Hier geht's auch um die Gefahren positiven Denkens

Politiker und Blondinen sind eben so

26.01.2009
Bevor Menschen sich anstecken lassen vom Tremolo der Krisenbeschwörer und der Kakophonie der Katastrophenausstatter, sollten sie tun, was sie auch können: selber denken.

"Na, der Tag fängt ja schon wieder richtig bescheiden an - es regnet, und die Nachrichten sind auch beschissen. Die Banken und Unternehmen bekommen es vorne und hinten reingeschoben, und uns bitten die Politiker natürlich zur Kasse. Und warum das alles? Weil die Ackermanns und Mehdorns und wie sie alle heißen, den Rand nicht voll bekommen können. Erst den Karren in den Dreck fahren, und wir können dann schauen..."

Es gibt Fachleute, die eine Prognose wagen würden, wie sich die Dinge für einen Zeitgenossen entwickeln könnten, der so in den Werktag einsteigt: Suboptimal! Solchermaßen konditioniert dürfte er auf dem Weg ins Büro garantiert auch gleich im Stau stehen. Ein Kollege wird ihn sicher maliziös auf das zwar wirklich teure, nichtsdestotrotz rosa gestreifte Hemd ansprechen. Vorherzusehen ist bei dieser anschwellenden Tristesse, dass die Roulade in der Kantine auch wieder brutalstmöglich versalzen sein wird. Und so geht er dann dahin, der Trauertag unseres Misanthropen.

Krisen gibt es nicht

Der Diplompsychologe und Spezialist für kognitive Verhaltenstherapie, Jens Corssen, kann sich einen Reim auf solche Verhaltensweisen machen: Erlebt der Mensch eine Situation als unangenehm oder als ungünstig für die eigene Zielvorstellung, projiziert er diese negativen Gefühle laut Corssen oft nach außen. Er begibt sich dem Leben gegenüber in eine Opferhaltung und erschafft sich ein Problem, eine Krise. Und das ist schlecht. Corssen: "Für zielorientiertes und selbstbestimmtes Handeln ist es notwendig, zwischen dem, was ist, und den Gedanken, die man hinzutut, zu unterscheiden."

Anders ausgedrückt: Es gibt kein Problem und keine Krise, "das sind nur Worte". Es gibt lediglich Situationen, die "ungünstig für unsere Erwartungen sind oder eben ungünstig für unsere Zielvorstellungen zu sein scheinen". Wer das erkenne, werde nicht klagend in der Opferhaltung verharren und auf eine Veränderung von draußen warten, sondern schnell Lösungen finden und aktiv bleiben. Solch eine Haltung hat einen nicht zu unterschätzenden Vorzug, meint Corssen: "Sie schafft einen Wettbewerbsvorteil." Während nämlich alle von der Krise reden, sei man selbst hellwach und innovativ.

Nun lassen sich der morgendliche Stau oder atmosphärische Störungen in der Partnerschaft ebenso wenig wegreden wie finanzielle Verluste infolge der Weltwirtschaftsentwicklung. Das will Corssen auch gar nicht. Er plädiert lediglich für die Einsicht, dass ein Automobilist bereits mit dem Erwerb seines fahrbaren Untersatzes auch die Möglichkeit eines Stau-Erlebnisses erworben hat. Ebenso stecke in jeder Beziehungsanbahnung grundsätzlich auch die Option des Scheiterns.

Besser gescheitert als niemals geliebt

Der Coach will allerdings diese Position nicht als Anleitung zu neuerlichem Pessimismus verstanden wissen. So sollte man natürlich nicht schon zu Beginn einer Beziehung deren Untergang prognostizieren, bloß weil die theoretische Möglichkeit dazu gegeben ist. "Es gibt sicher kaum ein besseres Mittel als diesen Gedanken, um eine Beziehung zum Scheitern zu bringen."

Die Möglichkeit eines Staus oder des Endes einer Partnerschaft sei ja lediglich dann relevant, "wenn es aktuell passiert oder schon geschehen ist". Corssens Rat ist denn auch eher eine Anleitung zum Krisen-Management, wenn das Drama tatsächlich eintritt: "Wenn nach Ringen und Mühen und Tränen und Anstrengungen eine Beziehung zu Ende geht, sollte man sich darüber bewusst werden, dass diese Möglichkeit ja immer bestand."

Seine Forderung "Besser gescheitert als niemals geliebt!" lässt sich auch auf das momentan allgegenwärtige Krisengeraune übertragen. Sein Credo: "Rauf auf die Achterbahn des Lebens, bringen Sie sich total ein und beklagen Sie nicht die Nebenwirkungen."

Solche Lebenshaltung ist nicht mit einem unreflektierten Optimismusfuror zu verwechseln, betont Corssen. Das ausschließlich positive Denken berge die Gefahr, sich alles schönzureden. "Das Selbst-Management, wie ich es sehe, ist vor allem ein bewusstes Gedanken-Management. Unsere persönliche Einstellung zu uns selbst, zum Leben, zum Anderen ist die Quelle unserer Gedanken und Gefühle. Diese erzeugen unser Handeln." Auf reale und direkte Konfrontation reagiere der Mensch instinktiv, automatisch. "Diese primären Gefühle sollten wir wahrnehmen und zulassen." Denn nicht gelebte Gefühle könnten krank machen.

Glück ist ansteckend

Es ist dabei durchaus lohnend, die persönlichen Einstellungen mit Blick auf ihre Abhängigkeit von den Mitmenschen zu reflektieren. Eine Untersuchung der US-Wissenschaftler Nicholas Christakis von der Harvard University und James Fowler von der University of California in San Diego kommt in der Online-Ausgabe des "British Medical Journal" zu dem Ergebnis, dass Glück ansteckend ist. Die beiden Forscher werteten eine Langzeitstudie aus, in der über einen Zeitraum von 20 Jahren mehr als 5000 Erwachsene zu unterschiedlichsten Themen befragt wurden. Weil die Probanden unter anderem auch Angaben zu Wohnort, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen und Familienangehörigen machten, konnten die beiden Forscher ein Netzwerk der Sozialkontakte und Beziehungen der Befragten untereinander rekonstruieren.

Angstüberwindung für einen wichtigen Zweck

Einer, der sich mit vermeintlich objektiven Realitäten, die zu Vorurteilen gerinnen, bestens auskennt, ist Rüdiger Nehberg. Viele nennen den in Bielefeld geborenen ehemaligen Bäcker und Konditor einen Abenteurer, was für eine Phase seines Lebens auch zutrifft. Vor allem aber ist er ein Menschenrechtsaktivist. Er verbindet spektakuläre Aktionen wie beispielsweise Solofahrten auf einem Auslegerbaum über den Atlantik mit einem medialen Kalkül. Auf diese Weise will Nehberg größtmögliche Aufmerksamkeit für seine gesellschaftspolitischen Forderungen erzielen. So geschehen bei seinem Engagement für die brasilianischen Ureinwohner, die Yanomami-Indianer. So vor allem praktiziert bei seinem jahrelangen Feldzug gegen die Genitalverstümmelungen, wie sie in vielen islamisch ausgerichteten Ländern an Mädchen und jungen Frauen vorgenommen werden.

Nehberg hat als christlicher Europäer das Kunststück fertiggebracht, die höchsten Religionslehrer des Islam für sein Vorhaben einzunehmen. Der ranghöchste islamische Religionslehrer persönlich, der Großmufti Ali Gum'a an der Al-Azhar-Universität in Kairo, hat mit anderen islamischen Rechtsgelehrten die Genitalverstümmelung auf einer Konferenz für rechtswidrig und als nicht vom Koran sanktioniert erklärt. Organisiert wurde die Veranstaltung von der von Nehberg und seiner Partnerin Annette Weber gegründeten Menschenrechtsorganisation Target.

Der Ostwestfale hat bei seinen diversen spektakulären Aktionen eine Strategie entwickelt, seine Ängste in den Griff zu bekommen, die einfach und beispielhaft zugleich ist. Nehberg: "Natürlich gehört Angst - genauso übrigens wie Ekel - als Überlebensinstinkt zum Leben. Aber ich habe gelernt, begründete Angst von unbegründeter, anerzogener Angst und von Angst aus Mangel an Wissen zu unterscheiden."

Ähnlich wie Pöppel und Corssen plädiert der Menschenrechtsaktivist dafür, sich seiner Vorurteile über Gegebenheiten, Kulturen, Menschen bewusst zu werden und sie durch genaue Kenntnis über den jeweiligen Diskussionsgegenstand abzubauen.

Nehberg hat monatelang in islamischen Ländern gelebt, spricht ein wenig Arabisch. "Hierbei habe ich die unendliche Gastfreundschaft der Leute erfahren bis hin dazu, dass diese Menschen mich mit ihren eigenen Körpern bei Überfällen geschützt und mich gerettet haben." Auf diesen Reisen habe er "andere Leute kennen gelernt als die viel zitierten Terroristen, von denen ich auch einige gesehen habe". Diese Terroristen dürfe man nicht mit dem Islam gleichsetzen, sie missbrauchten die Religion. Übrigens könne man sich auch an dunkle Kapitel aus der Geschichte der Christen erinnern, "unter denen es auch Kriminelle gab".

Er habe gelernt, diese Unterscheidungen zu treffen, "und damit renne ich offene Türen ein bei islamischen Gläubigen". Interessanterweise mussten er und Annette Weber für ihr Engagement gegen die Genitalverstümmlungen erst die Organisation Target gründen, weil abgesehen von Amnesty International alle anderen Menschenrechtsorganisationen bei diesem Vorhaben abwinkten und sagten: "Nehberg, jetzt knallst du durch, du wirst senil, du verlierst die Bodenhaftung. Man sprengt uns doch die Büros in die Luft. Der Islam ist doch überhaupt nicht dialogfähig." Die anderen Organisationen hätten befürchtet, solch ein Engagement werde Terroristen anlocken. Die Schlussfolgerung für Nehberg und Weber: "Wir wollten unsere restliche Lebenszeit nicht mit solchen Bedenkenträgern verbringen."

Unter anderem beantworteten die Testpersonen auch die Frage: "Wie oft haben Sie in der vergangenen Woche das Leben genossen?" Hierbei nun stellten die Wissenschaftler fest, dass sich die "Lebensgenießer" nicht gleichmäßig über die 5000 Erwachsenen verteilten. Vielmehr gab es in den sozialen Netzwerken auffällige und nicht mehr durch den Zufallsfaktor zu erklärende Häufungen von Glücklichen - neudeutsch würde man wohl von Glücks-Clustern reden.

Die wesentlichste Erkenntnis von Fowler und Christakis ist, dass das Wohlbefinden von Menschen von demjenigen einer anderen Person abhängen kann, die man nicht einmal zu kennen braucht. Ist man selbst ein glücklicher Mensch - so die Analyse des Datenmaterials -, so steige die Wahrscheinlich um 34 Prozent, dass auch der Nachbar glücklich ist. Hat man einen Freund, der voller Freude durchs Leben geht, steigen die Chancen, selbst zuversichtlich zu sein, immerhin noch um 25 Prozent.

Glück hat aber auch seine Grenzen

Kleiner Wermutstropfen der Studienauswertung: Ein glücklicher Arbeitskollege macht den Büronachbarn noch lange nicht happy. Und das Glücksempfinden eines Ehepartners strahlt sogar nur in acht Prozent der Fälle auf den Gefährten aus. Schließlich gab es auch Mahner wie den Yale-University-Professor Jason Fletcher, der warnte, voreilige Schlüsse aus dieser Studie in Bezug auf soziale Netzwerke zu ziehen. Trotzdem scheint klar: Das Glücksempfinden eines Menschen wirkt ansteckend auf das nähere soziale Umfeld. Gelbe Karte also für unseren Misanthropen.

Gehirnforscher wie Ernst Pöppel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben ebenfalls eine Erklärung für den ganz alltäglichen Missmut - und als Naturwissenschaftler sogar ein wenig Verständnis für die Ursachen solcher Negativkonditionierung: "Die Gehirnforschung sagt, dass Information immer antizipativ verarbeitet wird. Das heißt, wir haben immer Hypothesen über Sachverhalte."

Blondinen, Säbelzahntiger und Vorurteile

Der Mensch trete mit der Geburt zwar in gewisser Weise offen in die Welt hinein. Er werde dann aber nach bestimmten Lebensmechanismen in einen kulturellen Kontext hineingeprägt - und "dann gilt ganz automatisch nicht mehr das Gesetz der absoluten Wahrheit". Die kulturelle Prägung, der Kontext also, in dem ein Mensch lebt, bedeutet, dass "alle meine Wahrnehmungs- und Denkprozesse relativer Natur sind", erklärt Pöppel. Jeder Denkakt, jede Wahrnehmung sei im Grunde eine Bestätigung oder eine Zurückweisung einer Hypothese, die Menschen haben. Alles, was der Homo sapiens mache, tue er immer "im Rahmen einer Einstellung, einer Erwartung, einer Hypothese".

Persönliche Einstellung und Erwartungshaltung - das ist denn auch der Schlüssel zum Verständnis von individuellen Konditionierungen, mit denen man sich durch den Tag schleppt. Dieses Verhalten, so vorurteilsbeladen es ist, hat seine Grundlage letztlich im evolutionären Erbe des Menschen, so Pöppel. Wenn nämlich der Steinzeitmensch durch den Busch streifte und sich plötzlich dem Säbelzahntiger gegenübersah, bekam er es mit der Angst zu tun. Verankert im genetischen Code lief automatisch ein überlebenswichtiges Programm ab, das nach ganz einfachen und vor allem schnellen Lösungen suchte. So läuft auch heute noch der Denkprozess beim Menschen ab. "Es gehört zu unserer genetischen Ausstattung, immer einfachste Begründungen zu haben. Das war in der Menschheitsgeschichte nie anders", resümiert Pöppel. Die Erklärung für die Existenz von Vorurteilen liegt also unter anderem auch in der Suche nach einfachen Lösungen, um möglichst schnell handeln zu können.

Nun ist eine Blondine kein Säbelzahntiger. Ebenso wenig wie ein Politiker oder ein Manager. Es bestünde also kein Grund, sich dem Zwang auszuliefern, immer schnell urteilen und handeln zu müssen, und dies auf Kosten einer komplexeren Lagebeurteilung. Trotzdem läuft der genetische Code auch heute immer noch wie geschmiert. Denn auch soziale Vorurteile unterliegen solch einem Mechanismus, sind sie doch "Hypothesen über das Verhalten von anderen, die ich habe", sagt Pöppel. Deshalb sind Manager und Politiker halt so. Und Blondinen sowieso.

Kein Überleben ohne Vorurteile

Prinzipiell ist dieser Denkmechanismus nicht einmal fatal. Man muss nur wissen, betont Pöppel, dass man in jedem Moment genau solche Hypothesen mit sich herumträgt. So übe man so etwas wie Selbstkontrolle aus. Wer etwa sagt, er habe keine Vorurteile, der belege damit eben genau seine Voreingenommenheit. "Jeder Mensch hat Vorurteile, sonst wären wir gar nicht lebensfähig. Wenn man das allerdings weiß, hat man schon kein Problem mehr."

Corssen erklärt die Krisenbewältigungsmechanik aus der Sicht des Psychologen: Wer in rauer See erfolgreich agieren wolle, für den sei es hilfreich, zwischen mechanischen Gedanken einerseits und dem bewussten Denken andererseits zu unterscheiden. Wenn man etwa das Wort "Krise" hört oder vom nahen "Untergang" liest, werde automatisch ein Gefühl von Bedrohung, Verlustangst oder Panik ausgelöst. "Wenn man aber zum Beobachter dieser angstauslösenden Mechanik wird, kann man sie durch bewusst kreierte Gedanken ersetzen wie beispielsweise: "Was kann ich daraus lernen?"

Einfach ist nicht immer gut

Solche biogenetischen und psychologischen Erklärungsmuster menschlicher Unzulänglichkeiten sollen allerdings nicht ablenken von der Verantwortung, die jeder Mensch für sein Leben und seine Haltungen hat. So argumentiert Pöppel, auf der Suche nach der schnellen Wahrheit abstrahiere der Mensch extrem von allen anderen Eigenschaften, um Zuordnungen vornehmen zu können. "Solch eine Komplexitätsreduzierung ist aber einer Sache nie angemessen."

Pöppel ist deshalb zum Streiter gegen die allgemein grassierende "Monokausalitis" geworden und plädiert für ein neues Denken und das "Prinzip der Komplementarität - ein generatives Prinzip, das in der theoretischen Physik als deskriptives verstanden wird", erklärt Pöppel.

Untaugliche, eindimensionale Lösungsansätze zeigten sich gerade auch jetzt: Momentan würden die Politiker mit ihren Entscheidungen einmal mehr versuchen, monokausale Lösungen zu finden: "Sie gehen einfach davon aus, dass, wenn man nur genug Geld in den Markt pumpt, die Menschen das schon ausgeben werden." Hier wären, sagt der Hirnforscher, die politisch Verantwortlichen gut beraten, nach dem Komplementaritätsprinzip besser zu überlegen, wie die Bürger sich möglicherweise verhalten werden - und auch die Banken und die potenziellen Krisengewinnler, möchte man hinzufügen.

Kampf der Systeme

Der im genetischen Code verankerte scheinbare Zwang zum schnellen Reagieren zeige seine negativen Seiten insbesondere in schlechten Zeiten: "Es ist ja die Ideologie der heutigen Zeit, dass man immer alles schnell machen muss", meint Pöppel. Das sei der Mythos der Schnelligkeit, "der an Dämlichkeit gar nicht zu übertreffen ist". Mit diesem Mythos laufe man automatisch in eine Schnelligkeitsfalle. Für die Zuspitzung der momentanen pessimistischen Grundstimmung sei es typisch, dass jetzt "alle auf diesen Krisenzug aufspringen und in das Krisengeschrei einstimmen".

Dabei sei das, was die Bürger gerade erleben, so der Hirnforscher weiter, ein Machtkampf zwischen der Politik und der Wirtschaft - und möglicherweise auch der Medien. Die Politik versuche, die Macht wieder an sich zu reißen, die ihr im Zuge der Globalisierung abhandengekommen sei: "Bei all dem Krisenlamento geht es eigentlich um die Deutungshoheit." Die Bürger sind dieser Krise ausgeliefert, mit der Gefahr, dass das Volk sich "instrumentalisieren lässt von einem Machtkampf, der sich im Hintergrund abspielt". Deshalb fordert Pöppel von allen Menschen: "Denk mal wieder selber nach."

Trotzreaktion oder: Jetzt erst recht!

"Im Idealfall warnt mich ein siebter Sinn vor aufziehenden Krisen. Dann bleibt es bei einem Sturm im Wasserglas. Erwischt es mich aber eiskalt, meldet sich kurz das vegetative Nervensystem. So weiß ich: Es ist was Ernstes! Dann setzt eine Trotzreaktion ein: Jetzt erst recht! Es macht Spaß, gegen die Krise zu kämpfen. Allerdings ist dies kein Grund, sich auf die nächste Krise zu freuen. Das Schlimme an gelösten Krisen ist nämlich: Sie haben viel Kraft gekostet, und andere wichtige Dinge sind liegen geblieben."

Fremdgesteuert in der Krise? Nein danke.

Corssen schlägt in die gleiche Kerbe. Klagende sähen sich in seinen Coaching-Gesprächen oft als fremdgesteuerte Opfer. Dieser Mangel an Reflexion resultiere dann in Unlust, Stress und Demotivation. Solchen Menschen diktiere er den Satz: "Wo ich bin, will ich sein, alles andere war mir in meiner Vorstellung zu kostspielig." Diese Erkenntnis wirke wie ein spannungs- und angstlösendes Antidepressivum. Aus dem Opfer werde ein Schnäppchenjäger, der sich immer für das Beste entscheidet, auch wenn es nur das geringste Übel ist. Corssen: "Wir sind in jedem Augenblick unseres Lebens Preisvergleicher. Entweder vermeiden wir negative Konsequenzen, oder wir nehmen Unlust auf uns, um unser Ziel zu erreichen" - der Mensch übernehme so also Selbstverantwortung und bestimme so auch über sich selbst.

Wenn der Tag so anfängt, kann es draußen ruhig regnen, Politiker und Banker können einen nicht mehr ärgern - und der Arbeitskollege macht einen eh nicht glücklicher.

Hohe Kunst des Fußballer-Egos

Der Psychologe Jens Corssen betreut auch Fußballprofis. Denen bringt er ein einfaches Erfolgsrezept bei: Statt das auf Außenwirkung zielende eigene Ego durch selbstverliebte Dribblings aufzupumpen, sollte man eine andere Strategie verfolgen. Besonders erfolgreich ist laut Corssen der Mensch, der einer Idee dient, die größer als sein Ego ist. Seine Erklärung kann auch auf den Alltag anderer Berufssparten übertragen werden:

"Wenn ein Spieler im Wettkampf den Ball nicht schnell genug abgibt, weil er gerne dribbelt und für die Galerie spielt, schadet er seinem Team und dem gemeinsamen Ziel. Dieses egozentrierte Tun wird er viel leichter unterlassen können, wenn er sich leidenschaftlich der Idee verschreibt, etwa dem Aufstieg seines Teams zu dienen. Man hat mir glaubhaft versichert, dass es große Freude macht, in einer Gemeinschaft für ein Ziel sein Ego zurückzustellen und sein Bestes zu geben. Das ist die höhere Form von Egoismus."