Post: "Übergang auf OSI-Standard vertraglich abgesichert"

20.09.1985

Nur schriftlich vollzog sich der "Wortwechsel", den sich der engagierte Post-Beobachter und Postverwaltungsrat-lnsider Peter Paterna mit dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen am vergangenen Donnerstag im Bundestag lieferte. Der SPD-Mann verzichtete auf eine mündliche Beantwortung seiner Fragen zur Auftragsvergabe an IBM In Sachen Automatisierung des Postschalterdienstes (siehe Seite 1: SPD sorgt für OSI-Problembewußtsein). Die komplexe Materie hätte die übrigen Abgeordneten wohl ohnehin vor allzu hohe Verstandnishürden gestellt. Mehr Problembewußtsein und Öffentlichkeit hat das "Interview" zwischen Paterna und Wilhelm Rawe indes gebracht - ein Paradebeispiel für den Umgang mit "Mißverständnissen". bi

* Welche Gründe haben die Deutsche Bundespost veranlaßt, sich jetzt entgegen ursprünglicher Zielrichtung bei der Beschaffung von Computer-Systemen für IBM-Angebote mit konzerneigenem SNA-Standard zu entscheiden, und welche anderen Ressorts wurden bei dieser Entscheidung beteiligt?

Der Bundesregierung sind kritische Pressemeldungen über die Entscheidung der Deutschen Bundespost zur Beschaffung von DV-Systemen für die Mittelbehörden bekannt. Diese Kritik ist unzutreffend. Der dabei erweckte Eindruck, die Deutsche Bundespost sei von ihrer ursprünglichen Zielrichtung abgewichen, ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß die Deutsche Bundespost die angesprochenen Computersysteme weltweit im Wettbewerb ausgewählt und unter Anwendung der auch für die Mitgliedstaaten der EG geltenden Bestimmungen des sogenannten GATT-Codex "Regierungseinkäufe" ausgeschrieben hat. Hierzu gibt es eine Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der EG vom 16. 10. 84.

Die Auswahl der angesprochenen Computersysteme erfolgte im Wettbewerb. Nach Wertung der Angebote in technischer, betrieblicher, kostenmäßiger und kaufmännischer Hinsicht war dem wirtschaftlichsten Bieter der Zuschlag zu erteilen. Hinsichtlich der Kommunikationsschnittstellen hält sich die Deutsche Bundespost an die Forderungen der Bundesregierung, die im Regierungsbericht zur Informationstechnik (BR-Drs. 291/84 vom 07. 06. 84) festgelegt sind.

Diese Forderungen sind auch in dem angesprochenen Beschaffungsfall erfüllt.

Vertraglich ist die Offenlegung der Schnittstellen sichergestellt, so daß das Marktangebot voll ausschöpfbar bleibt. Darüber hinaus ist der Übergang auf normierte Schnittstellen entsprechend OSI ebenfalls vertraglich abgesichert. Abstimmungen mit anderen Ressorts waren bei der dargestellten Sachlage nicht erforderlich.

* Welche Reaktionen europäischer Hersteller und Gremien auf die Entscheidung der Deutschen Bundespost (DBP) zugunsten des IBM-Standards und zu Lasten eines offenen Übertragungsstandards (OSI) sind der Bundesregierung bekannt, und wie stellt sie sich zu dem Urteil, mit dieser Beschaffungspolitik der DBP werde den mit Milliarden DM auch öffentlicher Gelder geförderten Bemühungen um ein Gegengewicht zu dem im Markt dominierenden Branchenriesen IBM und um einen zukünftig freieren Wettbewerb zugunsten auch westeuropäischer Hersteller ein schwerer Schlag versetzt?

Die Deutsche Bundespost hat sich nicht gegen einen offenen Übertragungsstandard (OSI) entschieden. Die Deutsche Bundespost ist vielmehr daran interessiert, daß der Normierungsprozeß für die Kommunikationsprotokolle vorangetrieben wird; es ist auch für die angesprochenen Computersysteme vertraglich festgelegt, daß die offenen Übertragungsstandards dann, wenn OSI-Normen vorliegen, genutzt werden können.

Im übrigen geht die Annahme, die Deutsche Bundespost habe die Entwicklungsförderung von OSI mit öffentlichen Mitteln durch die angesprochene Beschaffungsmaßnahme unterlaufen, deshalb fehl, weil die Ausschreibung diese Entwicklung voll miteinbezogen hat.

Zusatzfragen

* Umfaßt der Auftrag die Lieferung einer festgelegten Zahl von Subsystemen zu bestimmten Terminen zu einem festen Preis, oder wie sehen die Vertragsbestimmungen im einzelnen aus?

Der mit der Lieferfirma abgeschlossene Rahmenvertrag gestattet es, bis zu 500 DV-Systeme innerhalb von 4 Jahren bedarfsorientiert abzurufen. Es sollen jedoch nur 400 Systeme zur Anwendung kommen.

Einzelheiten des Vertragsinhalts unterliegen dem Vertrauensschutz gemäß der Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen -, die von allen öffentlichen Auftraggebern zu beachten sind; sie können daher nicht offengelegt werden.

* Zu welchem Zeitpunkt sollen die ersten Schalterterminals mit Subsystemen und/oder Zentralrechnern online verbunden werden und wann soll die Vernetzung abgeschlossen sein?

Der Zeitpunkt des Anschlusses der Schaltersysteme steht noch nicht fest. Vorrangig ist zunächst der bis Ende 1988 zu realisierende Einsatz der ersten 4000 Systeme im Offline-Betrieb.

* Hat IBM nachgewiesen, daß die Firma innerhalb dieser Zeitvorgaben in der Lage ist, diese Kommunikation im OSI-Standard mit dem System 8100 insgesamt zu beherrschen?

Der Übergang auf OSI-Standard ist vertraglich abgesichert. Die Deutsche Bundespost geht davon aus, daß bis zum Anschlußzeitpunkt der Schaltersysteme an die DV-Subsysteme die angestrebten genormten Schnittstellen gemäß OSI zur Verfügung stehen werden.

* Ist die Konsequenz bekannt, daß die Entwicklungskapazität konkurrierender Hersteller auf IBM-Orientierung festgelegt wird, falls es IBM nicht gelingt, OSl zu realisieren?

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der OSI-Standard von allen Herstellern in entsprechende Produkte umgesetzt werden kann.

* Zu welchem Zweck gibt es beim Bundesminister des Innern eine Koordinierungsstelle "Offene Kommunikation; und hätte es nicht nahegelegen, angesichts der Signalwirkung dieser Bestellung sowohl das Bundesministerium des Innern als auch das Bundesministerium Forschung und Technologie vor der Auftragsvergabe zu konsultieren?

Die Deutsche Bundespost hat sich bei der Ausschreibung vom 16. 10. 84 an die im Regierungsbericht zur Informationstechnik (Bundesratsdrucksache 291/84 vom 07. 06. 84) festgelegten Forderungen der Bundesregierung zur "Offenen Kommunikation" gehalten. Eine Einzelfallabstimmung war bei dieser Sachlage nicht notwendig.

Die Statements wurden entnommen der "Drucksache 10/3795 des Deutschen Bundestages - 10. Wahlperiode" und einem Schreiben des parlamentarischen Staatssekretärs Wilhelm Rawe an den Abgeordneten Peter Paterna vom 12. 9. 85.