Agressives Marketing der Anbieter gilt als Auslöser:

Preiskrieg wütet auf dem PBX-Markt

20.06.1986

BONN (CWN) - Von einem Preiskrieg wird nach Ansicht von Branchenbeobachtern gegenwärtig der bundesdeutsche Markt für digitale Nebenstellenanlagen gebeutelt: Die Hersteller solcher Anlagen liefern sich Schlachten um Marktanteile. Neben den Neulingen auf dem Gebiet der Telekommunikation (beispielsweise Ericsson und Northern Telecom) habe auch die Nixdorf Computer AG mit ihrer agressiven Marketingstrategie dazu beigetragen, das Preisgefüge ins Wanken zu bringen. Dies erklärte vergangene Woche Helge Hildenbrandt, zuständig für Telekommunikation bei der Diebold Deutschland GmbH.

Traditionelle Anbieter von Kommunikationsequipment wie Siemens, SEL, Telenorma und Detewe hätten den Zug verpaßt, als digitale PBX-Anlagen erstmalig aufkamen, so der Diebold-Mitarbeiter. Dies habe Nixdorf erlaubt, in den Markt einzusteigen. IBM's Vorstoß in die Telekommunikation werde kleinere Unternehmen vom Markt drängen, prophezeite Hildenbrandt.

Nach Schätzungen von Insidern sind gegenwärtig zirka 2000 digitale PBX-Anlagen in kleinen bis mittelständischen Unternehmen im Einsatz. Viele große Firmen seien durch langfristige Verträge an ihre analogen Nebenstellenanlagen gebunden.

Die Zahl der neu hinzugekommenen Anbieter digitaler PBX-Anlagen hat nach Auskunft von Udo Frenzel vom Battelle-Institut zu Unsicherheit im Markt geführt. Oft stünden die Hersteller skeptischen Endanwendern gegenüber.

Telenorma sieht in Nixdorf den Sündenbock

Die Benutzer müssen davon überzeugt sein, daß sie diese neue Technik im Büro benötigen, sagte Frenzel. Darüber hinaus sähen viele potentielle Anwender ihren Arbeitsplatz durch digitale Nebenstellenanlagen bedroht, da die bundesdeutschen Anbieter mit Personalkosteneinsparungen von 25 Prozent argumentierten.

Er wies darauf hin, daß dieselben Produkte in den USA unter dem Gesichtspunkt "Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit" (ebenfalls 25 Prozent) angeboten würden.

Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es der Telenorma AG nach Auskunft des Unternehmenssprechers, in der ersten Hälfte des Rechnungsjahres die Verkaufszahlen zu verdoppeln. Die Steigerung sei zum großen Teil auf den Verkauf von digitalen Nebenstellenanlagen zurückzuführen. Für den gegenwärtigen Preiskrieg machte der Sprecher speziell Nixdorf verantwortlich.

Das Paderborner Unternehmen liefert sein System 8818 in neun Länder; der Anteil der PBX-Systeme an den Hardwareverkäufen liegt in der Bundesrepublik bei zehn Prozent. Diese Angaben machte Dr. Horst Nasko, bei Nixdorf zuständig für Telekommunikation, anläßlich eines Seminars des Paderborner DV-Herstellers. Die Absatzziffern im Bereich Telekommunikation verdoppelten sich jährlich und dadurch wachse dieser Sektor am schnellsten, sagte Nasko. Er räumte jedoch ein, daß noch in den roten Zahlen gewirtschaftet werde.

Nasko kritisiert Zeitplanung der DBP

Der Hauptvorstoß von Nixdorf ziele derzeit auf den privaten Markt Das Vorstandsmitglied schloß jedoch nicht aus, daß sich das Unternehmen langfristig auch den öffentlichen Vermittlungssystemen zuwenden werde. Anfangs würde dies in Form einer Zusammenarbeit geschehen wobei Nixdorf das technische Know-how zur Verfügung stellen würde.

Als Beispiel für die Kooperation eines DV-Herstellers mit einem in der Telekommunikation etablierten Anbieter nannte er die Beteiligung von AT&T an Olivetti. Gegenwärtig komme für Nixdorf allerdings kein Partner in Frage.

Sehr skeptisch beurteilten die Paderborner die Vorgehensweise der Bundespost in Sachen digitaler Vermittlungssysteme. Bis zur Jahrhundertwende würden erst sieben von insgesamt 30 Millionen Telefonverbindungen digitalisiert sein, kritisierte Nasko.

In Japan und den Vereinigten Staaten werde der Start für die Installation eines öffentlichen ISDN-Netzes zum Ende des Jahres erwartet, während man in Europa noch experimentiere, erläuterte Nasko. Nixdorf sei derzeit der einzige Anbieter, der ein digitales Telefon liefern könne. Digifon werde von der Bundespost eingesetzt und verkauft.