Software knackt Premiere-Pay-TV

Premiere Digital - am PC kostenlos

29.03.2002
MÜNCHEN (hi) - Leo Kirchs Bezahlfernsehen Premiere Digital hat nicht genügend Zuschauer, um Gewinne zu erwirtschaften. Möglicherweise liegt das daran, dass die Hälfte der Premiere-Fans keine Gebühren bezahlt. Dank immer schnellerer Rechner und ausgefeilterer Software ist Schwarzsehen auf dem besten Weg zum Volkssport.

Filmmogul Leo Kirch ist dieser Tage nicht zu beneiden, kämpft der Mann doch an zwei Fronten gleichzeitig, um sein Lebenswerk zu erhalten. Auf der einen Seite sitzen ihm die Banken im Genick, auf der anderen Seite werfen Cracker all seine Pläne, mehr zahlende Kunden zu gewinnen, über den Haufen. Experten gehen davon aus, dass auf die etwa 2,5 Millionen bezahlenden Kunden mittlerweile ebenso viele Schwarzseher kommen.

Infolge immer höherer Rechnerleistung - Intel sei Dank - und einer seit kurzem erhältlichen Software steigt die Zahl der Anwender rasant, die das Bezahlprogramm Premiere als Free-TV nutzen. Besonders gefährlich ist für Kirch & Co., dass mit der jüngsten Cracker-Software auch Computerlaien in der Lage sind, per Mausklick das kostenpflichtige Programm illegal zu empfangen. Weil dies ein Straftatbestand ist, sollen an dieser Stelle weder Programmnamen noch Internet-Seiten genannt werden.

Doch das Risiko hoher Strafen scheint viele Consumer nicht zu stören. Kurz nachdem die spezielle Software in den einschlägigen Internet-Foren zum Download zur Verfügung stand, waren beispielsweise rund um den Münchner Hauptbahnhof, einem illustren Viertel aus Rotlicht und Computerläden, die notwendigen PC-Karten für den digitalen TV-Empfang ausverkauft.

Smartcard wird emuliertIn Verbindung mit diesen PC-SAT-Boards emuliert die Software die von Premiere verwendete und als relativ sicher geltende Smartcard-Technologie am Rechner - ein Vorgehen, das so bisher nur mit der analogen Variante von Premiere funktionierte.

Zwar gab es auch in der Vergangenheit bereits Schwarzseher, doch der finanzielle Aufwand und das nötige Know-how standen in keinem attraktiven Verhältnis zu den gesparten Abo-Gebühren für das Digitalfernsehen. Eine Methode war die Verwendung von "Season-Interface"-Karten, die anstelle der Smartcards in die D-Box gesteckt wurden. Verbunden mit dem PC emulierten diese Karten die Smartcard mitsamt dem Schlüssel zum Freischalten der TV-Programme.

Der zweite Weg bestand darin, Platinenkarten zu kaufen, die mit Daten- und Programmchip bestückt sind. Diese bildeten die Funktion der Smartcards nach. Der dritte Ansatz führte über abgelaufene oder entwertete Orginal-Smartcards, in einschlägigen Kreisen aufgrund der Bezugsquellen auch als "Ali-Cards" bekannt. Beiden Verfahren war allerdings gemeinsam, dass Benutzer noch ein Brenngerät für 35 bis 150 Euro benötigten, um den Karten Leben einzuhauchen.

Ferner war eine D-Box erforderlich, die in den einschlägigen Foren aufgrund der Geräteknappheit zu happigen Preisen verkauft wurde. Zwar ließen sich statt der D-Box auch normale Digitalempfänger verwenden, doch um die proprietäre Premiere-Smartcard zu verstehen, musste ein Common-Interface-Modul (eine Art Adapter) für rund 200 Euro gekauft werden.

Letztlich bezahlte der Schwarzseher also zwischen 600 und 700 Euro, um Premiere Digital "kostenlos" zu sehen. Mit der neuen Kombination aus Software und digitaler TV-PC-Karte reduzieren sich nun diese Kosten auf rund 250 Euro. Letztlich bleibt abzuwarten, ob Premiere mit dem ab Mai geltenden Angebot (fünf Euro pro Monat plus Pay on Demand in Kombination mit einer ein Euro teuren D-Box) die adäquate Antwort auf die Herausforderung der Cracker gefunden hat.