentriert, viele Leitungen zur Daten- und Sprachkommunikation im Nahbereich erfordert.

Als Berechnungsgrundlage bei der Ausschreibung hatte die Telekom noch 200 Mark pro Kilometer einer 2-Mbit/s-Leitung im Monat angegeben. Auf dieser Basis haben die Konsortien ihre Kalkulationen aufgestellt und sehen sich deshalb nach der jetzt gültigen "Entgeltordnung", die den sechsfachen Satz vorsieht, von der Telekom getäuscht. "Mit diesen Tarifen können wir einpacken", klagt Ebel, "weil damit der Wirtschaftlichkeit des Projektes der Boden völlig entzogen ist."

Bei der Berliner Regiokom sind die Kosten für die Mietleitungen einem Sprecher zufolge von 120 000 Mark in der Planung auf über 720 000 im derzeitigen Betrieb angestiegen. Allein 20 bis 40 Prozent der Investitionen entfallen bei den privaten Netzbetreibern heute auf die Gebühren. Die Lizenznehmer sitzen deshalb jetzt in der Klemme, die Gebührenerhöhungen einerseits an die Kunden abwälzen zu müssen, um die Verluste so gering wie möglich zu halten, andererseits werden die Anwender von den hohen Preisen wieder abgeschreckt.

"Undurchsichtige Leitungspolitik"

Hinzu kommt, daß die Leitungspolitik des Monopolisten Telekom laut der Interessengemeinschaft undurchsichtig ist. So seien Anfragen und Anträge für Verbindungen von der Telekom bis heute zum Teil unbeantwortet geblieben, obwohl die Privaten ihren Regelbetrieb aufnehmen wollen. "Wir können nur ein sehr eingeschränktes Dienstespektrum und große Funkzellen anbieten, weil uns das Netz nicht zur Verfügung steht", beschreibt Ebel die Situation.

Kein Wunder, daß der Geschäftsführer und seine Kollegen hinter der Politik der Telekom Methode und Wettbewerbsverzerrung vermuten, um möglicherweise den eigenen Bündelfunkdienst Chekker zu puschen. Ebel fordert deshalb eine rasche Annäherung der Gebühren an den Status quo der Ausschreibung und eine genaue Wirtschaflichkeitsprüfung des Telekom-Projektes.

Ihre Hoffnung setzen die Privaten jetzt in eine Art "Lex Mannesmann". Minister Schwarz-Schilling hatte nämlich die Gebührenforderung der Telekom gegenüber dem Mobilfunk-Betreiber Mannesmann schon als überzogen zurückgewiesen und den Monopolisten zur Gewährung von Sonderkonditionen für das D2-Konsortium verdonnert. Diesen Präzedenzfall wollen die vier Privaten nun auch für sich geltend machen, weil auch sie dem Kunden als Betreiber Netze bereitstellen.

Anlaß zu Optimismus scheint jedenfalls zu bestehen. Die Telekom muß dem Minister in Kürze die geltenden Tarife für die Übertragungsleitungen zur Genehmigung vorlegen. Im Ministerium sind parallel dazu schon grundsätzliche Überlegungen angestellt worden. In einem Schreiben heißt es, daß im Hinblick auf Kostengerechtigkeit und internationale Vergleichbarkeit die Tarife maximal doppelt so hoch sein können wie die heutigen Mietleitungstarife für Zwecke des digitalen zellularen Mobilfunks. Der nächste Streit zwischen Telekom-Chef Ricke und dem Minister scheint deshalb programmiert.