Pressespiegel

28.07.1995

Der "Spiegel" zweifelt an der Beratungsindustie: Sie heissen Gerken oder Hoehler, Horx oder Popkorn und orakeln - gegen Honorar, versteht sich. Da sehen die selbsternannten "Trendforscher" das "Cocooning", die "neue Bescheidenheit" oder eine "Rezessionskultur"; fuer ein paar Mark mehr entdecken sie oekonomische Ungetueme wie "fraktale Maerkte", "Corporate Culture" oder den "Aufstieg des pazifischen Raumes". Hochbezahlte Manager haengen so an ihren Lippen wie rezessionsgeschuettelte Mittelstaendler. Nun hat der Hamburger Hochschullehrer Holger Rust die "Beratungsindustrie und ihre Vorhersagen so fundiert wie sueffisant aufs Korn genommen. In seinem Buch "Trends - Das Geschaeft mit der Zukunft", das im Wiener Verlag Kremayr & Scheriau erschienen ist, zerpflueckt er die "semantische Schaumschlaegerei" der Hellseher. Fazit: "Es scheint, dass die ,Trendzeit' sich ihrem Ende zuneigt." Denn neuester, hoechst erfreulicher Trend: Zuviel Quatsch entlarvt sich selbst.

Die "Woche" ueber die Jagd im Cyberspace: Der Streit tobt um die Nutzbarmachung und die gesellschaftlichen Folgen. Wird irgendwann eine reiche, maechtige, totalentertainte Netz-Elite daheim am Multimedia-Schirm sitzen, umgeben von Mauern und Selbstschussanlagen, um jene abzuwehren, die zu bloed oder zu renitent sind, die neue Technik zu erlernen? Entsteht da ein Heer verfetteter, leichenblasser Couchmonster, die sich nur noch zur Verrichtung zwingender Ausscheidungsvorgaenge aus den Kissen quaelen? Lauter subhumane Supermarios, die nach getaner Heimarbeit online Shoppen gehen, ihre Privatgeschaefte abwickeln und Essen ordern, um dann 500 Kanaele zu glotzen, virtuellen Blitzurlaub zu machen und sich bei ihrem Therapeuten einzuloggen? Droht also nur zapp-zapp, gaga-gaga? Oder kommt das globale Dorf fuer eine bessere, kluegere Menschheit? Optimisten sagen: bestenfalls beides.

Das "Handelsblatt" zitiert Peter Glotz zu neuen Anforderungen an Bildung und Ausbildung: Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD, Peter Glotz, hat in Bonn eine kulturelle Debatte ueber die kuenftige Informationsgesellschaft gefordert. Das neu anbrechende Informationszeitalter eroeffne fuer die Menschen grosse Chancen, sich zu bilden und zu informieren, sagte Glotz. Allerdings muesse der richtige Umgang mit der kuenftigen Vielzahl der Medien gelernt werden. Dies gelte besonders fuer den Umgang mit Gewalt und Pornographie, die in den neuen Programmen kaum einzudaemmen seien. Der richtige Umgang mit der Technik muesse bereits im Kindergarten anfangen und sich ueber Schule und Universitaeten fortsetzen. "Wer im Jahr 2000 keinen PC bedienen kann", so Glotz, "wird zu der Gruppe der Analphabeten zaehlen."