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Portale ändern die Unternehmenskultur

24.01.2003
Immer mehr Unternehmen begeistern sich für Mitarbeiterportale. Sie versprechen sich davon eine zusätzliche Motivation der Beschäftigten und hoffen, Kosten zu senken. Das aber ist nicht immer der Fall.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Immer mehr Unternehmen begeistern sich für Mitarbeiterportale. Sie versprechen sich davon eine zusätzliche Motivation der Beschäftigten durch eine Menge beruflicher und privater Serviceangebote und hoffen, Kosten zu senken, da sich Abläufe effizienter gestalten lassen. Das aber ist nicht immer der Fall.

Nachdem die Audi AG vor eineinhalb Jahren mit ihrer IT-Qualifizierungsoffensive bundesweit Aufsehen erregt hatte - damals wurden alle fast 45.000 Mitarbeiter mit E-Learning-Angeboten in Internet- und IT-Grundlagen ausgebildet -, waren die Beschäftigten auf die nächsten Schritte gespannt, mit denen es in Sachen IT-Anwendungen und deren Einsatz weitergehen würde.

Das Mitarbeiterportal im Rahmen des E-Business-Programms ließ nicht lange auf sich warten und leitete für die gesamte Belegschaft die nächste Stufe zu einem vernetzten Unternehmen ein. Das "Audi mynet", so wird das Mitarbeiterportal im Unternehmen genannt, ging im November vergangenen Jahres in Betrieb. Rund 40.000 Beschäftigte in Deutschland können nun auf rund 80 Applikationen von jedem vernetzten PC aus im Unternehmen zugreifen und auf über 900 Anwendungen von zu Hause.

Widersprüchliche Angaben zu Einsparungen

Mit Hilfe eines individuellen Kennwortes kommt der Mitarbeiter im Betrieb etwa an persönliche Stammdaten, Informationen und Leistungen des Unternehmens, Stellenanzeigen, Arbeitszeitregelungen oder Qualifizierungsangebote heran. Von zu Hause oder unterwegs kann der Audi-Beschäftigte unter anderem Leistungen der Betriebskrankenkasse, der Versicherungen, des Reisebüros oder einen Fahrzeugkonfigurator in Anspruch nehmen. Audi mynet enthält darüber hinaus Angebote zur Kinderbetreuung, eine umfangreiche Themensammlung zu Auto, Sport und Einkauf, zu regionalen Veranstaltungen und E-Learning-Programmen, außerdem einen Wetterbericht. Im zweiten Schritt werden so genannte Rollen- und Tätigkeitsportale, also zielgruppenspezifische Anwendungen, bereitgestellt. Sie sollen dem Unternehmen helfen, die Analyse-, Entscheidungs- und Arbeitsprozesse

effizienter zu gestalten. Den Anfang sollen die Manager machen.

Die Anwenderunternehmen gehen davon aus, dass sich im ersten Schritt die Einsparmöglichkeiten in Grenzen halten. Mit dieser zurückhaltenden Einschätzung unterscheiden sie sich von den zum Teil euphorischen Prognosen und Zahlen, die Berater gelegentlich zum Besten geben, wenn sie von 50 Prozent Einsparpotenzial bei Prozesskosten oder von der "Verschlankung" der Personalabteilung reden. Microsoft kann durch sein Portal eigenen Angaben zufolge auf Assistentinnen in der Personalabteilung verzichten. Kam früher auf jede Referentin eine unterstützende Kraft, begnügt man sich heute mit einer einzigen für die ganze Abteilung. Ansonsten halten sich die Unternehmen bedeckt, wenn es um die Frage geht, wie viel Beschäftigte sich durch die Verlagerung von Tätigkeiten der Personalabteilung auf die Mitarbeiter einsparen lassen. Die Standardantwort lautet: Die Personaler müssten sich jetzt weniger um administrative Tätigkeiten kümmern und könnten sich

stärker als Berater der Abteilungen profilieren.

HP gehört zu den Pionieren bei der Einführung eines Mitarbeiterportals und sieht sich auch deshalb in der Lage, Erfolgsmeldungen über das Sparvolumen bekannt zu geben: Im ersten Halbjahr nach der Einführung kam es zu weltweiten Kosteneinsparungen von 55 Millionen Dollar. Diese wurden vor allem durch unkompliziertere Geschäftsabläufe, niedrigere Fehleranfälligkeit und eine Automatisierung des Informationsflusses erzielt, heißt es. "Es handelt sich um eine einfache Prozessharmonisierung. Durch die Abbildung von wiederkehrenden Standardprozessen in Checklisten wurden Tausende Web-Seiten samt ihrer Pflege überflüssig. Das spart Kosten", erläutert Fritz Schuller, Geschäftsführer Personal beim Computerhersteller. Ursprünglich war @hp als Plattform für bestimmte Web-basierende Dienstleistungen der Personalabteilung geplant. Wer beispielsweise auf "Umzug" klickt, erhält eine Checkliste mit allen Arbeitsschritten und Vorgängen -

von der Adressänderung im Unternehmen bis hin zum Hinweis, dass die Kfz-Versicherung über die neue Adresse zu informieren ist. Selbst der Tag Sonderurlaub lässt sich über dieses System einbuchen. "Die Verwaltung der Mitarbeiterdaten und der wachsenden Informationen ist bei einem Unternehmen dieser Größe eine kostspielige Arbeit", gibt Schuller zu bedenken.

"Starke Veränderung in der Kommunikation"

"Die Einführung ist keine rein technische Herausforderung", weiß Berater Wilko Reinhardt von E-Trend aus seiner Tätigkeit. Entscheidend für den Projekterfolg sei, wie das Portal von den Mitarbeitern angenommen und genutzt wird. Es sollte als Teil eines umfassenden Wandels verstanden werden, da es laut Reinhardt eine "einschneidende Veränderung für die Kommunikationskultur im Unternehmen bedeutet". Voraussetzung dazu sei, dass die Mitarbeiter geschult werden. "Alle Beschäftigten eines Unternehmens müssen das Mitarbeiterportal als Arbeits- und Kommunikationswerkzeug beherrschen", lautet Reinhardts Forderung.

Dass diese berechtigt ist, zeigt das Ergebnis einer B-to-E-Studie (Business-to-Employee) von Wolfgang Jäger, Professor im Fachbereich Medienwirtschaft der Fachhochschule Wiesbaden, und Joachim Fischer, Strategieberater bei Cap Gemini Ernst & Young. Die beiden befragten fast 100 Unternehmen zum Thema "Mitarbeiterportale". Nur knapp ein Drittel der befragten Unternehmen bescheinigt der Belegschaft eine umfassende Qualifikation für einen eigenständigen Intranet-Umgang. Mehr noch: Immerhin 37 Prozent der Firmen sind der Meinung, dass weniger als die Hälfte der Mitarbeiter dazu in der Lage ist. Dabei fällt auf, dass kleinere Unternehmen ihre Mitarbeiter zwar für interessierter halten, jedoch nicht für qualifizierter im Umgang mit dem Intranet. Um hier Abhilfe zu schaffen, reicht eine Schulung nicht aus. Die Mitarbeiter müssten zusätzlich zur Nutzung motiviert werden, beispielsweise wenn sie Aufgaben der Personalabteilung durch Pflege der Stammdaten

übernehmen, verlangt Berater Reinhardt. Die Beschäftigten sollten einen klaren Vorteil von der Nutzung zum einen durch Arbeitserleichterung, zum anderen durch zusätzliche Serviceangebote haben.

Nicht zu vergessen ist die frühzeitige Einbindung des Betriebsrates. Insbesondere sind hier Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und eventueller Mehrarbeit zu diskutieren. Bei einem Automobilbauer musste beispielsweise auch darüber verhandelt werden, keine berufsbezogenen Inhalte ins Intranet mit externem Zugriff zu stellen, damit die Mitarbeiter nicht in der Freizeit lernen.

Die beiden E-Business-Experten Jäger und Fischer haben den Reifegrad von Mitarbeiterportalen in deutschen Unternehmen in vier Kategorien eingeteilt.

Stufe eins: Die Intranet-Lösung stellt den Mitarbeitern in erster Linie Informationen über das Unternehmen, Produkte, Organisationen, einzelne Abteilungen und Services bereit.

Stufe zwei: Zur Informationsgewinnung stehen den Benutzern zusätzlich Suchmaschinen zur Verfügung. Die Anwender können auf externe Daten und Verzeichnisse zugreifen, es werden allerdings Zugriffsrechte vergeben, so dass die Mitarbeiter über einen personalisierten Zugang nur bestimmte Informationen abrufen oder Daten ändern können (Employee Self Service).

Stufe drei: Neben rollenspezifischen Zugriffsrechten der Mitarbeiter spielt die Interaktivität eine wichtige Rolle, so dass Interessengruppen leichter zusammenfinden. Damit können Mitarbeiter beispielsweise standortübergreifend ein gemeinsames Produkt entwickeln oder als Mitglied einer Funktionsgruppe (Entwicklung, Vertrieb) Erfahrungsaustausch im Rahmen einer virtuellen Gemeinschaft (Community) betreiben.

Stufe vier: Das Portal wird durch den Zugriff auf Datenbanken und Systeme externer Partner erweitert. Vom Intranet aus kann über elektronische Marktplätze eingekauft werden.

Die meisten Firmen stehen noch am Anfang

Jäger und Fischer kommen zu dem Schluss, dass sich viele Unternehmen bei der Entwicklung und Implementierung von Mitarbeiterportalen noch ganz am Anfang befinden. Noch gebe es einige Stolpersteine, die Firmen hinderten, auf diese Intranet-Anwendung zu setzen. "Die finanziellen Mittel bilden den Dreh- und Angelpunkt bei der Einführung oder dem Ausbau von Mitarbeiterportalen", so die beiden Verfasser der Studie. Besonders die Investitionssumme und die Rentabilitätschancen entscheiden die Frage für oder gegen ein Portal. Jäger fällt weiterhin auf, dass, je größer die Unternehmen sind, desto problematischer sich die Zuständigkeiten in Bezug auf den Aufbau der Portale gestalten. Ebenso entpuppt sich die fehlende Verantwortlichkeit als Hindernis.

Deshalb empfiehlt Reinhardt, von Anfang an eine "sinnvolle Arbeitsteilung" zu schaffen. Zentrale Aufgaben seien eine unternehmensweite Festlegung der Strategie und die Zielsetzung. Des Weiteren seien unternehmensweite Inhalte wie Nachrichten, Archive sowie Funktionen wie Suchmaschinen oder Personalisierung zentral für alle Bereiche und Mitarbeiter bereitzustellen. Dazu gehörten auch ein einheitliches Layout und eine einheitliche Navigation. Audi besaß vor der Einführung seines Portals 250.000 interne Websites, von denen nur drei Prozent der Corporate Identity der Firma entsprachen. Aus Effizienzgründen sollte auch die technologische Plattform zentral betrieben werden.

Als dezentrale Aufgaben definiert Reinhardt, die jeweiligen Inhalte zu erstellen und zu pflegen. Dabei sind die Qualitätsanforderungen zu klären: was mindestens zu publizieren ist, welche Inhalte nicht erscheinen dürfen, wie die Aktualisierungszyklen zu gestalten sind und wer der jeweils zuständige Verantwortliche ist. (hk)

Personalarbeit 2010

Den Urlaubszettel digital einzureichen sei noch keine Meisterleistung, bemängeln Kritiker der Portallösungen. Es gehe nicht um neue Software, sondern um neue Konzepte. Personalexperten stellen sich vor, dass Talente, Kompetenzen und Leistungen aller Mitarbeiter für die Personalverantwortlichen ständig auf dem neuesten Stand online zur Verfügung stehen. Christian Scholz, Betriebswirtschafts-Professor an der Universität Saarbrücken, wünscht sich einen "internen Potenzialmarkt", auf dem sich die Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen für Projekte bewerben. Durch die digitale Erfassung aller Mitarbeiter erhöhten sich die Chancen, mit den richtigen Fähigkeiten den entsprechenden Job zu erhalten. Mit Verwaltung beschäftigte sich dann niemand mehr, das erledigten Rechner und Wissensdatenbanken.