Praxistest: Nokia N76

05.10.2007

Lieferumfang / Verarbeitung

Die schimmernde Oberfläche bietet Haptik vom Feinsten: steigenden Metallpreisen zum Trotz haben die Finnen beim N76 in die oberen Reihen der Materialregale gegriffen. Ein geschwungener Bogen aus glänzendem Chrom zieht sich über Ober- und Unterseite und fasst Kamera und Musiktasten ein, der Rest des Klapphandys ist mit einem kratzfesten, glänzenden Metallic-Lack überzogen. Das damit verbundene Glanz- und Spiegeldesign wird vom Aussendisplay perfektioniert, das in inaktivem Zustand den kleinen Taschenspiegel komplett ersetzen kann - LGs Shine und Samsungs U700 lassen grüßen. Die damit verbundenen Nachteile werden beim N76 allerdings in extremer Ausprägung deutlich: selten waren Fingerabdrücke so stark sichtbar wie auf dem verspiegelten Außendisplay des N76, nach jedem verzweifelten Putzversuch traut man sich kaum mehr, die glänzende Schönheit anzufassen. Doch die hochwertigen glänzenden Materialien tragen wesentlich zum unverwüstlichen Eindruck bei, den das N76 hinterlässt. "Robust" ist die passende Bezeichnung für die Verarbeitung von Nokias Style-Handy: gleichmäßig gesetzte und kaum erkennbare Spaltmaße bezeugen hohe Gehäuseintegrität, miniUSB-Anschluss und microSD-Slot werden von fest sitzenden Klappen geschützt, der Akkudeckel klebt bombenfest am Gehäuse und lässt sich nur mit stärkstem Druck dazu bewegen, Akku und SIM-Karte freizugeben. Das Handy sollte Strandausflügen, versifften Hosentaschen oder Stürzen schadlos standhalten.

Doch Nokias neues Edel-Klapphandy macht nicht nur mit der Materialwahl auf sich aufmerksam, vor allem die eindrucksvollen Gehäusedimensionen dürften alle Blicke aufs N76 ziehen. Mit den imposanten Maßen von 106,5x52 mm ist das Multimedia-Smartphone in zugeklapptem Zustand etwa genauso groß wie Sony Ericssons neues P-Serien-Flagschiff P1i - aufgeklappt verbindet das Handy mit sage und schreibe 18,6 cm fast beide Ohren miteinander. Selbst Motorolas RAZR, bei dem sich die Finnen augenscheinlich das Design abgeschaut haben, wirkt daneben wie ein Zwergenhandy. Kein Wunder, dass Nokias neuester Gigant in der Schwergewichtsliga spielt: 115 Gramm sind kein Mühlenstein, ziehen eine Hemdtasche aber bereits bedrohlich in die Tiefe. Immerhin dürfte der Riese noch bequem darin verschwinden, da sich die Gehäusetiefe mit mageren 14 mm noch im aufbewahrungsfreundlichen Rahmen bewegt. Trotzdem: N76-Interessenten sollten sich darüber im Klaren sein, dass das ansprechende Lifestyle-Design in einem gewaltigen Gehäuse steckt. Da bleibt glücklicherweise viel Platz fürs Display: Nokia bietet bietet dem Nutzer eine Diagonale von mehr 6,1 cm (2,4 Zoll) - da kommen Bildschirmgefühle auf. Flankiert wird die Riesenfläche von erstklassigen Rahmendaten: ca. 16,7 Millionen Farben stellt sie bei einer Auflösung von 240x320 Pixeln dar, Helligkeits- und Kontrastwerte genügen höchsten Multimedia-Ansprüchen.

Auch die Tastatur profitiert von der Klappkonstruktion und dem Riesengehäuse. Man kann darüber streiten, ob die planare Metallic-Ausführung besser oder schlechter als das RAZR-Original gelungen ist. Zweifelsfrei steht dagegen fest, dass die Tasten des N76 hohen Bedienkomfort bieten - einzig der Power- und Profilbutton auf der Kopfseite wurde etwas unglücklich platziert, da die aufgeklappte Oberseite den Fingern im Wege steht: wer z.B. das Profil wechseln möchte, muss das Telefon zusammenfalten. Alle Tasten sind überaus großzügig bemessen und sollten auch gröbsten Holzfällerpranken noch filigrane Tippakrobatik erlauben. Darüber hinaus bietet der flexible, leicht angerauhte Kunststoff gute Haptik, die einzelnen Tasten lassen sich hervorragend voneinander unterscheiden und dementsprechend auch blind noch gut bedienen. Kurze und gleichmäßige Druckpunkte sorgen für flottes SMS-Tempo und schnelles Navigieren durch die S60-Menüs.

Die Beilagen, die Nokia in den Karton legt, können dagegen kaum mit den imposanten Maßen des N76 mithalten. Abgesehen von Standards wie Netzstecker oder USB2.0-Datenkabel findet der Käufer ein 3,5mm Klinken-Headset mit einer ziemlich coolen Fernbedienung und einer Umhängekonstruktion in Form von Schnüren - die leider dazu führen, dass man sich gnadenlos verheddert und ständig mit Kabelsalat zu kämpfen hat. Unter die Rubrik ?gewollt und nicht gekonnt? fällt auch die microSD-Karte mit ihren mageren 256MB ? zu wenig für die Nseries und für jeden musikbegeisterten Käufer. Schmerzlich vermisst haben wir auch ein kleines Putztuch, das für jeden N76-Besitzer schnell zu einem unverzichtbaren Begleiter werden wird. Dass die Mitgift nicht besonders üppig ausgefallen ist, muss man sich auch in Finnland gedacht haben. Was also tun, um das schlechte Gewissen zu beruhigen? Nokia bietet fünf Songs der schottischen Britpop-Band Travis zum kostenlosen Download aus dem MSN Music Portal an. Das bringt dem Käufer immerhinin eine kleine Entschädigung für den schmalen Lieferumfang.