Chancen für eine nachhaltige Stellenbesetzung

Predictive Analytics als Recruiting-Tool

15.09.2017
Von 


Dr. Christian Montel ist Experte für psychologische Eignunsgdiagnostik sowie den Einsatz von Predictive Analytics und Big Data im Human Resource Management. Er ist seit über 20 Jahren beratend in der Planung, Implementierung und im Controlling von Recruiting-Prozessen tätig. Seine Schwerpunkte liegen weiterhin in Leistungs- und Potenzialmessverfahren, Management-Audits und 360°-Feedbacks. Dr. Montel ist Geschäftsführer sowie Head of Research and Development der ELIGO Psychologische Personalsoftware GmbH.
In der Recruiting-Praxis stellen Predictive Analytics eine noch wenig eingesetzte Ergänzung zu klassischen Auswahlverfahren dar und ermöglichen einen Blick in die Zukunft: Wer wird eine Stelle voraussichtlich am erfolgreichsten ausüben?

"Wir hören bei der Personalauswahl lieber auf unser Bauchgefühl. So erkennen wir sicher, wer wirklich ins Team passt.", "Die fachliche Eignung unserer Bewerber erfragen wir im persönlichen Gespräch." oder "Solche Verfahren sind zu aufwändig und geben doch nicht mehr Sicherheit als unser klassischer Auswahlprozess.": Solche und ähnliche Vorbehalte hegen viele Personaler, wenn es um den Einsatz diagnostischer Verfahren im Recruiting geht.

Mit Predictive Analytics sollen die fähigsten Mitarbeiter gefunden werden.
Mit Predictive Analytics sollen die fähigsten Mitarbeiter gefunden werden.
Foto: rudall30 - shutterstock.com

Für Personalverantwortliche wird es demnach zunehmend schwierig, Bewerbungsunterlagen miteinander zu vergleichen. Nicht zuletzt durch die Zuwanderung internationaler Fachkräfte lassen sich Schulnoten, Ausbildungszeiten, Auslandserfahrungen oder praktische Einsätze kaum noch als Entscheidungsgrundlage heranziehen. Entweder diese sind aufgrund der internationalen Herkunft der Bewerber zu heterogen oder die eingehenden Unterlagen ähneln sich aufgrund einschlägiger Bewerbungscoachings in einem Maße, dass Lebensläufe, Arbeitszeugnisse und Anschreiben nahezu austauschbar wirken.

Sollen Stellen langfristig und zielgenau besetzt werden, sollten Unternehmen auf eine objektive und valide Beurteilung ihrer Bewerbungen setzen. Wo die Sichtung von Bewerbungsunterlagen kaum noch nachhaltige Entscheidungsgrundlagen liefert, ermöglichen prädiktive Verfahren auf Basis von Online-Assessments einen Blick in die Zukunft und geben Personalverantwortlichen statistische Prognosen dazu, welcher Bewerber eine Stelle aller Wahrscheinlichkeit nach am erfolgreichsten ausüben wird.

Dabei belegen Studien, dass Unternehmen, die im Recruiting auf Predictive Analytics setzen, Produktivitätszuwächse von zehn bis fünfzehn Prozent erzielen. Die Besetzungskosten sind beim Einsatz solcher Verfahren gering im Vergleich dazu, was die am besten zu den Anforderungen passende Person für das Unternehmen erwirtschaften kann.

Predictive Analytics als Basis für die persönliche Begegnung

Ein Kritikpunkt an Online-Assessments ist häufig die fehlende persönliche Komponente zwischen Bewerber und Unternehmen. So wird immer wieder angemerkt, dass High Potentials im Testverfahren die Begegnung auf Augenhöhe vermissen würden oder sie zweifelten gar am Urteilsvermögen der Entscheider.

Beides würde ein negatives Licht auf das Unternehmen werfen und Professionals, die aufgrund des Fachkräftemangels immer häufiger die Wahl zwischen mehreren ansprechenden Jobangeboten hätten, von einer Stellenannahme abhalten. Dabei können Personalverantwortliche die Ergebnisse der prädiktiven Verfahren ebenso als Grundlage für anschließende persönliche Gespräche mit den am besten passenden Bewerbern anwenden.

Diese Methodenkombination erlaubt es, im Interview auf die jeweilige Person einzugehen und Informationen gezielt zu sammeln, um weitere Prognosesicherheit zu gewinnen. Hierbei können die Ergebnisse aus dem Online-Assessment helfen, da sie Hinweise bieten, welche Themen gezielt vertieft werden müssen.

Für die Kandidaten, die im Anschluss an die Auswertung des Online-Assessments eine Ablehnung erhalten, erlauben die objektiven Analyseergebnisse auf Anfrage ein transparentes Feedback zur Entscheidungsfindung. In beiden Fällen tragen die unvoreingenommen gesammelten Daten zu fairen Bewerbungsbeurteilungen bei und können als Grundlage für die persönliche Begegnung herangezogen werden.