Preistanz

09.10.1981

Kein Wunder, daß vor allem IBM- und Siemens-Anwender auf die neuerlichen Preiserhöhungen "stocksauer" reagieren. Innerhalb von nur sechs Monaten werden sie bereits zum zweiten Mal zur Kasse gebeten. Wie sollen die vom Rotstift-Trauma geplagten DV-Chefs da überhaupt noch sinnvoll planen? Verstärkt sind sie wieder einmal ins Kreuzfeuer der Geschäftsführungskritik geraten. Insbesondere DV-Verantwortliche, die (wegen Personalmangel) ihre Bosse in den letzten Jahren immer wieder von der Zweckmäßigkeit des Software-Kaufs überzeugt haben, befinden sich nunmehr in Reichweite der Kontroller-Kanonen.

Sicherlich unbegründet, denn die meisten DV-Leute beherrschen eben noch nicht jene Technik, sich aus der Zwickmühle von Software-Entwicklung und Spezialisten-Engpaß zu befreien. Viel zu lange haben sie deshalb die Fahne ihres Herstellers hochgetragen. Dafür wurde ihnen jetzt die Quittung präsentiert.

Das durch langjährigen Fachabteilungsclinch angekratzte Image der Datenverarbeiter wird durch unverschuldete "Fehlkalkulationen" wahrlich nicht besser. 13 Prozent mehr Hardware-Miete und Software-Lizenzgebühren ist für viele ein allzu harter Tobak. Der Rahmen der Akzeptanz ist damit gesprengt, das Vertrauen der IBM-, Siemens- und Univac-Anwender in ihren Hersteller gesunken.

Unklar bleibt vorerst die Folgereaktion. Die rund dreißig von der COMPUTERWOCHE zur erneuten Preisanhebung befragten DV-Chefs wollen mit Kaufzurückhaltung antworten. Einige Benutzer spielen gar mit dem Gedanken an Fahnenflucht, denn Mixed-Hardware-Anwender haben angesichts dieser Preispolitik momentan Oberwasser. Ihr Erfolgsrezept: Selbst wenn die Mixed-Hardware-Lieferanten ihre Preise nachziehen, gilt immer noch das Preisbrecher-Argument, "dann gehe ich eben wieder zu IBM zurück".

Wie Zynismus müssen indessen die Begründungen für den Preisanstieg in Benutzerohren klingen. IBM-Originaltext: ". . . die Kostenbelastungen nehmen für uns in einem erheblichen Ausmaße zu, wobei neben den inländischen Kostensteigerungen insbesondere auch Preissteigerungen für ausländische Lieferungen und Leistungen ins Gewicht fallen. Außerdem müssen wir von einem anhaltend hohen Zinsniveau ausgehen."

Die Siemens-Argumente könnten vom IBM-Kundenbrief abgeschrieben sein: ". . . gravierende Ursachen für den weitgehend nicht in unserem Einflußbereich stehenden Belastungsschub sind allgemeine Kostensteigerungen, insbesondere auf dem Energiesektor, ein anhaltend hohes Zinsniveau und starke Verteuerung der Teilebezüge aus dem Ausland."

Univac-Kunden waren bis Redaktionsschluß noch nicht einmal über die Verteuerung beim System 80 informiert. Aber hier trifft es nur wenige, denn die Sulzbacher haben Branchenkennern zufolge kaum zwanzig dieser Maschinen installiert.

Preiserhöhungen im jetzt exerzierten Ausmaß mit steigendem Zinsniveau, Dollaranstieg oder gar Kostensteigerungen im Energiesektor zu rechtfertigen, grenzt geradezu an Selbstironie. Vor allem, wenn eine wesentliche Begründung fehlt: Im Mainframe-Bereich werden derzeit - so Branchenbeobachter - Auftragsrückgänge von nahezu dreißig Prozent verzeichnet. Für den DV-Anwender ist es ein Schlag ins Gesicht, daß er nun die Folgen verfehlter Produktpolitik tragen soll. Denn allzu lange haben sich IBM und Co. auf das gewinnträchtige Mainframe-Geschäft beschränkt. Dort, wo künftig Big-Business läuft (nämlich im Mini/Mikro-Bereich) - und jetzt schon Gewinne in Milliardenhöhe eingefahren werden - haben sich bereits andere breit gemacht.

Der Vergleich eines DV-Leiters zwischen den Öl-Multis und der DV-Industrie mag in den Augen der Hersteller hinken. Dennoch: Mit der jetzt von IBM und Siemens demonstrierten Preispolitik werden die DV-Verantwortlichen zumindest in die Nähe von Tankstellenpächtern gerückt, auch diesen permanent neue Preise rechtfertigen müssen. Eines ist sicher: Die Großkunden wissen sich gegenüber den Teuerungen schon irgendwie zu wehren - die ersten Protestbriefe sollen bereits in Stuttgart und München vorliegen. Den Kleinanwender, dessen DV-Budget seit eh und je stark begrenzt ist, beißen mal wieder die Hunde.