Praxisvergleich der Lösungen von Bea, IBM und SAP

Portale legen Reifeprüfung ab

08.11.2002
MÜNCHEN (fn) - Praktische Erfahrungen mit Portalsystemen sind noch dünn gesät. Das Beratungshaus CSC Ploenzke hat in einer Studie die Produkte von Bea, IBM und SAP auf Herz und Nieren geprüft und dabei eigenes Projekt-Know-how einfließen lassen.

Laut einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Forrester Research will ein Drittel der 3500 größten Unternehmen weltweit noch in diesem Jahr eine Portalsoftware erwerben. Die Auswahl an Lösungen in diesem Markt ist mittlerweile sehr groß. Die Wahl fiel auf Bea, SAP und IBM, da diese Hersteller laut CSC Ploenzke derzeit zu den Marktführern zählen.

Die Softwareprodukte wurden aufgrund der Produktbeschreibungen und White Papers analysiert, wobei die Autoren diese Angaben mit Erfahrungen aus Projekten verglichen haben. CSC Ploenzke hat eigener Auskunft zufolge mit allen genannten Produkten bereits Kundenlösungen realisiert.

Das Portalprodukt "Enterprise Portal 5.0" der SAP basiert größtenteils auf der Technik des übernommenen Portalspezialisten Toptier. Ein großer Vorteil der Lösung liegt in der Integration von bestehenden R/3- und Mysap-Umgebungen. Über den "Unification"-Server lassen sich Daten aus unterschiedlichen Quellen (Applikationen oder Datenbanken) miteinander in Beziehung setzen. Für eine Prozessintegration reicht dies indes nicht aus, sie lässt sich aber über die separat zu erwerbende "Exchange Infrastructure" bewerkstelligen. Als weiteren Pluspunkt führt CSC Ploenzke die Knowledge- beziehungsweise Content-Management-Features auf, die der Anwender mit dem Kauf des Produkts erwirbt. Zum Content-Management zählt beispielsweise das Ein- und Auschecken von Dokumenten sowie Teamfunktionen für Portalnutzer. Allerdings kann dieses System nicht über den Umfang dedizierter Lösungen von Content-Management-Spezialisten wie Gauss Interprise, Coremedia oder Vignette verfügen, erläutert Angelika Drach, Portalexpertin bei CSC Ploenzke in München. SAP hat das Portal um eine ausgefeilte Suchtechnologie ("T-Rex") ergänzt.

Im praktischen Einsatz erwies sich die SAP-Portaltechnik als nicht sehr stabil, was CSC Ploenzke auf die noch wenig ausgereifte Technik zurückführt. Die Software läuft sowohl auf dem "Jrun"-Server von Macromedia als auch auf dem SAP-eigenen "Web Application Server", der jedoch erst seit kurzer Zeit über eine J2EE-Engine verfügt. Die Experten kritisieren ferner die mangelnde Kompatibilität zwischen den Tag-Libraries und SAPs Client-Framework. So können die Java-Server-Pages-(JSP-)Tags manche Elemente der Java-Klassenbibliothek des Frameworks nicht ansprechen. Ein weiterer Schwachpunkt: Das Portalsystem läuft im aktuellen Release nur unter Windows 2000, weitere Plattformen wird SAP erst mit der Version 6.0, die im zweiten Quartal 2003 erscheinen soll, abdecken können.

Im Gegensatz zu IBM und Bea, die ein CPU-basierendes Lizenzkonzept verfolgen, richtet sich der Preis beim SAP-Produkt nach der Zahl der Anwender. Wer jedoch schon Mysap-Produkte nutzt, bekommt das Portal praktisch geschenkt. So legte die SAP einer großen deutschen Aktiengesellschaft ein Angebot vor, bei dem pro Mysap-Anwender 750 Euro ohne und 775 Euro inklusive Portalnutzung zu entrichten waren.

Gute Skalierbarkeit

Anders als der Applikationslieferant SAP, der vornehmlich Bestandskunden beliefern will, konzentriert sich Bea auf Infrastrukturlösungen für heterogene IT-Umgebungen. Das Kernprodukt des Unternehmens, der Applikations-Server "Weblogic 7.0", ist fest mit dem Portal-Server "Bea Weblogic Portal 7.0" verbunden, weshalb sich das System gut skalieren lässt. Zu den Glanzpunkten der Bea-Lösung zählt beispielsweise die grafische Workflow-Steuerung mittels des "Webflow Editor". Darüber hinaus lobt CSC Ploenzke die Administrationswerkzeuge des "E-Business Control Center". Er erlaubt es unter anderem, Verwaltungsaufgaben an verschiedene Administratoren zu delegieren. Punkten kann der Hersteller ferner mit einer regelbasierenden Personalisierungs-Engine, die man zum Beispiel bei SAPs Software vergeblich sucht. Das "Commerce"-Modul bildet die Grundlage zum Bau eines Online-Shops, und mit dem "Campaign Manager" lassen sich Produkte via Web anpreisen. Im Gegensatz zu IBM und SAP entwickelte Bea kein eigenes Suchsystem, sondern deckt diesen Part mit einer Search Engine von Autonomy ab.

Dass sich Bea auch als Integrationsspezialist versteht, kommt dem Portalprodukt zugute. Im Applikations-Server implementierte Java Messaging Services sowie Web-Services-Interfaces erlauben eine Einbindung von Fremdsystemen. Allerdings betrifft dies nur die Daten, für eine Prozessintegration sind zusätzliche EAI-Tools vonnöten, die der Kunde mit "Weblogic Integration" erwirbt.

Bea setzt auf Partner

Minuspunkte handelte sich Bea ein, da der Hersteller in Sachen Single-Sign-on kein eigenes System vorweisen kann, sondern auf Produkte von Entrust, Netegrity und RSA Security angewiesen ist. Den CSC-Ploenzke-Spezialisten fiel zudem negativ auf, dass der Anbieter zur Portlet-Entwicklung lediglich Java Server Pages zulässt, was unter Umständen einen höheren Programmieraufwand nach sich zieht. Allerdings plant Bea, das Produkt zu erweitern, so dass Entwickler neben JSPs auch XML (Extensible Markup Language) beziehungsweise XSLT (Extensible Stylesheet Language Tags) verwenden können. Zu bemängeln ist ferner das Fehlen integrierter Content-Management-Funktionen, was Bea aber durch zahlreiche Schnittstellen zu namhaften Herstellern wieder ausmerzt. Vermisst haben die Autoren darüber hinaus Community-Features, auch hier setzt die Softwarefirma auf Partner.

Generell ist zu sagen, dass Bea anders als SAP und IBM, die eigene Softwareprodukte in ihr Portal einbinden, als Integrator für viele verschiedene Lösungen agiert. Zudem verfolgt der Hersteller ein modulares Lizenzkonzept. Es überlässt dem Kunden die Entscheidung, welche Komponenten er benötigt, während die beiden Wettbewerber viele Funktionen Out-of-the-Box liefern.

IBM und Bea sind die führenden Anbieter im Markt für Java-basierende Applikations-Server und stehen sich auch mit ihrer Portalsoftware als Konkurrenten gegenüber. Big Blues Produkt "Websphere Portal 4.1" gefiel den Autoren wegen der ausgefeilten Benutzerverwaltung sowie der Sicherheitskonzepte. So liefert IBM eine Single-Sign-on-Lösung mit, die aus dem Portfolio von Tivoli stammt. Portalanwender können auf einen umfangreichen Fundus an Portlets zurückgreifen, um Applikationen einzubinden. Dazu zählen beispielsweise Komponenten zur Integration von Lotus-Software, aber auch für eine Reihe von weit verbreiteten Fremdsystemen. Diese Module schreiben die Dritthersteller zum großen Teil selbst. Einige Portlets liefert der Anbieter im Quellcode aus, so dass Anwender sie als Schablonen für eigene Entwicklungen nutzen können.

In puncto Stabilität und Flexibilität hinterließ das Produkt einen positiven Eindruck. Lobend erwähnen die Verfasser der Studie auch das "Websphere Application Development Toolkit", mit dem der Anwender Portallösungen bauen kann. Wie das von Bea basiert auch IBMs Preismodell auf Lizenzgebühren pro CPU. Unlängst stellte Big Blue die Mittelstandsversion "Websphere Portal Express" vor, deren Preis sich wie bei SAP aus der Anzahl der Benutzer errechnet.

Auf die Mängelliste des Websphere-Systems haben die CSC-Ploenzke-Experten die schwache Ausstattung der "Enable"-Edition des Portals gesetzt. Diesem Basisprodukt fehlen nämlich im Vergleich zur "Extend"- beziehungsweise "Experience"-Edition Collaborations-Features von Lotus. Zudem müssen sich Enable-Anwender mit einer stark eingeschränkten Suchfunktion begnügen, die beispielsweise keine Indizierung von Inhalten über mehrere Quellen hinweg erlaubt.

Eine Schwachstelle aller Portaleditionen des Anbieters sind die eingeschränkten Funktionen zur Oberflächengestaltung. Sie lassen nur drei Navigationsebenen zu. Nach den Worten von Oliver Wucher, Portalspezialist bei CSC Ploenzke, reicht eine dreistufige Navigation zwar oft aus. Wo dies nicht der Fall ist, müssen Entwickler spezielle Portlets programmieren. Im kommenden Release wird IBM ein generisches Navigationskonzept einführen, das diese Beschränkungen aufhebt. Big Blue zieht so mit dem Konkurrenten Bea gleich. Zwar liefert IBM zahlreiche Portlets aus, doch diese taugen nicht für eine wirkliche Prozessintegration. Hierzu bedarf es optionaler EAI-Produkte.