Zwischen Arabern und Europäern steht es schlecht um DV-Kooperationen:

Präsenz im arabischen Markt geht gegen Null

10.09.1982

In den arabischen Ländern steckt die technologische Entwicklung noch in den Kinderschuhen. und das industrielle Wachstum basiert weitgehend auf importierten Gütern. Diese beiden Fakten erklären, warum der Grad der Informatisierung in den arabischen Ländern zu den niedrigsten der Welt zählt. Und sie machen ferner deutlich, daß wir (die Araber) auf dem Gebiet der Informatik wie auch in den übrigen technologischen Bereichen einen erheblichen Nachholbedarf haben.

Der Entwicklungsstand der Informatik in einem Land steht in direktem Zusammenhang mit der allgemeinen technologischen und industriellen Entwicklung und dem technischen beziehungsweise industriellen Know-how.

Eine Analyse in zehn arabischen Ländern im Hinblick auf diese Aussage ergab, folgende Situation: Die "Mini-Informatik" macht zehn Prozent (Algerien) bis 50 Prozent (Libanon) des gesamten Rechnerbestandes in der arabischen Region aus. Die fortbestehende Tendenz zum Einsatz von Großrechnern läßt sich hauptsächlich auf die konsequente Strategie führender DV-Anbieter in der Region zurückführen.

Der öffentliche Sektor, das heißt die Administration, befindet sich, was den Einsatz von Rechnern angeht, am weitesten im Rückstand. Wogegen der Dienstleistungsbereich -allem voran Banken und Versicherungen - den Löwenanteil an der Zahl der installierten Rechner besitzen. Dies wiederum zeigt, daß in den arabischen Ländern keine wirksame Informationspolitik existiert.

Der Anteil der europäischen Anbieter im arabischen DV-Markt ist praktisch gleich Null. Mehr als 97 Prozent des Marktes werden von den amerikanischen Anbietern beherrscht; lediglich in Algerien, Tunesien, Irak und Marokko konnten französische Firmen nennenswerte Anteile erringen. Deutsche Unternehmen sind in dieser Domäne sehr zaghaft vorgegangen.

Wert und Macht

Die Informatisierung, stellt einen Wert, aber auch eine Macht dar. Von hier aus gesehen steht sie im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Wachstums und der nationalen Souveränität eines Landes. Folglich müssen Anschaffung, Einsatz und Handhabung der DV Gegenstand einer Informationspolitil im Rahmen eines nationalen Informatisierungssystems sein. Die Aufstellung eines solchen Systems bedingt:

- Die Schaffung einer Organisation, die den vertikalen und horizontalen Informationsaustausch in einem vorgegebenen Rahmen sicherstellt.

- Das Vorhandensein eines Problembewußtseins und der politische Wille zur Aufstellung eines Aktionsprogramms. Das Aktionsprogramm müßte in einem Beratungsgremium diskutiert werden, das sich aus Vertretern der wichtigsten öffentlichen Verwaltungen sowie öffentlichen und privaten Unternehmen eine nationale Informatikpolitik zu erarbeiten und die zur Realisierung notwendigen Mittel festzustellen. Eine nationale Informatikpolitik steht in direkter Beziehung zu den übrigen politischen Ressorts, wie zum Beispiel Verteidigungs- und Erziehungspolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung und muß deren Ziele und Randbedingungen berücksichtigen.

Für die Ausführung eines solchen Informatisierungsplans ist die Heranziehung einer Autorität erforderlich, die politisch und fachlich in der Lage ist, die Aktivitäten auf Landesebene zu koordinieren und zu lenken. Eine solche Autorität kann sich einerseits auf geeignete Strukturen in den öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen stützen sowie auf die im Rahmen des Informatikplans festgelegten Meilensteine.

Ein Informatikplan muß sich an den wirtschaftlichen und sozialen Plänen des Landes orientieren und die übergeordneten sozioökonomischen Ziele berücksichtigen. Auf diese Weise könnte der Einsatz der Informatik eine Beschleunigung des Realisierungsprogrammes bewirken. Ausgangspunkt für die Aufstellung eines Nationalplans für Informatik sollte eine vorausschauende Analyse der Bildungspolitik, der Forschungspolitik, der Beschaffungspolitik sowie der Industrialisierungspolitik sein.

Keine Informatikpolitik

Mit Ausnahme von Tunesien, Algerien Kuwait und dem Sudan existiert in keinem arabischen Land eine Informatikpolitik. Die Folgen sind:

- Rechner werden angeschafft ohne Berücksichtigung des Rentabilitätskriteriums. Die Anwender können sich gegen die Übermacht der Anbieter nicht wehren. Dies erklärt zum Teil die Monopolstellung von IBM in den meisten arabischen Ländern.

- Fehlen der Disziplin Informatik an den Hochschulen; Weiterbildung und Erfahrungsaustausch unter den Fachleuten sind in unzureichendem Maße gegeben. Die Qualifikationen und Fertigkeiten im Bereich der Informatik verblassen innerhalb von zwei Jahren, falls sie nicht auf dem laufenden gehalten werden.

- Die Entwicklung von Software und der Aufbau arabischer Softwareindustrie stecken noch in den Anfängen, obwohl sich durch den verstärkten Einzug der Minicomputer völlig neue Möglichkeiten auf diesem Gebiet auftun, in bezug auf Deviseneinsparung sowie die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze. Eine Überschlagsrechnung zeigt, daß die arabischen Länder rund drei Millionen Dollar an Devisen sparen könnten, wenn sie sich im Rahmen einer Gesellschaft für Softwareservice zusammenschlössen mit einer Kapazität von 2000 Mikrorechnern pro Jahr.

- Die Herstellung und/oder die Montage von Rechnern und ihrer Peripherie kommen in den Industrialisierungsprogrammen der arabischen Länder nicht vor. Dennoch könnten die arabischen Länder, würde man die Fachkompetenz der einen mit den finanziellen Mitteln der anderen verbinden, schon im Jahre 1985 etwa 180 Minirechner zusammenbauen sowie 200 Drucker und 6500 Bildschirmgeräte herstellen. Solche Ergebnisse wären möglich, und ihr wirtschaftlicher Reiz ist gewiß, selbst wenn der Einfluß auf die Arbeitsmarktsituation nicht besonders groß ist.

Der Einsatz der Datenverarbeitung beschränkt sich im wesentlichen auf einige Funktionen wie zum Beispiel Rechnungswesen, allgemeine Buchhaltung, analytische Buchhaltung, Lagerhaltung und Statistik.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß es um die Kooperation zwischen den arabischen Ländern und Europa auf dem Sektor Informatik schlecht steht. Die einen lassen ihre Souveränität, ihre Kultur und ihre gesellschaftlichen Ziele von einem Land, ja von einem einzigen Unternehmen untergraben, und die anderen schreiben ihren Einfluß auf eine der zukunftsträchtigen Gemeinschaften in den Wind.

Übersetzt von Michael Agi

* Slaheddin Karoui, Tunis, Unternehmensberater ehemaliger Präsident der CNI (Centre National de l'Informatique Tunesienne)