Präsidentenwechsel bei Cll-Honeywell Bull:\Brulé stolpert über verpatzten Olivetti-Flirt

10.07.1981

PARIS (hh) - Zum Rücktritt gezwungen wurde der Präsident der CII-Honeywell Bull, Paris, Jean Pierre Brulé, auf einer Sondersitzung des Verwaltungsrates. Das "Tribunal" wurde auf Betreiben von Roger Fauroux einberufen, dem Präsidenten des Mehrheitsaktionärs Compagnie des Machines Bull (MB) und Generaldirektor der MB-Mutter St. Gobain Pont-á-Mousson.

Vorangegangen sind diesem Schritt mehrmonatige Querelen in der obersten Führungsetage. Dem abgesetzten Präsidenten wird eine verfehlte Geschäftspolitik und mangelnde Kooperationsbereitschaft innerhalb des Konzerns vorgeworfen. Zu seinem Nachfolger wurde Maxime Bonnet, seit Mitte der 60er Jahre bei CII-Honeywell Bull, gewählt.

CII-Honeywell Bull, nach Scheitern der Unidata auf Betreiben der französischen Regierung als Fusion zwischen CII und Honeywell Bull ins Leben gerufen, sollte nach dem Wunsch Brules ein französischer "Gigant" auf dem Sektor der Büroautomation werden.

Mit staatlicher Unterstützung und umfangreichen Auftragen der öffentlichen Hand gelang es Brulé, noch 1979 einen Bilanzgewinn von 89 Millionen Franc zu erwirtschaften. Brulé holte einerseits amerikanisches Know-how nach Frankreich, geriet aber andererseits in eine überproportionale Abhängigkeit von amerikanischer Technologie. Rund 60 Prozent des Brutto-Umsatzes werden derzeit mit Produkten amenkanischer Herkunft erwirtschaftet, schreibt die Tageszeitung Le Monde. Hierbei sei die Entwicklung französischer Produkte vernachlässigt worden. Nachdem die "europäisch operierende" Gruppe St. Gobain nach und nach die Kontrolle über Cll-Honneywell Bull über die Strategie auf.

St. Gobain, die über ihre Tochter Cadamas auch eine Beteiligung an Olivetti hält, verfolgt das Ziel, eine potente europäische Gruppe auf dem Sektor der Datenverarbeitung und Büroautomation zu schaffen. Daß nun der gewünschte Synergieeffekt zwischen Olivetti und CII-Honeywell Bull nicht zustande gekommen ist, war einer der Hauptvorwürfe, mit denen Brulé auf der Verwaltungsratssitzung konfrontiert wurde.

Einen wichtigen Grund für die Entscheidung, den Präsidenten abzuwählen, sehen Branchenkenner auch in zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten, die die Politik Brulés hervorgerufen habe.

Schon im Vorjahr seien Organisationsmängel in der Produktion zu Tage getreten, die dazu geführt hätten, daß erhebliche Lieferverzögerungen aufgetreten seien. Die Werke in Angers und Belfort sind demnach nicht in der Lage gewesen, die Nachfrage zu befriedigen. Deshalb hatte man in großem Stil auf die Lieferbereitschaft des amerikanischen Partners zurückgreifen müssen.

Kenner der Szene sprechen gegenüber "Le Monde" von einer "wahren Luftbrücke". Die daraufhin erfolgte Kapazitätsaufstockung der französischen Werke (1980 wurden 800 neue Arbeitsplätze geschaffen) führt nun zu einer "Produktion auf Halde", die nicht ohne Schwierigkeiten abzubauen ist.

Die zufriedenstellenden Ergebnisse des Jahres 1980 scheinen zudem teilweise, so ein gut unterrichteter Informant, durch buchungstechnische Manöver entstanden zu sein. Man habe "in gewissem Sinne" Geschäfte des Jahres 1981 vorweggenommen.

St. Gobain, zu früherer Zeit von Brulé gegenüber der Compagnie Genérale d´Electricité (CGE) als Aktionär vorgezogen, um mit einem "nichtengagierten" Partner die eigene Politik unbeirrt fortsetzen zu können, habe sich nun entschlossen, seine Verantwortung als Aktionär wahrzunehmen und sich von dem ungeliebten Präsidenten zu trennen, schreibt Le Monde.

Das Abstimmungsergebnis des Verwaltungsrates fiel dennoch denkbar knapp aus: Von den elf Mitgliedern stimmten nur sechs gegen Brulé.