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Preispolitik der SAP verärgert Anwender

11.01.2002
Miserable Noten erhält die SAP AG für das Preismodell ihrer neuen Komplettlösung Mysap.com. Anwender bemängeln unter anderem hohe Lizenz- und Wartungsgebühren.

CW-Bericht von Martin Ottomeier

MÜNSTER (COMPUTERWOCHE) - Miserable Noten erhält die SAP AG für das Preismodell ihrer neuen betriebswirtschaftlichen Komplettlösung Mysap.com. Die Kosten sind nicht transparent und die Lizenz- und Wartungsgebühren zu hoch, bemängeln die Anwender.

Beim Preis für Mysap.com sehen die SAP-Anwender rot. In einer Umfrage der Unternehmensberatung Raad Consult unter mehr als 3000 IT-Managern erhalten die Walldorfer für die Transparenz des Preismodells eine 4,0 auf der Schulnotenskala von Eins bis Sechs. Die Höhe der Lizenz- und Wartungsgebühren wird sogar nur mit 4,3 bewertet. "Benotungen schlechter als Drei müssen als deutliche Unmutsbekundung verstanden werden", erläutert Nils Niehörster, Geschäftsführer bei Raad Consult. Noch nie habe es in den Raad-Studien bislang eine Durchschnittsnote von Fünf gegeben. Die erhält SAP aber für die Mysap-Kosten in der Teilgruppe der R/3-Anwender, die nicht planen, auf das neue Produkt umzusteigen.

Alfons Wahlers, Vorsitzender der SAP-Anwendervereinigung DSAG, zeigt sich von diesen Ergebnissen nicht überrascht: "Seit Mysap.com am Markt ist, haben die Anwender Probleme, das Produkt im Vergleich zu R/3 zu verstehen." Vielen Kunden sei noch unklar, welchen Nutzen der Umstieg ihnen bringe. "Daher scheuen sie sich, dafür mehr zu zahlen", resümiert Wahlers.

Doch nicht nur der Preis wird kritisiert. In allen von Raad abgefragten Kategorien schneidet Mysap.com verhältnismäßig schlecht ab. Die beste Note gibt es noch für die funktionale Vollständigkeit - eine 2,8. Die technische Ausgereiftheit bewerten die Anwender im Durchschnitt mit 3,1. Auch der Aufwand für die Umstellung auf Mysap.com, der Schulungsaufwand und die Maßnahmen für die Umstellung der IT-Infrastruktur kommen auf Werte von deutlich schlechter als Drei.

Schwierige Nutzung

Für das schwache Umfrageergebnis macht Wahlers auch die schwierige Nutzung der neuen Software verantwortlich. "Die Komplexität von Mysap erfordert sehr intensive Beratung, um die mögliche Wertschöpfung auch zu realisieren. Hier muss sich SAP mehr in die Pflicht nehmen lassen", fordert er. Die schlechten Noten für die Features versteht er nicht. "Funktional hat Mysap sehr viel zu bieten."

Eine detaillierte Analyse zeigt, dass Mysap trotz allem besser ist als sein Ruf. "Vor allem progressive IT-Anwender haben schon Mysap-Komponenten installiert und sind auch relativ zufrieden", erläutert Niehörster die Untersuchung. Dagegen seien zögerliche R/3-Benutzer, die keinen Mysap-Einsatz planen, gegenüber der neuen Software außerordentlich negativ eingestellt - teilweise in Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten. "Zum Beispiel wird der Preis als sehr hoch eingeschätzt, obwohl das Preismodell gar nicht richtig bekannt ist", beschreibt der Raad-Geschäftsführer. Viele Anwender fürchten wegen der schwer zu durchschauenden Preise, dass die Kosten ausufern könnten.

SAP interpretiert daher die Ergebnisse der Studie eher positiv und betont die deutlich besseren Noten von Mysap-Anwendern. Beim Preismodell räumt ein Sprecher Nachholbedarf ein. Allerdings gebe es noch keine konkreten Pläne, etwas zu ändern.

SAP müsse den Anwendern insbesondere auf Management-Ebene das neue Preismodell besser erklären, fordert Niehörster: "R/3 HR inklusive dem Workplace und Mysap HR sind funktional gleich - der einzige Unterschied ist der Preis. Das leuchtet vielen Anwendern nicht ein."

Viele wollen dennoch Mysap.com

Trotz aller Kritik wollen viele Firmen auf Mysap.com umsteigen oder zumindest einzelne Komponenten einführen. Bis Mitte des Jahres, so hat die Unternehmensberatung aus Münster herausgefunden, werden rund ein Drittel der bestehenden Kunden Mysap-Anwender sein. Insbesondere die Nachfrage nach neuen Applikationen wie Mysap CRM oder Mysap SCM sei "sehr hoch". "Dort sehen die Anwender einen konkreten Nutzen durch die neuen Funktionen", stellt Niehörster klar.

Bei den Kernanwendungen Financials und Personal ist das Interesse dagegen gering. Das sieht auch Wahlers so: "Die meisten Nutzer sind zurzeit mit dem Funktionsumfang von R/3 zufrieden und möchten bestenfalls einige Zusatzkomponenten aus dem Mysap-Umfeld. Daher sind wir als Anwendervereinigung auch nicht damit einverstanden, dass die R/3-Produktlinie mit R/3 Enterprise schon 2005 zu Ende gehen soll." SAP-Vorstandssprecher Hasso Plattner hatte kürzlich in einem CW-Interview angekündigt, dass R/3 Enterprise die letzte R/3-Version sein wird.