Modernisiertes Pressearchiv setzt Maßstäbe

Postdienst präsentiert auch für Kleine ein Modell

24.08.1990

*Siegfried Mack ist Vertriebsleiter der Dr. Materna GmbH, Dortmund.

Die Archivierung via Aktenschrank und die damit verbundenen Redundanzen gehören immer mehr der Vergangenheit an. Arbeitsaufwand und Papierflut behindern den schnellen Zugriff auf notwendige Informationen. Seit Anfang des Jahres arbeitet das Pressearchiv der Deutschen Bundespost deshalb mit einem DV-gestützten Dokumentations- und Archivierungssystem. Über die Erfahrungen bei der Einführung berichtet Siegfried Mack.

Die Generaldirektion Postdienst in Bonn, eine der drei Pressestellen der Bundespost, ist zuständig für das "Zentrale Presse- und Informationsarchiv" der drei Post-Unternehmen und des Ministeriums für Post und Telekommunikation. Hier werden Presseartikel und Publikationen zu allen die Post betreffenden Themen gesammelt. Um die geforderten Informationen schnell und umfassend zur Verfügung stellen zu können, arbeitet das Pressearchiv der Deutschen Bundespost seit Anfang des Jahres mit dem DV-gestützten Dokumentations- und Archivierungssystem Megapress, das in Zusammenarbeit mit der Dr. Materna GmbH, Dortmund, entstanden ist.

Projektteam suchte gemeinsam noch Produkten

Seit Mitte der 80er Jahre bestand beim Postministerium der Plan, das bestehende Karteikasten-System des Pressearchivs zu modernisieren. "Ohne DV-Unterstützung kann ein großes Pressearchiv heute nicht mehr präzise und kostengünstig arbeiten", begründet Fränzi Koske, Sprecherin der Generaldirektion Postdienst, die Entscheidung aus Sicht des Anwenders.

Die Pressestellen der Deutschen Bundespost werten bundesweit Veröffentlichungen zu Themen des Postdienstes, der Postbank und der Telekommunikation aus. Eine Auswahl aus der Tages- und Fachpresse wird im zentralen Pressearchiv der Generaldirektion Postdienst archiviert. Agenturmeldungen zu Post- und Wirtschaftsthemen sowie Pressemitteilungen der drei Unternehmen und des Ministeriums ergänzen die Ablage.

Bisher wurde jeder Zeitungsausschnitt mit einem bestimmten Schlagwort klassifiziert, kopiert und in Karteikästen abgelegt. "Die dadurch entstehende Papierflut durch häufige Doppel- und Dreifach-Ablage sollte abgebaut werden. "Die Zugriffsmöglichkeiten waren beschränkt und Recherchen erwiesen sich häufig genug als äußerst schwierig und zeitraubend. "Der Zeitfaktor für die Recherche stand in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand", erinnert sich Fränzi Koske.

Um hier Abhilfe zu schaffen, rief man ein Projektteam ins Leben, das aus Spezialisten der Pressestelle, der Datenverarbeitung und der Arbeitsorganisation bestand. Gemeinsam suchte es am Markt nach neuen Technologien, um die Informationsflut besser in den Griff zu bekommen. Die Bundespost entschied sich nach intensiven Analysen für den Einsatz eines Information-Retrieval-Systems mit optischen Bildplatten als Basis eines modernisierten Pressearchivs.

"Die Zahlen überzeugten", erinnert sich Projektleiter Ingolf Burkard. Die Speicherkapazität nur einer optischen Bildplatte liegt bei 2 GB, das entspricht dem Volumen von zwei Millionen DIN-A4-Seiten Textdokumenten oder 40 000 vom Scanner eingelesenen Seiten.

Die vom Systemhaus Dr. Materna GmbH angebotene Lösung ist auf die Anforderungen des vom Post-Team ausgearbeiteten Fachkonzeptes zugeschnitten.

Es besteht aus den Softwarekomponenten Hyperdoc, dem optischen Archivierungssystem des Systemhauses selbst, dem Information-Retrieval-System Golem sowie dem Textanalyse-System Passat von Siemens.

"Wir haben uns für diese Lösung entschieden, weil sie den Komfort eines Bildplatten-Speichers mit der Leistungsfähigkeit eines Großrechners verbindet und zudem durch den Einsatz des Textanalyse-Systems einem optimalen Zugriff auf das einzelne Dokument bietet", erläutert Fränzi Koske die Entscheidung.

Zur Zeit bereiten Dokumentare an vier PC-Arbeitsplätzen das Schriftgut für die Archivierung vor, speisen die Dokumente ein und recherchieren online. Grundlage der Archivierung sind zwei unterschiedliche Dokumententypen. Zum einen sind es nicht-codierte Unterlagen, das heißt Zeitungs- und Zeitschriftenvorlagen, die mittels eines Scanners vom System erfaßt und auf der Bildplatte abgelegt werden. Zum anderen handelt es sich um codierte Informationen, das heißt zum Beispiel um Pressemitteilungen oder Agenturmeldungen, die schon in DV-erfaßter Form als Volltext vorliegen und im Retrieval-System abgelegt werden. Eine benutzerfreundliche Oberfläche führt den Anwender zum Ziel. "Wir haben dabei die jeweiligen Bildschirmmasken nach den Bedürfnissen und Anforderungen des Anwenders kreiert", faßt Ingolf Burkard zusammen. Grundlage für die Wiedergewinnung der Informationen ist zum einen das Informations-Retrieval-System Golem; es enthält alle Informationen zum Wiederauffinden der gespeicherten Dokumente. Zum anderen bietet das Textanalyse-System Passat die Möglichkeit, die Dokumente für das System zu erschließen und zur Weiterverarbeitung aufzubereiten.

Dokumente mit Suchbegriffen und Abstracts

Der Anwender kann jetzt über Suchbegriffe und deren Verknüpfungsmöglichkeiten zielsicher die gewünschten Informationen finden. Dazu werden die Dokumente wahlweise sowohl mit eindeutigen formalen als auch mit inhaltlichen Suchbegriffen und - soweit die Dokumente in codierter Form vorliegen - mit Abstracts versehen.

"Auf diese Weise erreichen wir, daß zum Beispiel ein Dokument mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten nur einmal abgespeichert werden muß. Redundanzen lassen sich somit erheblich vermindern", sieht Projektleiter Burkard die Systemvorteile.

Herzstück des Systems ist der Kommunikationsrechner. Er arbeitet mit dem Betriebssystem Unix und ist über Ethernet sowohl mit den einzelnen Arbeitsplätzen als auch mit dem Großrechner im Bundespostministerium und über diesen auch mit dem Host im Bundespresseamt verbunden. Er verwaltet die Archivdatenbank auf der Basis des Datenbanksystems Informix und die System-spezifischen Daten der Hyperdoc-Software (siehe auch Grafik).

"Dieser Kommunikationsrechner ist für den reibungslosen Ablauf des Datenaustauschs zwischen den Arbeitsplätzen, den Großrechnern und den optischen Speichermedien verantwortlich", faßt Ingolf Burkard die Funktion zusammen. Das Einlesen der nicht-codierten Informationen erledigt ein Scanner. Er tastet die gerasterten der DIN-A4-Vorlage ab und digitalisiert sie. Diese Vorlagen werden auf dein Monitor als Faksimile abgebildet und von der Hyperdoc-Software in komprimierter Form - auf das 20fache verdichtet - auf der Bildplatte abgelegt.

Auf dem Rechercheserver der Bundespost sind Golem und Passat im Einsatz. Weiterer Bestandteil der Systemkonfiguration ist der Optical Diskserver. Er übernimmt die Ansteuerung der optischen Platten sowie die Archivierung und das Laden von Dokumenten.

Von der systemtechnischen Seite betrat das Megapress-Team mit der Anbindung an den Host unter BS2000 Neuland. Fränzi Koske: "Die Bundespost hat diese Entwicklung innovativ gefördert, um eine Modellanwendung zu schaffen, die am Markt Zeichen setzt und auf der auch kleinere Anwender aufbauen können."

Die Schwierigkeiten der Entwicklung sind heute vergessen, die Vorteile des Systems sprechen für sich:

- wirtschaftliche und raumsparende Speicherung großer Datenmengen,

- kombinierte Ablage von Faksimiledokumenten und codierten Unterlagen,

- Online-Informationszugriff von jedem Arbeitsplatz,

- "Jedermann-Recherche" durch den Einsatz von Passat,

- Aufbau eines regionalen Netzes über ISDN,

- externer Zugriff auf Faksimiledokumente über einen Telefax-Server im Netz.

Die offene Systemarchitektur bietet die Möglichkeit und Chance, in die Fläche zu gehen. "Unser Ziel für die 90er Jahre ist es, die Pressestellen auf allen Ebenen der Deutschen Bundespost durch Anschluß von Megapress schnell und gezielt mit Informationen zu versorgen."

Für Fränzi Koske ist dieser Blick in eine nahe Zukunft nicht nur die Lösung eines internen logistischen Problems, sie setzt darauf, daß andere Anwender sich diese Innovation zunutze machen und eigene Bedarfskonzepte über das System realisieren.