Presario-Linie vorgestellt PC-Verkaufsstrategie von Compaq zielt auf den Consumer-Markt ab

10.09.1993

MUENCHEN (jm) - Mit zwei neuen Rechnermodellen beschritt Compaq in doppelter Hinsicht Neuland: Das technologische Konzept wurde bei den PCs der "Presario"-Linie ueberarbeitet und die Texaner hoffen zudem, mit ihrem neuen Angebot sowohl Kleinunternehmer als auch Heimanwender zu erreichen.

Auf der Suche nach neuer Kundschaft liess Compaq das Kaufverhalten dieser beiden Marktschichten untersuchen. Ausgehend vom PC- Gesamtmarkt des ersten Quartals 1993 in Deutschland kam das Marktforschungsinstitut Dataquest zu dem Ergebnis, dass in diesem Zeitraum in der Bundesrepublik insgesamt 562 760 PC-Systeme verkauft wurden. 8,4 Prozent davon stammten von Compaq.

Vobis liegt nach dieser Untersuchung mit 19,4 Prozent Marktanteil nach Stueckzahlen weit an der Spitze. Aehnliches gilt fuer eine wertorientierte Betrachtung: Von den insgesamt erzielten knapp zwei Milliarden Mark verbuchte Compaq 12,1 Prozent fuer sich und liegt hinter Vobis (15,3 Prozent) an zweiter Stelle vor IBM (10,1 Prozent).

Insgesamt erwartet Dataquest in Deutschland fuer 1993 rund 2,4 Millionen verkaufte PCs. Etwa 700 000 Einheiten - das entspricht 28,9 Prozent - hiervon setzen die PC-Hersteller den Marktforschern zufolge im Privatmarkt, 484 000 PCs (20 Prozent) bei Kleinunternehmen (bis 20 Mitarbeitern) und etwas mehr als 1,2 Millionen bei mittelstaendischen Betrieben sowie bei Grossfirmen ab.

Eine Kontrollstudie des Inteco-Institutes mit gleicher Fragestellung rechnete das Aufnahmevermoegen des PC-Marktes in der BRD 1993 auf knapp 2,1 Millionen Einheiten hoch. Fuer die drei untersuchten Kaeuferschichten ergaben sich analog 800 000 Stueck (38,2 Prozent) fuer Privatkunden, 400 000 Stueck (19 Prozent) bei Kleinfirmen und 900 000 Stueck (42,8 Prozent) bei Grossunternehmen. Nach den Inteco-Zahlen entfallen 1993 also ueber die Haelfte (57 Prozentaller verkauften beziehungsweise noch zu veraeussernden PC- Systeme auf Heimanwender und Kleinbetriebe.

Diese Zahlen decken sich mit US-amerikanischen Einschaetzungen: Nach Untersuchungen von Analysten des Marktforschungsinstitutes Channel Marketing Corp. entfielen 27 Prozent der 1992 in den USA verkauften 14,5 Millionen PCs auf den Heimmarkt. Bis 1996 werde sich dieser Anteil - bei geschaetzten 46 Millionen verkauften PCs - auf 42 Prozent erhoehen. Das Grosskundensegment, das 1992 noch mit 30 Prozent am Gesamtvolumen partizipierte, werde auf 16 Prozent praktisch halbiert.

Noch etwas hat sich Compaq in diesem Zusammenhang von den Marktforschern raten lassen: Waehrend bei abstuerzenden PC-Preisen nur rund 170 000 der aus diesen beiden Marktschichten stammenden Kaeufer zwischen 3400 und 6800 Mark fuer einen Mikro anlegen wuerden, tendieren 887 000 Interessenten zum Erwerb eines PC-Systems, das weniger als 3 400 Mark kostet. Compaq moechte denn auch diese beiden Marktschichten mit den Presario-Systemen umwerben, die preislich unter dieser psychologischen Grenze liegen.

Mit dem Modell "Presario 425" machten die Designer aus Houston, Texas, dabei offensichtlich Anleihen bei Apples "Classic"-Rechner. Wie bei diesem steckt auch beim Presario 425 die gesamte Hardware inklusive der Systemplatine und des Monitors in einem Chassis. Da die Compaq-Ingenieure die Rechnerplatine als herausziehbare Systemkassette gestalteten, duerften - so zumindest der erste Eindruck - Aufruest- sowie Serviceaktionen problemlos zu bewerkstelligen sein.

In puncto sparsamem Energieverbrauch entspricht der Presario 425 den Oekologievorstellungen der US-amerikanischen Umweltbehoerde, weshalb er die EPA-Plakette fuehren darf. Neben einem 486SX- Prozessor (25 Megahertz) von Intel besitzt der Rechner zwei ISA- Steckplaetze, 4 MB Arbeitsspeicher (maximal 56 MB), ein 3Ueoi-Zoll- Diskettenlaufwerk sowie eine 100- oder 200-MB-Festplatte. Der 14- Zoll-SVGA-Farbmonitor erfuellt die Strahlenschutzverordnung nach dem MPR-2-Standard. Mit kleinerer Festplatte kostet er knapp 2800 Mark, mit 200 MB Speicherplatz etwas unter 3000 Mark.

Bruder "Presario CDS 625" ist aehnlich ausgestattet. Um ihn fuer Multimedia-Anwendungen fit zu machen, integrierte Compaq die Mediavision-Soundkarte "Pro Audio Spectrum 16" und ein Multisession-CD-Laufwerk von Philips ("LMSI CM-205M"), das unter anderem also auch Kodak-Photo- und herkoemmliche Audio-CDs abspielen kann. Ausserdem gehoeren zum Paketpreis zwei Lautsprecher, bei denen es sich laut Compaq-Manager Robert Lipinski um Aktivboxen handelt, ein Mikrofon sowie eine Maus. Den bei Multimedia-Anwendungen intensiven Datenverkehr zum Monitor kanalisiert Compaq ueber einen Local Bus.

An CD-ROM-Software mitgeliefert werden unter anderem Comptons Enzyklopaedie, ein Familien-Gesundheitsbuch der Mayo-Klinik, sowie - da der Rechner auch fuer PC-Novizen gedacht ist - eine Lernhilfe zum Zehnfingerschreiben. Beide PCs liefert Compaq zudem mit vorinstalliertem DOS 6.0, Windows 3.1 sowie Claris Works, einer integrierten Software mit Textverarbeitung, Datenbank, Tabellenkalkulation und Grafik. Dazu kommt jeweils eine menueausgerichtete "Welmcome-" und "Control-Center"- Tutorialsoftware, die PC-Neulingen beim Verstaendnis des Systems helfen soll. Ohne Monitor kostet der Multimedia-Rechner rund 3400 Mark, mit 14-Zoll-SVGA-Farbmonitor knapp 4200 Mark. Auf beide PCs gewaehrt Compaq eine dreijaehrige Garantiezeit.

Mit einem wohlproportionierten Anzeigenbudget will Compaq das Interesse an den Presario-PCs rechtzeitig zum Weihnachtsgeschaeft anheizen. Unter anderem zeigt Compaq - zumindest in den USA - erstmals seit 1988 wieder einen Fernsehwerbespot. Die Anstrengungen koennten Fruechte tragen. "Business Week" gegenueber aeusserte Andrew Bose, Vice-President des Marktforschungsunternehmens Link Resources Corp., die Texaner haetten gute Chancen, ihren Marktanteil im Consumer-Bereich auf 15 Prozent zu verdoppeln.

Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen: So musste die IBM bei ihren PS/1-Maschinen erfahren, dass die Heimanwender besonders technologiebesessen sind. Das habe, so IBM-Manager Jim Keenan laut dem US-Magazin, Big Blue gezwungen, das technologische Konzept seiner Einstiegs-PCs immer wieder nachzubessern. Und bezueglich der neuen Compaq-Rechner wird der Director und General Manager von ASTs Consumer Products Group, Dennis Cox, mit den Worten zitiert: "Ich kann bei der Presario-Linie nichts erkennen, was als echtes Killerprodukt gelten koennte."

Beim Vertrieb ueber den Retail-Markt, so Compaq-Manager Manfred Hasseler, wolle man mit wenigen, dafuer professionellen Partnern zusammenarbeiten. Hierzu gehoeren Inmac, Vobis und die norddeutsche Handelskette Brinkmann. Mit der Escom Computersysteme GmbH unterhaelt Compaq eine Zusammenarbeit nur bezueglich des Escom- Megastores in Bochum. "Auf absehbare Zeit", so Hasseler, werden Compaq-PCs nicht in den Escom-Filialen zu haben sein. In England allerdings bedient sich Compaq der Vertriebswege von Escom, waehrend Vobis in Frankreich, Spanien und der Schweiz den Weg zum Kaeufer freimachen soll.

Vor allem arbeitet man aber mit der Cash & Carry-Kette Metro des Otto Beisheim zusammen, zu der sowohl der Kaufhof-Konzern als auch die Asko-Gruppe gehoeren. Mit diesen beiden - Kaufhof ist in Deutschland vor Karstadt die Nummer eins der Warenhaeuser mit einem Umsatz 1991 von 17,8 Milliarden Mark - machte die Metro 1992 einen Umsatz von 70 Milliarden Mark.

Zum Kaufhof wiederum gehoeren unter anderem die Kaufhalle AG, die Media-Markt-Gruppe und Saturn-Hansa sowie Vobis. Sowohl bei Saturn-Hansa als auch bei Media-Markt werden die Presariorechner zu haben sein. Laut Compaq-Sprecherin Marlo Thompson "koennten in Zukunft auch beim Kaufhof die Low-level-Rechner stehen".

Die Metro - mit dem Ex-IBMer Erwin Conradi als Geschaeftsfuehrer und Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Kaufhof AG - besitzt in der Bundesrepublik ein flaechendeckendes Netz von rund 50 Grossmaerkten; sie ist seit 1971 in Frankreich vertreten und unterhaelt dort heute 14 Grossmaerkte. Ebenfalls seit 1971 verkauft die Metro in Oesterreich, ferner in Italien, Daenemark und den Niederlanden.

Gemaess einer Compaq-internen Studie legen fast doppelt so viele der befragten Personen, die bereits einen PC besitzen und somit schon Erfahrungen mit den diversen Widerwaertigkeiten von Rechnern machen konnten, Wert auf Qualitaetsprodukte. PC-Novizen scheinen diesbezueglich - weil moeglicherweise auch noch nicht leidgeprueft - weit weniger anspruchsvoll.