4GLs lassen sich mit herkömmlichen Sprachen nur schwer vergleichen

Pre-Compiler-Ansatz ist oft Augenwischerei

12.09.1986

Der Begriff "Sprachen der vierten Generation" ist unzutreffend. Zu viel unterscheidet diese Systeme zur Anwendungsentwicklung von den bisherigen, Programmiersprachen, Hans-Gerd Tühl* bricht in seinem Beitrag dennoch eine Lanze für diese Generation.

Immer noch werden Anwendungssysteme zum größten Teil mit den herkömmlichen Sprachen, Verfahren - und Systemkomponenten entwickelt. Songt kommen Sprachen zum Einsatz, die zur Zeit der Stapelverarbeitung entworfen wurden., Sie bieten keine Anweisungen für den dialog mit Bildschirmterminals, geschweige derin für die interaktive Kommunikation mit Personal Computern oder mit einem DBMS.

Eine Vielzahl verschiedener Werkzeuge,Sprachen Schnittstellen und Dienstprogramme muß beherrscht, berücksichtigt und ausgeführt werden . Batch Programme sind anders strukturiert als für die Belange der Dialogverarbeitung ausgelegte Softwaresysteme; Datenzugriffe richten

sich nach der jeweiligen Datenorganisationsform. Dies alles erfordert Zeit, Mitarbeiter, die in der Lage sind, die Lösung, zu erstellen und nicht zuletzt geduldige Endbenutzer in den Fachbereichen.

Es ist daher sicher keine Überraschung, wenn die Versprechen der Softwareanbieter, mehr Einfachheit und höhere Produktivität zu schaffen, bei Unternehmen wie DV-Chefs auf fruchtbaren Boden fallen.

Dennoch:Der Terminus Sprachen der vierten Generation" ist unzutreffend. Zu viel untererscheidet diese Systeme zur Anwendungsentwicklung von den bisherigen Programm der sprachen. Es ist eben nicht nur eine neue, sehr viel mächtigere Sprachebene, die ein System der vierten Generation ausmacht; sondern viele andere integrierte komponenten bilden eine Softwareumgebung, die alle benötigten Funktionen für den Entwurf , die Realisierung, den Einsatz und die Pflege einer DV-Anwendung umfaßt.

Diese Integration ist es, die eine drastische Produktivitätssteigerung in der Anwendungsentwicklung und die ebenso drastische Senkung des Pflegeaufwandes für Anwendungen

erbringt. Das Konzept eines integrierten Softwaresystems geht beachtliche Schritte weiter: So sind inzwischen die Verknüpfung der Personal Computer, die Grafikausgabe, die Einbindung von Textkonserven aus dem Bereich der Textverarbeitung , oder anderer administrativer Funktionen aus Büro und Verwaltung technisch gelöst.

Die Rolle des Data-Dictionary-Systems verändert sich durch die Integration in ein Softwaregesamtsystem ebenfalls:Vom eher passiven System für die bestenfalls projektbegleitende Dokumentation wandelt es sich zum aktiv durch das System zur wendungsentwicklung genutzten Informationslexikon. Der Nutzen des Data-Dictionary-Systems wird so deutlich höher als der Aufwand für seinen Betrieb.

Ebenso wichtige Aspekte, wie die Verteilung von Daten und Prozessen auf verschiedene Knoten eines Rechnernetzes oder, die Portabilität fertiger Anwendungen in neue systemtechnische Umgebungen (Betriebssystem, TP-System,DB-System, Hardwaresystem) wurden von den Entwicklern umfassender Systemsoftware berücksichtigt und technisch weitgehend realisiert. Es fällt schwer, das aufgezeigte Szenarium mit der Cobol- oder PL/1-Welt zu vergleichen.

Trotzdem - es gibt Befürworter, die an den bisherigen Sprachen festhalten wollen. Ihre Argumentation kreist im wesentlichen um den Aspekt der fehlenden Normung der neuen Softwaregeneration, beziehungsweise um die Frage ob ein Anwender dieser neuen Systeme nicht eine zu starke Abhängigkeit vom Hersteller des Softwaresystems eingeht.

Leistungsfähigkeit

wird oft verkannt

Einige Zwischentöne, die den neuen Sprachen allenfalls die Anwendung durch Endbenutzer beziehungsweise die Lösung einfacherer Anwendungsprobleme mit Datenselektions- und Anzeigefunktionen zutrauen, seien nicht unerwähnt. Vertreter dieser Argumentation tun sicher gut daran, ihr Wissen um die Leistungsfähigkeit heutiger Systeme zu aktualisieren. Dabei sind allerdings wirklich integrierte Software-systeme des eingangs umschriebenen Umfanges gemeint und nicht solche Produkte ,die dem CICS-Anwender helfen, eine Transaktion schneller herzustellen oder solche, die sich ausdrücklich mit begrenztem Funktionsumfang an den Endbenutzer wenden.Diese Produkte haben ihre Berechtigung, sind aber mit dem beschriebenen System der vierten Softwaregeneration vergleichbar.

Normung bringt keine

einheitlichen Compiler

Zurück zum Thema fehlender Standardisierung beziehungsweise

der Abhängigkeit Software hersteller :Die einzige Programmiersprache, wurde,die jemals normiert wurde, ist Cobol. Trotzdem besitzen die Cobol-Compiler der verschiedenen Computerhersteller individuelle Eigenschaften. Ein Herstellerwechsel eines Cobol-Anwenders ohne die

Notwendigkeit, die Programme modifizieren zu müssen, wurde nicht bekannt. Alle anderen Programmiersprachen sind ohnehin von Computerhersteller zu Computerhersteller nterschiedlich, nicht genormt beziehungsweise von diesem kreiert (PL/ 1).

Verbreitung im Markt

ist ausschlaggebend

Gemeint sein kann also wohl kaum die fehlende Standardisierung, sondern vielmehr die Verbreitung, die eine Sprache in der Anwendung und damit am Markt gefunden hat .

Die Verbreitung der neuen Softwaresysteme ist davon geprägt,welchen tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzen sie ihren Anwendern erbringt.

Wird gar der Integrationgrad dieser Systeme innerhalb des DV-Gesamtkonzeptes einschließlich Bürosystem und Personal Computer berücksichtigt, fällt die Vorstellug schon sehr schwer, neue DV-Anwendungen mit den alten Sprachen und Verfahren zu entwickeln - auch dann, wenn eine höhere Sprachebene durch einen "Pre-Compiler" erreicht werden kann.

Sicherheitsgefühl

basiert auf Illusion

Der Pre -Compiler-Ansatz,mit dem einigeVertreter zumindest ihre bisherige, Sprache als ausgegebenes Quellprogramm wiedersehen undsich so in Sicherheit vor dem Zusammenbruch des Pre-Compiler -Lieferanten wähnen, basiert auf einer Illusion .

Je leistungsfähiger der Pre-Compiler um so we iter ist die Spezifikation von der generierten Quellprogrammebene enfernt . Es

entstehen Programme, die niemand geschrieben hat (weil automatisch

generiert )- und die,fehlt dann der Pre-Compiler auch,niemand verstehen beziehungsweise,pflegen könnte. Das Abzielen der Vertreter dieses Ansatzes auf das Sicheitsbedürfnis des Anwenders ist Augenwischerei.

So wie ein Pre -Compiler nicht automatisch mit dem Zusammenbruch des Herstellers verschwindet, so wenig ist dies bei den globalen Systemen zur Anwendungsentwicklung zu befürchten.

Anders als solche Softwaresysteme, die von den Computerherstellern angeboten werden, zeichnen sich gerade die Systeme der vierten Generation von den unabhängigen Softwareherstellern durch eine neue Ebene der Unabhängigkeit von der systemtechnischen Umgebung aus.

So bleiben Anwendungen, die auf diesen Sytemen. basieren, unabhängig von datenbankspezifischen Anweisungen und physisches Datenstrukturen, sind häufig in unterschiedlichen TP-Umgebungen,unverändert ablauffähig, funktionieren unabhängig von der Frage der Verteilung von Datenbank innerhalb eines, Computer-Netzwerkes. Außerdem lassen sie sich unabhängig von

verschiedenen Betriebssystemen einsetzen - dies teilweise sogar über verschiedene Hardwarehersteller mit unterschiedlicher Hardwarearchitektur hinaus.

Herstellerunabhängigkeit

sichert Investitionen

Die Investition des Anwenders in Applikationssoftware ist daher nicht mehr an Hardwarehersteller und dessen Betriebssoftwareumgebung gebunden .Der wirtschaftliche Nutzen durch die sehr viel höhere Produktivität der Entwickler von DV-Anwendungen die Akzeptanz der Anwendungen bei den Endbenutzern durch deren stärkeren Einbezug durch die Prototyping-Möglichkeiten der Systeme der vierten Generation und nicht zuletzt die Unabhängigkeit von der Hardware und Betriebssystemsoftware werden weiter dafür sorgen, daß innovative Softwarelösüngen vom Markthonoriert werden.

Die Frage nach der Überlebensdauer der Produzenten solcher Softwarelösungen wird vermutlich eher von der Überlebensdauer Hardwarehersteller überdeckt werden.