Kalifornischer Mikroanbieter kommt nach verfehlter Ankündigungspolitik in Kalamitäten:

Portable-Pionier Osborne beantragt Vergleich

23.09.1983

HAYWARD/KALIFORNIEN - Nach einem glänzenden Start im Jahre 1981 mußte jetzt der US-Personal-Computer-Anbieter Osborne einen Vergleich nach Kapitel elf des amerikanischen Konkursrechtes einleiten. Der kalifornische Portable-Pionier war insbesondere nach einem verfrühten Announcement seines "Executive 1" ins Schlingern geraten. Zusätzliche Managementfehler bewirkten, daß rund hundert Mitarbeiter entlassen und achtzig Prozent der verbliebenen 350 Beschäftigten beurlaubt werden mußten. Findet sich nicht innerhalb der nächsten Woche ein Kapitalgeber, der bereit ist, 15 Millionen Dollar Außenstände zu begleichen, kann Osborne für immer die Türen schließen.

Während seinen Vorgesetzten das Wasser bis zum Hals steht, sieht der Statthalter der deutschen Osborne-Dependance in München, Sepp Hatz, die Entwicklung im Silicon Valley noch relativ gelassen. Seiner GmbH gehe es verhältnismäßig gut, und er habe obendrein eine Million Mark bei der Bayerischen Hypotheken Bank deponiert. "Sollte es zum Konkurs der Muttergesellschaft kommen", versichert Hatz, "so können wir alle Ansprüche unserer Lieferanten, der Kunden und des Personals befriedigen". Daß im kalifornischen Hayward jedoch das Äußerste eintreten könnte, wird von US -Marktbeobachtern nicht angenommen. An dem jungen Unternehmen, das den Industriezweig für tragbare Personal Computer begründete, sind zahlreiche Unternehmen interessiert. In den letzten Wochen wurden insbesondere Verhandlungen mit ITT, Seiko und NCR geführt. Bei den Spekulationen über eine Osborne-Übernahme hat sich jedoch zuletzt Matra-Harris herauskristallisiert.

Angemessene Fusionsmöglichkeiten scheiterten bislang, weil weder Chairman Adam Osborne die Kontrolle über sein Unternehmen aus der Hand geben wollte, noch einige Chairholder ihre Anteile zum Verkauf freigaben, heißt es unter Kennern der Hayward-Szene.

Inzwischen ist Firmengründer Osborne von seiner Präsidentschaft zurückgetreten, hält jedoch noch an

seinem Stuhl als Vorstandsvorsitzender der Corporation fest. Der ehemalige DV-Journalist und erfolgreiche Fachbuchautor hatte mit den Schwierigkeiten bis fünf vor zwölf hinter dem Berg gehalten. Auf der ersten "US-Mikrocomputer-Show" in Köln, Ende Juni, verbreitete der Mikro-Highflyer noch überschäumenden Optimismus. Innerhalb der nächsten Jahre wolle er über eine Milliarde Portables verkaufen und damit sogar die IBM übertrumpfen. Erst als wenige Wochen später in der Fertigungsstätte Monmouth Junction (New Jersey) die ersten 89 Mitarbeiter entlassen wurden, legte Osborne die Karten auf den Tisch. Als Grund für die Kalamitäten seines Unternehmens gab der Firmenboß den "brutalen Wettbewerb" im Mikrocomputermarkt an. Amerikanische Branchenanalysten sehen hier vor allem die Einführung des IBM-PC als einen wesentlichen Grund für das Scheitern des kalifornischen Portable-Anbieters. Die dominierende Stellung von Big Blue hätten den Anfang des Jahres angekündigten Osborne-Rechner Executive1 bereits zum Sterben verurteilt, noch bevor dieser ausgeliefert werden konnte.

GmbH-Geschäftsführer Hatz wertet den Markteintritt der IBM dagegen als unerheblich für die Schwierigkeiten seiner Muttergesellschaft. Konstatiert der gebürtige Österreicher: "Die Dominanz der IBM ist für viele Mikroanbieter, die momentan Vermarktungsprobleme haben, nur eine Entschuldigung für eigene Management- oder Marketingfehler." Hatz geht in diesem Zusammenhang auch mit seinen US-Bossen ins Gericht. Insbesondere durch zwei Patzer habe man den Osborne-Karren in den Dreck gefahren: Der Executive 1 sei zu Beginn dieses Jahres angekündigt worden, als er noch nicht vermarktungsfähig war. Zudem hätten sich die Osborne-Planer mit den Lieferterminen vertan. Versprachen sie eine sofortige Vefügbarkeit, so war der Rechner erst Monate später, im Mai, in größeren Stückzahlen vorrätig, heißt es auch unter US-lnsidern.

Hinzu kam, daß die Verantwortlichen in Hayward den Executive 1 mißverständlich als Nachfolgemodell des "Osborne 1" ankündigten obwohl dieser für Mainframe-Umgebungen vorgesehen war und fast das Doppelte kostete. Folge dieses Announcement -Fauxpas: Niemand wollte mehr den einst erfolgreich abgesetzten Osborne 1 kaufen, sondern wartete auf den Executive oder sah sich auf dem explosionsartig wachsenden Portable-Markt um. Die Zurückhaltung potentieller Interessenten sowie zusätzliche Lieferschwierigkeiten manövrierten den kalifornischen Mikrohersteller schließlich in die Krise.

In der kritischen Phase konnten obendrein einige Newcomer - allen voran die Compaq Corp., die innerhalb weniger Monate zum Portable-Marktführer avancierte - links und rechts an Osborne vorbeiziehen. Wie die Executive-Vermarkter zielte auch Compaq mit seinen "Tragbaren" auf den große Stückzahlen versprechenden Großrechnermarkt. Doch wesentliche Kriterien wurden bei der Produktkonzeption der neuen Osborne-Maschine offensichtlich unterbewertet. So verfügt der Executive zwar über eine "Pseudo-IBM-Kompatibilität", jedoch nicht über Diskettenverträglichkeit .

Mißgriffe werden Adam Osborne auch bei der Auswahl seiner Mitarbeiter nachgesagt. So habe der Portable-Schöpfer, als es mit seiner Company steil bergauf ging, "jeden eingestellt, der lesen und schreiben konnte", sagen Kritiker des Unternehmens. Dies sei so lange gut gegangen, wie der Osborne 1 noch Hauptprodukt war und die Tragbaren in einem "Käufermarkt" angeboten wurden. Als es schließlich darum ging, den höherwertigen Executive in einer Jumbo-Umgebung unterzubringen, habe das in diesem Bereich ungeschulte Vertriebspersonal versagt.

Produktion eingestellt

Wie es nun mit dem kalifornischen Mikroabsteiger weitergehen soll, ist noch umstritten. Zunächst haben drei Osborne-Gläubiger, die Security Pacific Bank, die Chemical Bank sowie die Bank of North America, einen Konsortium gegründet und ein Notfond in Höhe von 600 000 Dollar bereitgestellt. Diese Gelder sollen es dem Unternehmen zunächst ermöglichen, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen, den Vertrieb vorläufig weiterlaufen zu lassen, den Service bereits auf dem Markt befindlicher Produkte zu sichern sowie den Support bei der Entwicklung des Executive 2 aufrechtzuerhalten. Nach eigenen Schätzungen benötigt Osborne für laufenden Gehaltszahlungen und die Finanzierung anderer betriebsnotwendiger Tätigkeiten rund 100 000 Dollar pro Woche. Zwar werde derzeit alles darangesetzt, die Entwicklung des Executive 2 voranzutreiben, doch die Produktion sei eingestellt.

Die Schwierigkeiten der Corporation hat in den USA bereits zu Spekulationen geführt, daß die Gesellschaft unter den rund 150 Personal-Computer-Anbietern nicht das einzige Opfer der gegenwärtigen Marktsituation bleiben wird. Beobachter der amerikanischen PC-Landschaft weisen darauf hin, daß die Osborne-Misere nur ein Teil der großen Umwälzungen unter den Mikroherstellern darstelle. Auch andere Unternehmen hätten die Produktion schon eingeschränkt. Über Verluste im PC-Geschäft klagen selbst große Anbieter wie Texas Instruments. Als Apple kürzlich eingestehen mußte, daß der Absatz der "Lisa" stagniere, gingen die Aktien rapide in den Keller.

Einem Bericht der "Financial Times" zufolge haben die schlechten Meldungen über Osborne auch die Schwierigkeiten der Victor Technology, Hersteller des Sirius-Mikro überschattet, die Anfang letzter Woche 350 Entlassungen in ihrer Fabrik in Scotts Valley bekanntgab. Victor habe damit die Zahl der Beschäftigten seit Anfang August fast um die Hälfte oder um mehr als 1200 verringert, berichtet VWD. Die Probleme der Gesellschaft seien die Folge einer Knappheit von Magnetplattenlaufwerken. Der Kauf teurer Teile habe die Gewinnspannen deutlich schrumpfen lassen.

Im Gegensatz zu Osborne findet Victor jedoch bereits Unter Sirius-Produzenten eine Beteiligung von 43 Prozent hält, kündigte an, dem Unternehmen Mittel in geeigneter Höhe zur Verfügung zu stellen.