Politischer Kürzeltrick der IBM

27.05.1988

Offizielle Stellungnahme der GUUG Vereinigung Deutscher Unix-Benutzer e. V. zur Gründung der Open Software Foundation (OSF)

Am 17. Mai 88 haben sieben Computer-Hersteller, nämlich Apollo, Bull, DEC, HP, IBM, Nixdorf und Siemens, die Gründung einer Stiftung angekündigt, deren Ziel die Schaffung eines herstellerunabhängigen Software-Umfelds sein soll. Als Ausgangspunkt für dieses Vorhaben dient UNIX.

Die GUUG sieht in dieser Bemühung ihre Ziele bestätigt. War es doch gerade die Herstellerunabhängigkeit, die den Erfolg von Unix ausmacht und die von der GUUG in den letzten Jahren immer wieder als oberstes Interesse der Anwender gesehen und gefördert wurde.

Was sind die Ziele der OSF?

Natürlich stellt sich aber auch die GUUG die Frage, welche Ziele von der OSF verfolgt werden, die nicht bisher schon in ausreichendem Maße von anderen Institutionen angestrebt wurden. Bis auf IBM und Apollo sind ja alle Mitglieder der zu gründenden Stiftung auch Mitglieder der X/OPEN. So kündigt OSF an, man werde Entwicklungen der Mitglieder aus den Bereichen Datenbanken, User-lnterface oder Communications in einen neuen Betriebssystem-Standard einbringen. Das ist nicht direkt neu, denkt man an die Integration von X-Windows. Erfolgreiche Weiterentwicklungen haben auch in der Vergangenheit ihren Weg in den Standard gefunden. Der Weg dahin war aber oft mühsam; stand solchen Entwicklungen doch immer die Skepsis der jeweiligen Wettbewerber entgegen. Sollte es der OSF nun gelingen, diese Prozesse zu beschleunigen, die Anwender werden es danken

Wozu aber einen neuen Betriebssystem-Standard?

Es ist unbestritten, daß Unix, dessen Design ganze 20 Jahre zurückliegt, neben allen bekannten Vorteilen, einige Mängel hat, die der Bearbeitung bedürfen. Die Tatsache, daß Unix aber überhaupt entwicklungsfähig ist, hat den Erfolg dieses Betriebssystems mitbegründet. Und diese erstaunliche Evolutionsfähigkeit ist in der genial einfachen Struktur von Unix begründet. Die genormten Schnittstellen des Betriebssystems sind die eine Seite, die Fähigkeit, sich ständig neuen Hardware-Strukturen anzupassen und dabei nach zwanzig Jahren noch hochmodern zu sein, ist eine andere. Die Bemühung um ein neues Betriebssystem, daß so nahe an Unix angelehnt sein soll, ähnelt dem Versuch einer Vereinigung von Modeschöpfern, den Bikini neu zu erfinden.

Sollte also die Gründung der OSF mehr von politischen ab von technischen Motiven getragen sein?

Müssen wir dann OSF als neuen politischen Kürzeltrick der IBM ansehen? Es liegt nahe zu vermuten, daß die nicht übermäßig erfolgreichen SAA-Bemühungen der IBM und das nicht mehr abzuweisende Verlangen der Anwender nach offenen Standards nach einer Reaktion der IBM verlangen. Die GUUG hätte in diesem Zusammenhang einen Eintritt der IBM in X/OPEN sehr begrüßt. Wie sich aber nun X/OPEN und OSF gegenüberstehen werden, ist nicht absehbar. Oder war es die angekündigte Zusammenarbeit von AT&T und Sun, die die Portierung von System V.3 nur erlauben, wenn sich der Lizenznehmer auch zur Portierung aller folgenden Versionen verpflichtet, die die Konkurrenz zu OSF trieb? Die Anwender jedenfalls wünschen sich weder eine Dominanz von AT&T noch von IBM. Sie wünschen sich auch keinen Kampf um die Vorherrschaft im DV-Markt, bei dem Standards die Waffen sind und der Anwender das Schlachtfeld ist.

Wie steht es nun um Unix in der nächsten Zeit?

Unix hat eine Bestätigung erfahren Nun hat doch auch IBM, was für viele (aber nicht alle) eine bedeutsame Tatsache ist, die Qualität von Unix indirekt bestätigt. Die anderen an OSF beteiligten Firmen sind ja schon lange mit von der Partie. Sie haben zum Teil immense Investitionen getätigt, die ihnen einen Rückzug aus dem Unix-Markt gar nicht mehr erlauben. Eine Vorwärts-Strategie ist also angesagt. Die mag nun OSF heißen. Aber zwischen der Ankündigung und der Realisierung liegt Zeit, Geld und der Lauf der Ereignisse. Der Standard der nächsten Jahre wird weiterhin Unix heißen. Viele Spekulationen lassen sich an das Announcement knüpfen. Die GUUG hofft, daß aus den hohen Zielen, die beschworen wurden, positive Entwicklungen für den Anwendern entstehen.

Ralph Treitz. Pressekoordinator der GUUG German Unix User Group e. V.