Kolumne

"Privacy-Bedenken beginnen beim Geld"

03.05.2002
Christoph Witte Chefredakteur CW

Das Scheitern von ".NET My Services" lässt sich nicht ausschließlich auf technische Fehler oder Marketing-Versäumnisse zurückführen. Microsofts Arroganz, mit der das Unternehmen für sich in Anspruch genommen hat, die von ihm selbst und von Partnern unter .NET My Services angebotenen Dienstleistungen und E-Commerce-Offerten zentral zu verwalten, stellte nur einen Teil des Problems dar. Diese Lösung sorgte für Misstrauen der potenziellen Partner. Die Frage, aus welchen Motiven Microsoft die zentrale Verwaltung anstrebt, ließ sich mit technischen Gründen nicht erschöpfend beantworten. Microsoft suchte den Zugang zu Kunden und Transaktionsdaten der Partner. Die wollten aber ihre Kronjuwelen nicht herausgeben - auch nicht für das Versprechen, keine eigene Infrastruktur aufbauen zu müssen.

Noch schwerer als der Widerstand der Partner - der hätte sich eventuell mit Microsoft-typischen Druckmitteln überwinden lassen - wog allerdings das Misstrauen der Verbraucher gegen den Single-Sign-on-Dienst "Passport". Diese zentrale Registrierung wäre Voraussetzung für .NET My Services gewesen. Zwar macht der Softwarekonzern die Passport-Anmeldung auch für seine Dienste "MSN-Messenger" und "Hotmail" zur Pflicht, aber dafür bekommen Nutzer auch eine kostenlose Instant-Messaging-Funktion beziehungsweise einen E-Mail-Account. Einen ähnlichen Daten-gegen-Service-Deal bietet AOL mit "Screen Name": Wer sich registriert, darf "My AOL" nutzen; also freie E-Mail und Kalenderfunktionen.

Für My Services gab es dagegen kein zusätzliches Vorteilsversprechen, nichts, was die Bedenken der Nutzer zerstreut hätte. So blieb allen Microsoft-Aussagen zum Trotz die Angst der Anwender, dass ihre persönlichen Daten nicht ausreichend gesichert sind und eventuell unautorisiert genutzt werden. Anscheinend vermeiden Surfer das bequeme Single-Sign-on und registrieren sich lieber selbst und gezielt, wenn nicht nur Daten gegen Service getauscht werden, sondern Geld den Besitzer wechseln soll.

Bessere Chancen für Web-Service-Portale mit Sammelregistrierung dürften daher Anbieter haben, mit denen Surfer ohnehin Geschäfte machen, also beispielsweise Banken, Broker oder Versender. Sie können um ihre Dienstleistungen herum andere Services anbieten, für die man sich nicht gesondert anmelden muss, weil sie bereits einen "Verlässlichkeitstest" durch den Nutzer hinter sich haben.

Für alle anderen Single-Sign-on-Initiativen, dazu zählt auch die von Sun propagierte Liberty-Allianz, bedeutet die endlich erwachte Nutzerzurückhaltung gegen solche Systeme allerdings einen kräftigen Dämpfer: Müssen sie doch entweder das Nutzungsversprechen erhöhen - zumindest aber konkretisieren - oder mehr Sicherungen gegen Datenmissbrauch einbauen. Beides erhöht ihre Kosten und schränkt die Nutzbarkeit der gewonnenen Daten ein.